Müssen Erben an den Erblasser gezahlte Sozialhilfe zurückzahlen?

25.06.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Sozialrecht,Handbuch Sozialhilfe kann von den Erben zurückgefordert werden - mit Einschränkungen. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze:

1. Erben eines Bürgergeldempfängers: Hat der Erblasser Bürgergeld erhalten, kann das Jobcenter gegenüber den Erben keine Rückforderung aus dem Nachlass geltend machen.

2. Erben eines Sozialhilfeempfängers: Hat das Sozialamt Sozialhilfe an den Erblassers gezahlt, kann es diese grundsätzlich bis zur Höhe des vorhandenen Nachlasswertes zurückfordern. Dabei sind Freibeträge zu berücksichtigen.

3. Härtefall: Liegt in der Person des Erben ein besonderer Härtefall z.B. aufgrund Alters, Gesundheit, Verwurzelung am Wohnort und Einkommen vor, kann die Rückforderung der an den Erblasser gezahlten Sozialhilfe - teilweise - ausgeschlossen sein.
Die Sozialbehörden bzw. Jobcenter können in bestimmten Fällen Sozialleistungen zurückverlangen. So werden zum Beispiel in einigen Fällen die Erben von Leistungsempfängern dazu aufgefordert, an ihre verstorbenen Eltern gezahlte Leistungen zurückzuzahlen. Die Rechtslage dazu hat sich jedoch in den letzten Jahren geändert. Wer muss heute eine solche Rückforderung fürchten?

Welche Sozialleistungen muss man unterscheiden?


Für unterschiedliche Sozialleistungen gelten unterschiedliche Regeln. Dies gilt auch beim Thema Rückforderung. Wichtig ist es, zwischen dem Bürgergeld und der Sozialhilfe zu unterscheiden.

Die rechtliche Grundlage für die Zahlung von Bürgergeld ist das 2. Sozialgesetzbuch (SGB II). Diese Leistung erhalten Personen, die grundsätzlich erwerbsfähig sind, die also eine Arbeit annehmen könnten.

Die Sozialhilfe in ihrer heutigen Form richtet sich nach dem zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII). Diese Leistung wird an Menschen gezahlt, die nicht oder nicht mehr erwerbsfähig sind, die also nicht arbeiten können.

Bürgergeld: Gibt es eine Erbenhaftung für Sozialleistungen?


Beim alten Hartz IV / ALG II gab es eine sogenannte Erbenhaftung. Erben von Empfängern von Arbeitslosengeld II mussten damit rechnen, dass die Sozialbehörde ausgezahlte Leistungen von ihnen zurückverlangte. Es konnte zum Beispiel passieren, dass ein Leistungsempfänger noch ein Sparguthaben gehabt hatte, welches das Jobcenter ihm als sogenanntes Schonvermögen anerkannte. Dieses Geld musste der Betreffende nicht verbrauchen, um ALG II zu erhalten. Vererbte er jedoch das Geld seinem Kind, forderte das Jobcenter von diesem nach dem Todesfall die Rückzahlung der dem Vater gezahlten Sozialleistungen. Dabei war die Ersatzpflicht der Erben auf den Wert des Erbes begrenzt. Auch Gerichte sahen dieses Vorgehen als zulässig an, so etwa das Sozialgericht Berlin (24.5.2011, Az. S 149 As 21300/08).

Heute sieht die Sache anders aus. Die entsprechende Regelung – § 35 Abs. 2 SGB II – wurde mit Wirkung zum 1.8.2016 aufgehoben und ersatzlos gestrichen. Erben von Bürgergeldempfängern haben daher heute keine Rückforderungen mehr zu befürchten!

Was müssen Erben zum Thema Sozialhilfe wissen?


Anders ist es bei der Sozialhilfe. Dort gibt es nach wie vor eine Erbenhaftung. Gemäß § 102 des 12. Sozialgesetzbuches (SGB XII) hat der Erbe eines Sozialhilfeempfängers der Behörde die gezahlte Sozialhilfe zu erstatten. Dies betrifft alle Beträge, die in den zehn Jahren vor dem Erbfall ausgezahlt wurden.

Sogar die Erben des Ehegatten oder Lebenspartners des Leistungsempfängers können zur Kostenerstattung herangezogen werden, falls diese Person vor dem Leistungsberechtigten stirbt.

Ausgenommen von der Rückzahlungspflicht sind die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Staat kann diese Leistungen also nicht vom Erben zurückverlangen (§ 102 Abs. 5 SGB XII; Leistungen nach dem "Vierten Kapitel"). Dies gilt auch für Leistungen der Tuberkulosehilfe.

Von Rückforderungen betroffen ist jedoch die sogenannte "Rest-Sozialhilfe", in erster Linie also die "Hilfe zur Pflege". Diese wird vom Sozialamt gezahlt, wenn eine Person nicht die finanziellen Mittel hat, um ihren Aufenthalt im Pflegeheim und die Pflegekosten zu bezahlen. Dabei können ganz erhebliche Beträge zusammenkommen.

Was ist das Schonvermögen?


Der Antragsteller muss auch bei Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII zunächst einmal sein eigenes Vermögen verbrauchen oder verkaufen. Es gibt jedoch auch hier Dinge, die zum "Schonvermögen" gehören und nicht angetastet werden. Dazu gehören ein angemessener Hausrat, ein angemessenes (selbst bewohntes) Hausgrundstück, kleinere Bargeldbeträge oder sonstige Geldbeträge je nach den persönlichen Verhältnissen.

