Verletzung der Schulpflicht – welche Folgen drohen?

18.05.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Schulpflicht,Klimastreik,Urlaub,Bußgeld Schulpflicht: Wer schwänzt, muss in der Regel zahlen. © Rh - Anwalt-Suchservice

In Deutschland besteht Schulpflicht. Diese wird jedoch häufig verletzt – durch schulschwänzende Kinder, durch Eltern mit Urlaubsplänen und auch bei sogenannten "Klimastreiks". Was ist erlaubt?

Oft schwänzen Kinder die Schule, um Shoppen zu gehen oder irgendetwas Spannenderes zu unternehmen. Allerdings können auch Mobbing in der Schule oder häusliche Probleme die Ursache sein.
Oft kollidieren aber auch die elterlichen Urlaubspläne mit der Schulpflicht. Vielleicht könnte man ein günstigeres Angebot für einen Pauschalurlaub oder Flug wahrnehmen - nur, dass man dann ein paar Tage vor Beginn der Ferien starten müsste. Oder man kommt erst ein paar Tage nach Schulbeginn zurück.
Auch die beliebten Freitagsdemos für den Klimaschutz sind in letzter Zeit ein großes Thema. Diese finden bewusst während der Schulzeit statt - um Aufmerksamkeit zu erregen. Was gilt hier rechtlich? Wofür können sich Schulkinder beurlauben lassen?

Was bedeutet eigentlich „Schulpflicht“?


Schulpflicht bedeutet, dass Kinder im schulpflichtigen Alter regelmäßig und pünktlich am Schulunterricht und an schulischen Veranstaltungen teilnehmen müssen. Es ist die Verantwortung der Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder dem nachkommen und jeden Tag pünktlich in der Schule sind. Gesetzlich geregelt ist die Schulpflicht in den Schulgesetzen der Bundesländer.

Für wen gilt die Schulpflicht?


Grundsätzlich beginnt die Schulpflicht mit dem sechsten Lebensjahr. In den meisten Bundesländern werden Kinder zum 1. August eines Jahres schulpflichtig, wenn ein Kind bis zum 30. Juni des Jahres das sechste Lebensjahr vollendet hat. Diese Stichtage sind jedoch nicht bundesweit einheitlich. Die Vollzeitschulpflicht dauert je nach Bundesland neun bis zehn Jahre, daran schließt sich noch eine Berufsschulpflicht von ein bis zwei Jahren an. Der Grund für die unterschiedlichen Regelungen: Die Schulpflicht ist Sache der einzelnen Bundesländer.

Welche Folgen hat eine Verletzung der Schulpflicht?


Unentschuldigtes Fehlen ist immer eine Verletzung der Schulpflicht. Die Schule wird in der Regel zuerst das Gespräch mit dem Schüler suchen. Sie wird bei einer Häufung von Fehlzeiten auch die Eltern ansprechen. Schüler oder Schülerin sowie Eltern wird dann erklärt, dass man sich durch das Versäumen von Unterrichtsstunden selbst schadet. Dies liegt nicht nur am versäumten Lernstoff. Fehlzeiten werden im Schulzeugnis aufgeführt und so mancher spätere Arbeitgeber achtet bei der Einstellung von Azubis auf solche Dinge. Zeigen sich die Angesprochenen uneinsichtig, bleibt der Schule nichts anderes übrig, als den formellen Weg zu gehen und die Angelegenheit der Schulbehörde zu melden.

Welche Bußgelder und Strafen drohen?


Schuleschwänzen und damit ein Verstoß gegen die Schulpflicht ist meist eine Ordnungswidrigkeit. Die Folge kann ein Bußgeld sein. Natürlich ist dessen Höhe in jedem Bundesland unterschiedlich. Für ein paar Tage können jedoch schnell ein paar hundert Euro zusammenkommen. Das Bußgeld kann bis zu 1.500 Euro betragen, in Berlin können es insgesamt bis zu 2.500 Euro sein. Die Behörden können es sowohl den schulpflichtigen Jugendlichen ab 14 als auch deren Erziehungsberechtigten auferlegen.

