Tattoos und Piercings: Probleme bei der Bewerbung und auf der Arbeit?

08.04.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (2869 mal gelesen)
Tätowierung,Tattoo,Piercing,Bewerbung,Arbeit Körperschmuck ist nicht bei jeder Arbeit gern gesehen. © Bu - freepik

Immer mehr Menschen tragen Tattoos und Piercings. Mancher Arbeitgeber sieht dies nicht so gerne. Dürfen deshalb Bewerber abgelehnt werden? Was gilt im laufenden Arbeitsverhältnis?

Tätowierungen sind heute keine Seltenheit mehr und werden von immer mehr Menschen als Ausdruck ihres persönlichen Stils getragen. Acht Millionen Menschen sollen in Deutschland bereits Tattoos tragen. Allerdings ist nicht jeder Arbeitgeber bei seinen Beschäftigten mit sichtbaren Tätowierungen oder etwa Schmuck an der Nase einverstanden. Dürfen Bewerber wegen Tattoos abgelehnt werden? Sind Regelungen im Arbeitsvertrag wirksam, die das Tragen oder Zeigen von Tattoos und Piercings verbieten? Hier einige Fälle aus der Rechtsprechung. Auffällig dabei: Vor Gericht landen fast ausschließlich Fälle, die den Polizeidienst oder andere staatliche Stellen betreffen.

Verhindert ein Tattoo die Einstellung bei der Polizei?


Oft hört man, dass Tattoos ein generelles Einstellungshindernis für den Polizeidienst sind. Dies stimmt jedoch so nicht – denn einerseits handhaben die Bundesländer dies nicht einheitlich, andererseits sehen manche Gerichte in Tätowierungen auch kein so großes Problem.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Nichtzulassung einer Polizeidienstanwärterin zum Einstellungsverfahren bei der Bundespolizei. Grund war ihre großflächige Tätowierung am rechten Unterarm mit dem französischen Spruch "Bitte zähme mich" als Zitat aus der Erzählung "Der kleine Prinz". Die Dienstbehörde habe einen Erlass des Bundesinnenministeriums vom 12. Mai 2006 („Erscheinungsbild der Polizeikräfte der Bundespolizei“) korrekt angewendet. Danach seien sichtbare Tätowierungen generell ein Einstellungshindernis. Es ginge darum, keinen Ansatz für Provokationen zu bieten. Der Dienstherr dürfe Bewerber mit Tätowierungen ablehnen, die beim Tragen vorschriftsmäßiger Dienstkleidung wie Kurzarmhemden im Sommer sichtbar seien (Urteil vom 9.7.2014, Az. 1 B 1006/14).

VG Aachen: Tattoo kein Hindernis


Anders entschied das Verwaltungsgericht Aachen. Es hielt großflächige Tattoos auf beiden Armen (einschließlich der Unterarme) nicht für einen Grund, einen Bewerber für den Polizeidienst abzulehnen. Tätowiert war unter anderem eine mexikanische Totenmaske. Das Gericht sah hier keinen sachlichen Zusammenhang mit der Eignung für den Polizeidienst. Notfalls könne der Dienstherr dem Mann ja aufgeben, ein Hemd mit langen Ärmeln zu tragen (VG Aachen, Urteil vom 29. November 2012, Az. 1 K 1518/12).

NRW: Polizist mit Löwenkopf ist zulässig


Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen gestand einem Bewerber bei der Polizei zu, weiter am Auswahlverfahren teilzunehmen. Auf dessen linker Brustseite prangte das Bild eines brüllenden Löwenkopfes in einer Größe von 22 x 18 cm. Die Dienstbehörde sah darin eine unangemessene Gewaltverherrlichung, aus Sicht des Bewerbers repräsentierte der Löwe Stärke, Mut und Macht. Das Gericht konnte in dem Bild keinen Konflikt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erkennen. Daher seien weitere Anhaltspunkte erforderlich, die auf mangelnde Eignung des Bewerbers etwa durch Hang zur Gewalt hindeuteten. Solche Indizien lägen hier nicht vor (Beschluss vom 12.5.2020, Az. 6 B 212/20).

Polizei oder Mafia?


