Schwarzbau ohne Baugenehmigung: Vorkriegshaus darf bleiben

22.03.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 3 Min. (14198 mal gelesen)
Schwarzbau,Gebäude,Abrissverfügung,Baugenehmigung Nicht jedes Gebäude ohne Baugenehmigung muss dem Bagger weichen. © - freepik

Gemeinden können mit einer Abrissverfügung gegen Schwarzbauten vorgehen – sogar, wenn es um ein normales Wohnhaus geht, in dem seit langer Zeit jemand wohnt. Es gibt jedoch Einschränkungen.

Als einen Schwarzbau bezeichnet man ein Gebäude, das ohne Baugenehmigung errichtet wurde. In diesem Punkt verstehen die Bauämter in der Regel keinen Spaß. In einigen Städten fahndet man heute sogar per Luftbild nach ungenehmigten Gebäuden, Anbauten, Garagen und Schuppen. Ist ein Gebäude nicht genehmigt und in der bestehenden Form auch nicht genehmigungsfähig, erhalten die Eigentümer bald eine Abrissverfügung. Dies ist jedoch bitter, wenn es sich nicht um einen entbehrlichen Anbau, sondern um das jahrelang genutzte Wohnhaus handelt.

Wann haben Schwarzbauten Bestandsschutz?


Tatsächlich gibt es einige Fallgestaltungen, bei denen die Baubehörde nichts gegen ein Gebäude ohne Baugenehmigung unternehmen darf.

So konnte in der ehemaligen DDR die zuständige Behörde keinen Abriss mehr fordern, wenn ein Schwarzbau bereits fünf Jahre lang bestanden hatte. Diese alte Regelung müssen auch heutige Behörden akzeptieren. Sie dürfen also nicht nachträglich einen Abriss von Gebäuden verlangen, die zu DDR-Zeiten von der Fünf-Jahres-Regel profitiert haben (Oberverwaltungsgericht Weimar, Urteil vom 18.12.2002).

Allerdings ist mit Bestandsschutz meist etwas anderes gemeint. Bestandsschutz besteht für Gebäude, die zur Zeit ihrer Errichtung vorschriftsmäßig und genehmigt waren, die man aber nach heutigem Recht nicht mehr bauen dürfte. Auch in diesem Fall kann die Baubehörde keinen Abriss verlangen.

Zu erwähnen wäre dann noch sogenannte Verwirkung. Wenn die Baubehörde allzu lange wissentlich einen Schwarzbau geduldet hat, verwirkt bzw. verliert sie das Recht, einen Abriss zu fordern. Feste Fristen dafür gibt es nicht. Daher ist nicht festgelegt, wann eine solche Verwirkung eintritt. Dies richtet sich nach dem Einzelfall. Berücksichtigt wird nämlich nicht nur der reine Zeitablauf. Zusätzlich muss die Behörde durch ihr Verhalten Anlass zu der Annahme gegeben haben, dass sie den Bau dulden wird (Bundesverwaltungsgericht, Leipzig, 5.8.1991, Az. 4 B 130.91).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es keinen allgemeinen Bestandsschutz für einen von Anfang an ohne Genehmigung errichteten Schwarzbau gibt. Dieser beschränkt sich auf die genannten Sonderfälle.

Abrissverfügung für Vorkriegshaus?


Vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen ging es um eine Abrissverfügung gegen die Eigentümerin eines zwischen 1936 und 1944 errichteten Hauses. Dieses Gebäude stand im Außenbereich der Gemeinde und war aus heutiger Sicht nicht genehmigungsfähig. Die Baubehörde war der Ansicht, dass dafür nie eine Baugenehmigung beantragt worden war. Die Behörde forderte die Eigentümerin unter Androhung von Zwangsgeld auf, das Gebäude zu beseitigen. Gegen diese Verfügung ging sie gerichtlich vor.

Die Eigentümerin hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Zwar galt laut Gericht kein Bestandsschutz. Das Haus sei bereits wegen eines zu geringen Grenzabstandes zum Nachbarn nicht genehmigungsfähig. Auch gehe die fehlende Baugenehmigung zu Lasten der Eigentümerin. Allerdings habe die Baubehörde ihren Ermessensspielraum fehlerhaft ausgeübt. Wenn konkrete Anhaltspunkte für eine vorübergehende oder dauerhafte Duldung des Gebäudes sprechen würden, müsse eine weitergehende Abwägung des "Für und Wider" einer Abrissanordnung erfolgen. Diese habe hier gefehlt.

Was sprach gegen den Abriss?


Ein Argument gegen den Abriss war dem Gericht zufolge, dass das Haus bereits vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Wohnhaus genutzt worden war. Die Baubehörden dürften durchaus sogenannte Stichtagsregelungen in ihre Entscheidung einbeziehen. Nach Ansicht des Gerichts war das Kriegsende ein derartiger Stichtag. 70 Jahre lang habe das Haus gestanden, ohne dass jemals eine Behörde eingeschritten sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass im Krieg viele Akten verloren gegangen seien. Davon seien nicht nur Behörden betroffen gewesen, sondern auch die Unterlagen der jeweiligen Hauseigentümer. Aufgrund des Zeitablaufs seien keine Zeugenvernehmungen über die tatsächlichen Verhältnisse mehr möglich. All diese Punkte hätte die Behörde in ihre Erwägungen mit einbeziehen müssen, anstatt nur zu argumentieren: Keine Baugenehmigung = Abriss. Daher war die Abrissverfügung des Bauamts rechtswidrig.

Ausnahmen bestätigen die Regel


Allerdings erklärte das Gericht auch, dass sogar in einem solchen Fall eine rechtsgültige Abrissverfügung denkbar sei. Voraussetzung wäre, dass die genannten Erwägungen von der Behörde korrekt in eine Abwägung einbezogen würden. Auch die Anwendung einer Stichtagsregelung liege letztendlich im Ermessen der Behörde und führe nicht automatisch dazu, dass jedes vor dem Stichtag errichtete Haus stehen bleiben dürfe. Und es könne natürlich auch Ausnahmen von einer Stichtagsregelung geben, wenn das Bauamt diese denn ordentlich begründe (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.2.2016, Az. 7 A 19/14).

Praxistipp


Nicht immer kann eine Baubehörde tatsächlich den Abriss eines Gebäudes verlangen. Chancen vor Gericht bestehen insbesondere dann, wenn es sich die Behörde bei ihrer Entscheidung zu einfach gemacht und den Fall nicht gründlich genug abgewogen hat. Ein Fachanwalt für Baurecht kann betroffene Hauseigentümer dazu beraten, wie sie am besten vorgehen.

(Ma)


Sie benötigen Hilfe bei Ihrer Suche nach dem richtigen Anwalt? Dann schreiben Sie uns über unser Kontaktformular. Wir helfen Ihnen kostenlos und unverbindlich.


 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion
 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion