Ist ein Tritt in den Hintern eine betriebliche Tätigkeit?

01.02.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Tritt,Hintern,Po,Gesäß,Frau Steißbeinbruch nach Tritt in den Hintern: Wer haftet? © Bu - Anwalt-Suchservice

Die richtige Art und Weise der Motivation anderer ist eine hohe Kunst. Manch ein Vorgesetzter hält auch einen Tritt in den Hintern für motivierend. Aber: Wer haftet, wenn es dadurch zum Steißbeinbruch kommt?

Schnell können handfeste Scherze bei der Arbeit nach hinten losgehen oder zu Verletzungen führen. So geschah es zum Beispiel im Fall einer Arbeiterin, die von einer Vorgesetzten beim Herumalbern während der Arbeit mit Stahlkappen-Schuhen derart in den Hintern getreten wurde, dass sie sich das Steißbein brach.

Was genau war passiert?


Offenbar hatten einige Schichtarbeiterinnen an einer Verpackungsmaschine eine Menge Spaß bei der Arbeit. Allerdings führte dieser Spaß dazu, dass eine Vorgesetzte ein wenig übers Ziel hinausschoss. Sie verpasste einer der Arbeiterinnen, die gebückt über einer Maschine stand, einen "motivierenden" Tritt in den Hintern. Dumm nur, dass die Frau bei dem Tritt Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen trug. Daher blieb der "Arschtritt" nicht folgenlos: Die Arbeiterin suchte wegen Schmerzen das Krankenhaus auf. Dort stellte man fest, dass die Getretene sich bei dieser Aktion offenbar das Steißbein gebrochen hatte. Aufgrund dieser Verletzung war sie sechs Wochen lang arbeitsunfähig und hatte noch Monate später Schmerzen beim Sitzen und Stehen. Als Scherz bei der Arbeit konnte sie das Ganze jetzt nicht mehr ansehen.

Ist ein Tritt ins Gesäß eine betriebliche Tätigkeit?


Vor Gericht ging es nun darum, ob der Tritt in den Hintern eine betriebliche Tätigkeit darstellte. Warum war dies wichtig? Ganz einfach: Eine Vorschrift aus dem Bereich der Unfallversicherung (§ 105 Abs. 1 SGB VII) besagt, dass Arbeitnehmer sich nicht gegenseitig auf Schadensersatz verklagen können, wenn einer dem anderen bei einer betrieblichen Tätigkeit einen Schaden zugefügt hat. Dies ist höchstens möglich, wenn es vorsätzlich oder auf dem Arbeitsweg passiert ist. Alles andere ist ein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung.

Nun wollte die getretene Arbeitnehmerin aber durchaus ihre Vorgesetzte verklagen - auf Schmerzensgeld und auf den Ersatz von unversicherten Kostenanteilen für Medikamente. Allerdings stand auch für sie fest, dass diese ihr nicht vorsätzlich, sondern nur im übertriebenen Scherz die Verletzung zugefügt hatte.

Wie hat das Gericht entschieden?


Mit den Folgen des Tritts und möglichen Schadensersatzansprüchen befasste sich zunächst das Arbeitsgericht und dann das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Während das Arbeitsgericht die Klage noch abwies, gab die höhere Instanz der Arbeiterin recht und entschied: Ein Tritt in den Hintern ist keine betriebliche Tätigkeit – auch dann nicht, wenn dies mit der Absicht der Leistungsförderung oder Disziplinierung geschehen sein sollte.

Außerdem räumte das Gericht auch mit den Ausreden von Vorgesetzter und Kolleginnen auf: Hier lägen genug Indizien dafür vor, dass der Tritt wirklich stattgefunden habe - bis hin zu den Angaben der Beklagten auf einem Zeugenfragebogen der Berufsgenossenschaft. Nachträglich zu behaupten, es wäre nie passiert, sei nicht sehr glaubhaft.

Die Getretene konnte für ihre Verletzung also Schadensersatz und Schmerzensgeld von der Tretenden direkt verlangen (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.5.1998, Az. 12 (18) Sa 196/98).

Praxistipp zu Verletzungen am Arbeitsplatz durch Herumalbern


Zu Verletzungen am Arbeitsplatz durch Herumalbern und aus dem Ruder gelaufene Scherze kommt es immer wieder. Arbeitnehmer können hier durchaus Ansprüche geltend machen. Ein Anwalt für Arbeitsrecht hilft Ihnen weiter.

(Wk)


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 Günter Warkowski
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
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