Zum eigentlichen Bußgeld für das Schuleschwänzen kommen noch Verwaltungsgebühren und Auslagen hinzu. Die Bezahlung bedeutet natürlich nicht, dass sich die Schulpflicht damit erledigt hat – im Wiederholungsfall gibt es einfach ein neues und noch höheres Bußgeld. In einigen Bundesländern riskieren Eltern, die ihre Kinder hartnäckig nicht zur Schule schicken, sogar eine Freiheitsstrafe. Dort wird nämlich ein Verstoß gegen die Schulpflicht als Straftat behandelt. Darauf steht dann zum Beispiel in Hamburg eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten. Ähnliche Regelungen gibt es in Hessen und dem Saarland.

Wann gibt es eine Befreiung von der Schulpflicht?


Vom Unterricht beurlaubt werden Schulkinder nur, wenn es handfeste Gründe dafür gibt. Welche Gründe akzeptabel sind, entscheidet die Schule. Grundlage der Entscheidung sind das jeweilige Landesschulgesetz und entsprechende Verordnungen. Als Gründe kommen zum Beispiel in Frage: Hochzeiten oder Beerdigungen naher Verwandter, religiöse Feste, Arzttermine, die nur während der Schulzeit stattfinden können oder Sportveranstaltungen.

Seit einiger Zeit wird die Teilnahme an Castings für Fernsehshows nicht mehr als Grund akzeptiert. Und auch der Wunsch, den Urlaub der Familie ein paar Tage zu verlängern, zählt nicht. Eine Befreiung vom Unterricht muss rechtzeitig vorher schriftlich beim Klassenlehrer beantragt werden. Die eigentliche Entscheidung trifft dann der Schulleiter.

Was gilt bei Schulfrei durch Eltern, z.B. wegen Urlaubs?


Urlaubsreisen sind oft preisgünstiger, wenn der Abreisetermin vor Beginn der Ferienzeit liegt. Einige Eltern machen es sich daher einfach: Sie melden ihr Kind krank und fliegen in den Urlaub. Einige kommen auch erst nach Ende der Schulferien zurück. Beides ist jedoch eine Schulpflichtverletzung und kann ein Bußgeld zur Folge haben. Die Polizei achtet seit einiger Zeit vor und nach Beginn der Schulferien an Flughäfen besonders auf Schulkinder. Eine Urlaubsreise während der Schulzeit kann daher schnell zu Ende sein.

Fall: Kein Bildungsurlaub in Neuseeland


Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg befasste sich mit einem Fall, in dem ein Elternpaar seine Kinder zwei Wochen lang für eine "Bildungsreise" beurlauben wollte. Das Gericht entschied, dass die Schule weder berechtigt noch verpflichtet sei, zwei grundschulpflichtigen Kindern zwei Wochen Urlaub zu gewähren, damit diese mit ihren Eltern in Urlaub fahren könnten. Es ging dabei um eine Reise nach Neuseeland, die über die Schulferien hinausging. Die Eltern argumentierten damit, dass es sich um eine Bildungsreise handelte.

Zunächst versuchten sie vor dem Verwaltungsgericht Freiburg, einen vermeintlichen Anspruch auf Beurlaubung ihrer Töchter vom Unterricht geltend zu machen. Dieses wies ihr Ansinnen zurück. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Dem Urteil zufolge kann eine Beurlaubung vom Schulbesuch nach der Schulbesuchsverordnung des Kultusministeriums nur in „besonders begründeten Ausnahmefällen“ gewährt werden. Ein Ausnahmefall liege hier nicht vor, da alle Eltern und Schüler gleichermaßen gezwungen seien, längere gemeinsame Urlaubsreisen ausschließlich in den Sommerferien durchzuführen. Entgegen der Auffassung der Kläger sei eine private Urlaubsreise auch nicht vergleichbar mit der Teilnahme an einem internationalen Schüleraustausch oder mit Sprachkursen im Ausland, für welche die Schulbesuchsverordnung aus pädagogischen Gründen ausdrücklich Beurlaubungen vorsehe.

Selbst wenn in einem ganz besonderen Ausnahmefall eine Urlaubsreise als Beurlaubungsgrund anerkannt werden könne, rechtfertige dies allenfalls eine kurzfristige Beurlaubung unmittelbar vor oder nach den Schulferien. Voraussetzung sei eine positive Ermessensentscheidung des Schulleiters. Dieser sei jedoch keinesfalls berechtigt oder gar verpflichtet, die Schulferien um einen Zeitraum von zwei Wochen zu verlängern, um eine Urlaubsreise auszudehnen. Die Gründe für die Reise seien in einem solchen Fall unerheblich (Az. 9 S 2735/04).

Was ist bei einem Urlaubsantrag zu beachten?


Eltern, die ihre Kinder vom Schulbesuch beurlauben lassen möchten, sollten dies rechtzeitig vorher beantragen. In Nordrhein-Westfalen wird zum Beispiel ein schriftlicher Antrag mindestens eine Woche vorher verlangt. Der Antrag ist dem Klassenlehrer oder der Klassenlehrerin zu geben. Eine Beurlaubung direkt vor und nach den Ferien darf dort nur erfolgen, wenn diese "ersichtlich nicht dem Zweck dient, die Schulferien zu verlängern, preisgünstigere Urlaubstarife zu nutzen oder möglichen Verkehrsspitzen zu entgehen." Wird ein Fehlen des Kindes in der Schule mit Krankheit begründet und hat die Schule daran Zweifel, kann sie ein ärztliches Attest verlangen.

Wie kann die Polizei die Schulpflicht durchsetzen?


Die Polizei achtet in manchen Bundesländern bei ihren Streifen besonders auf schulpflichtige Kinder, die während der Schulzeit in Einkaufszentren oder Fußgängerzonen unterwegs sind. Zum Teil ist es möglich, über entsprechende Datenbanken schnell abzugleichen, ob dieses Kind gerade jetzt in der Schule sein müsste. In diesem Fall kann die Polizei das Kind in der Schule oder bei den Eltern abliefern – eine eher peinliche Angelegenheit.

Verstoßen die "Klimastreiks" gegen die Schulpflicht?


Das Engagement der Schulkinder für den Klimaschutz wird immer wieder von Politikern gelobt. Offizielle Stellungnahmen zum Thema Schulpflicht sucht man jedoch vergebens. Höchstens wird auf die Bildungsministerien der Länder und von diesen auf die Schulämter und von diesen auf die Schulen selbst verwiesen.

Sicher kann man darüber streiten, ob gesellschaftliches Engagement auf einer Großveranstaltung ein akzeptabler Grund für eine Beurlaubung ist. Fakt ist aber: Bei den Schulstreiks fürs Klima beantragt kein Schüler "Urlaub". Schließlich handelt es sich ja ganz bewusst um einen nicht genehmigten "Streik", mit dem Aufmerksamkeit erregt werden soll. Schüler haben jedoch nicht das Recht zu streiken. Hier handelt es sich also um einen klaren Verstoß gegen die Schulpflicht.

Bei den rechtlichen Folgen gibt es keine einheitliche Linie. Die Landesregierungen halten sich aus politischen Gründen zu dem Thema bedeckt. Letztlich ist es Sache der einzelnen Schule, wie damit umzugehen ist. Einige Schulen ermutigen ihre Schüler zur Teilnahme, obwohl dies rechtswidrig ist. An anderen schauen die Lehrer einfach mal weg. An wieder anderen werden die Fehlstunden aufgeschrieben. Diese können dann im Zeugnis auftauchen. Zum Teil sollen Schülern auch Verweise erteilt worden sein. Nur in wenigen Fällen wurden Bußgelder verhängt - etwa in Mannheim 88,50 Euro für zwei versäumte Stunden.

Praxistipp


Verstöße gegen die Schulpflicht haben meist unangenehme Folgen - die Klimastreiks bilden hier eine gewisse Ausnahme, da sie aus politischen Gründen geduldet werden. Ob dies auch künftig immer weiter gilt, ist eine andere Frage. Eltern, die wegen Schulpflicht-Verstößen ihrer Kinder mit der Schulbehörde aneinander geraten, können sich von einem Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht beraten lassen, der sich auf das Schulrecht spezialisiert hat.

(Bu)


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 Stephan Buch
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