Weniger Verständnis haben die Gerichte für Tätowierungen, die eine Sympathie für organisierte illegale Aktivitäten nahelegen. So bestätigte das Landesarbeitsgericht Berlin die Ablehnung eines Bewerbers für den Objektschutz der Berliner Polizei, der als sichtbare Tätowierungen auf dem Arm Patronen, Totenköpfe und das Wort "Omerta" trug (die Schweigepflicht der Mafia). Hier komme es auf den Eindruck beim Betrachter an und nicht auf die tatsächliche Verfassungstreue des Bewerbers (Beschluss vom 25.4.2019, Az. 5 Ta 730/19).

Welche Grundregeln zum Äußerlichen gibt es im Arbeitsverhältnis?


Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt einen individuellen Stil grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis – aber nur, wenn er nicht allzu sehr den Interessen des Arbeitgebers in die Quere kommt. In Branchen mit viel Kundenkontakt – etwa bei Versicherungen, Banken oder Behörden – sind Tattoos nach wie vor verpönt. Hier kann der Arbeitgeber durchaus verlangen, dass das Äußere seiner Mitarbeiter bestimmten Anforderungen gerecht wird. Konkret: Dass während der Arbeitszeit das Piercing herausgenommen oder das Tattoo verdeckt wird. Das kann auch im Arbeitsvertrag geregelt werden. Vor Gericht kommen Fälle dazu eher selten vor. Übrigens hilft das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, auch Antidiskriminierungsgesetz) hier nicht weiter: Körperschmuck wird darin nicht erwähnt.

Justizvollzug: Tattoo muss unsichtbar sein


Ein Justizvollzugsbeamter muss seine Uniform so tragen, dass seine Unterarmtätowierungen nicht zu sehen sind. So entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Durch die Uniform solle ein einheitliches und neutrales Auftreten der Beamten erreicht werden. Damit seien die auffälligen Tätowierungen des Klägers trotz des Einstellungswandels der Bevölkerung zu Tätowierungen nicht vereinbar. Auch ähnelten die Tätowierungen des Klägers denen, die im Milieu von Strafgefangenen verbreitet seien. Deshalb bestehe die Möglichkeit eines Distanzverlustes zu den Gefangenen und damit einer Schwächung der Autorität des Beamten (Urteil vom 10.6.2005, Az. 2 A 10254/05.OVG ).

Tattoos bei der Marine?


Seit 2014 galt bei der Bundeswehr eine Dienstvorschrift, nach der größere Tätowierungen in geeigneter und dezenter Weise abzudecken sind. Ein Staabsbootsmann wehrte sich dagegen. Er trug ein 12 x 10 cm großes Tattoo am rechten Unterarm, das eine Sonne mit darauf liegendem Herz und Namensschild sowie eine rote Rose darstellte. Dieses trug er im Dienst auf See und auch bei Auslandseinsätzen seit 18 Jahren. Der Seemann erkämpfte eine Änderung der Dienstvorschrift: Nun dürfen Tattoos während des Dienstes innerhalb militärischer Bereiche und auf Schiffen jederzeit zu sehen sein – nur nicht bei offiziellen Veranstaltungen mit Außenwirkung (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Februar 2015, Az. 1 WB 31.14).

SS-Tattoo: Bei Lehrer fehl am Platz


Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte die Entlassung eines Lehramtsreferendars aus dem Dienst. Dieser hatte auf einer schulischen Sportveranstaltung seinen nackten Oberkörper gezeigt, auf dem großflächig ein Tattoo mit dem Wahlspruch der SS "Meine Ehre heißt Treue" zu sehen war. Die Schulleitung hatte ihn vorher aufgefordert, dieses Tattoo nicht öffentlich zu zeigen. Als er sich nicht daran hielt, wurde er mit sofortiger Wirkung aus dem Vorbereitungsdienst entfernt. Aus Sicht des Gerichts zeigte das Tattoo in plakativer Weise sein dauerhaftes Bekenntnis zu einer rechtsextremen Anschauung und damit seine Abkehr von der Verfassungsordnung (Beschluss vom 25.2.2020, Az. OVG 4 S 65.19).

Praxistipp


Auch wenn sich die allgemeine Einstellung zu Tätowierungen immer stärker wandelt, kommt es im Arbeitsverhältnis doch immer noch sehr auf den Einzelfall an. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Sie zu diesem Thema kompetent beraten. Geht es um die Entscheidung einer Behörde, kann Ihnen ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht am besten weiterhelfen.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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