Ein wichtiges Thema ist hier natürlich das eigene Haus. Auch Sozialhilfeempfänger dürfen in den eigenen vier Wänden wohnen, wenn diese "angemessen" sind. Das heißt laut Bundessozialgericht: 90 Quadratmeter Wohnfläche für einen Alleinstehenden, eine Überschreitung um zehn Prozent wird toleriert. Bei Paaren gilt eine größere Wohnfläche als angemessen (Urteil vom 12.12.2013, Az. B 14 AS 90/12 R).

Beim Schönvermögen gibt es jedoch einen Haken: Hier wird nur der Leistungsempfänger selbst geschont – nicht dagegen seine Erben.

Worauf ist die Rückforderung der gezahlten Sozialhilfe beschränkt?


Die Rückzahlungspflicht beschränkt sich auf den Nachlasswert. Die Erben müssen also nicht mehr zahlen, als sie geerbt haben. Vor der Berechnung werden außerdem die Bestattungskosten und ggf. die Kosten für eine Nachlassverwaltung vom Wert des Nachlasses abgezogen.

Das Sozialamt kann eine Kostenerstattung nur für den Teil seiner Ausgaben fordern, der das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigt. Im Jahr 2025 beträgt dieser 690 Euro, das Dreifache davon sind 2.070 Euro. Liegt das Erbe also unter diesem Betrag, kann gar nichts verlangt werden. Wenn man zum Beispiel 10.000 Euro erbt, beträgt die mögliche Rückforderung 10.000 - 2.070 = 7.930 Euro.

Ist der Erbe der Ehepartner oder Lebenspartner der leistungsberechtigten Person oder mit dieser verwandt und hat außerdem mit dieser Person zusammengelebt und sie gepflegt, kann er 15.340 Euro aus dem Nachlass behalten. An dieser Zahl hat sich auch 2025 nichts geändert.

Nicht zuletzt gilt: Der Anspruch auf Kostenerstattung entfällt komplett, wenn er für den Erben einen besonderen Härtefall bedeuten würde.

Wann erlischt der Anspruch des Sozialamtes?


Der Rückzahlungsanspruch des Sozialamts erlischt drei Jahre nach dem Tod der leistungsberechtigten Person bzw. ihres Ehegatten oder ihres Lebenspartners.

Urteil: Muss das Haus verkauft werden?


Ein Mann hatte seine letzten Jahre in einem Pflegeheim verbracht. Das Sozialamt war teilweise für die Unterbringungskosten aufgekommen. Nach seinem Tod forderte die Behörde von seiner Witwe rund 15.300 Euro zurück. Allerdings bestand der Nachlass hauptsächlich aus dem Haus, in dem die Witwe und ihr Sohn wohnten.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen wies die Forderung des Sozialamts zunächst zurück. Schon zu Lebzeiten des Leistungsempfängers habe das Haus zu dessen Schonvermögen gehört. Dieser Schutz dauere auch nach seinem Tod an.

Allerdings kippte das Bundessozialgericht dieses Urteil. Ein "postmortales Schonvermögen" existiere nicht. Daher könne das Sozialamt die Erbin in die Pflicht nehmen. Der Fall wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen, um zu prüfen, ob ein Härtefall vorlag (Urteil vom 27.2.2019, Az. B 8 SO 15/17 R).

In einem Fall wie diesem ist ein Härtefall nicht ausgeschlossen. Dabei spielen Kriterien wie Alter, Gesundheit, Verwurzelung am Wohnort und Einkommen eine Rolle. Mit anderen Worten: Soll einer hochbetagten Witwe mit kleiner Rente das von ihr seit 1964 bewohnte Haus weggenommen werden, kann man sehr wahrscheinlich von einem Härtefall ausgehen. Dann scheidet eine Rückforderung aus.

Was hat sich durch die Neuregelung des Elternunterhalts geändert?


Lange Zeit war der Elternunterhalt ein häufiges Prozessthema. Denn: Erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern sind ihren Eltern unterhaltspflichtig. Wenn nun das Sozialamt an die Eltern Leistungen für die Unterbringung im Pflegeheim zahlt, geht der Unterhaltsanspruch automatisch auf das Sozialamt über. Die Behörde kann sich das Geld dann von den Kindern zurückholen.

Dies gilt jedoch inzwischen nur noch, wenn die Kinder über 100.000 Euro im Jahr verdienen. Diese Vorschrift hat keinen Einfluss auf die Rückforderung der Sozialhilfe von den Erben.

Praxistipp zur Rückforderung von Sozialhilfe von den Erben


Als Erbe erben Sie auch die Schulden Ihres Angehörigen. Ist der Nachlass insgesamt überschuldet, kann es ratsam sein, das Erbe auszuschlagen. Dazu haben Sie sechs Wochen Zeit, sobald Sie von der Erbschaft erfahren haben. Wenn das Sozialamt gezahlte Sozialleistungen gerade im Bereich "Hilfe zur Pflege" zurückverlangt, sollte geprüft werden, ob ein Härtefall vorliegt. Dies hängt vom Einzelfall ab. Hier kann ein erfahrener Rechtsanwalt für Sozialrecht helfen.

(Ma)


 Ulf Matzen
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