Wann ist ein Foul im Fußball eine strafbare Körperverletzung?

21.03.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (17420 mal gelesen)
Fußballspieler,verletzt Auch der Fußball ist kein rechtsfreier Raum. © - freepik

Fußball ist ein Kontaktsport. Häufig geht es dabei auch hart zur Sache. Entsprechend oft kommt es zu Verletzungen. Aber: Wer allzu großzügig zutritt, muss durchaus mit

Wenn es zu einer körperlichen Verletzung kommt, sieht man unter Mitsportlern oft von einer Klage oder Anzeige ab. Trotzdem: Der Fußballplatz ist kein rechtsfreier Raum. Wer andere beim Sport verletzt, kann zivilrechtlich für die Folgen haftbar gemacht werden und sich unter Umständen sogar strafbar machen. Spätestens dann, wenn es zu Dauerschäden kommt, ist es auch mit der Toleranz unter Sportlern meist vorbei. Ein Urteil zu diesem Thema fällte 2020 das Oberlandesgericht Celle.

Foulspiel sorgt für Schlagzeilen


Im September 2016 beschäftigte sich die Presse ausführlich mit dem Foul des Mainz 05-Spielers Rodriguez gegen den Spieler Dominik Kohr vom FC Augsburg. Kohr hatte eine offene Wunde am Unterschenkel davongetragen, der Unterschenkelknochen lag frei und eine Operation war erforderlich. Rodriguez erhielt die rote Karte. Das DFB-Sportgericht verhängte eine Sperre für Rodriguez für die nächsten fünf Spiele und eine Geldstrafe von 10.000 Euro. Staatliche Gerichte wurden jedoch nicht eingeschaltet.

Wann ist ein Foul eine Straftat?


§ 223 Strafgesetzbuch (StGB) regelt den Straftatbestand der Körperverletzung. Danach wird jemand, der eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Das heißt: Ganz streng genommen wäre schon ein blauer Fleck beim Fußball eine Körperverletzung. Dies gilt natürlich nur, wenn es vorsätzlich dazu gekommen ist. Die fahrlässige Körperverletzung ist in § 229 StGB extra geregelt. Sie wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe.

Allerdings ist eine Körperverletzung nach § 228 StGB nicht strafbar, wenn sie mit Einwilligung des Verletzten stattgefunden hat. Grundsätzlich geht man beim Sport davon aus, dass jeder, der bei einer verletzungsgefährlichen Sportart mitmacht, stillschweigend seine Einwilligung erteilt.

Die Tat kann nach § 228 StGB trotz Einwilligung jedoch immer noch rechtswidrig sein, wenn sie gegen die guten Sitten verstößt. Was ist nun wieder darunter zu verstehen?

Fußball als Kampfsport


Im Strafrecht und im Zivilrecht unterscheidet man bei den Sportarten zwischen solchen, die nur nebeneinander ausgeübt werden, wie ein Laufwettbewerb, und solchen, bei denen die Spieler gegeneinander kämpfen. Fußball gehört natürlich zur zweiten Gruppe. Schließlich findet gewissermaßen ein Kampf Spieler gegen Spieler statt. Rechtlich geht man meist davon aus, dass eine fahrlässige Körperverletzung auch bei kampfbetonten Sportarten nicht strafbar ist, wenn das dafür ursächliche Verhalten sich noch im Rahmen der Regeln des jeweiligen Sports bewegt hat. Wenn jedoch ein Spieler durch einen groben Regelverstoß verletzt wird, macht sich der Betreffende durchaus strafbar. Die "guten Sitten" stehen hier also für die Spielregeln.

Neue Entscheidung aus Celle: Körperverletzung durch hartes Foul


Im Juni 2020 hat das Oberlandesgericht Celle in dritter Instanz entschieden, dass ein hartes Foul eine strafbare gefährliche Körperverletzung sein kann.

Um eine gefährliche Körperverletzung handelt es sich zum Beispiel, wenn eine "das Leben gefährdende Behandlung" stattfindet oder wenn ein gefährliches Werkzeug eingesetzt wird. Vor Gericht kann ein Fußballschuh durchaus als ein gefährliches Werkzeug durchgehen. Schließlich kann dieser bei einem Tritt erhebliche Verletzungen verursachen. In diesem Fall hatte schon das Landgericht Hannover als Vorinstanz entschieden, dass ein Fußballschuh mit Kunststoffstollen ein gefährliches Werkzeug sei. Daher wurde der Spieler wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Auch ging es hier um den Vorsatz. Bei dem Spiel in der Kreisklasse hatte sich eine der Mannschaften vom Schiedsrichter ungerecht behandelt gefühlt und bereits mit 1:5 zurückgelegen. Dann beging einer der Spieler ein sogenanntes "Frust-Foul", indem er einen Spieler der anderen Mannschaft verfolgte und ihn mit ausgestrecktem Bein und offener Sohle unterhalb des Unterschenkels trat. Den Ball beachtete er dabei nicht. Er traf das Standbein des anderen Spielers. Dieser brach sich dabei das linke Waden- und Schienbein, musste vier Tage lang ins Krankenhaus und war für acht Wochen arbeitsunfähig. Drei Operationen waren erforderlich. Das OLG Celle sah hier - wie bereits die Vorinstanz - ein Handeln mit Vorsatz. Es bestätigte das Urteil gegen den Foulspieler und verurteilte diesen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro. Die Tagessätze sind immer vom Einkommen des Betreffenden abhängig. Ab 90 Tagessätzen gilt die jeweilige Person als vorbestraft.

Das Gericht betonte, dass dies eine Einzelfallentscheidung sei, die auf diese konkrete Situation abgestimmt worden wäre. Es sei also jetzt nicht jede Verletzung bei einem körperbetonten Sport pauschal eine Straftat (Beschluss vom 18.6.2020, Az. 36 Ns 97/19).

Es ist darauf hinzuweisen, dass es in der Regel bei gefährlicher Körperverletzung nicht mit einer Geldstrafe getan ist: Hier gibt es eine Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsentzug. Die Höchststrafe sind zehn Jahre Freiheitsstrafe. In minder schweren Fällen sind es mindestens drei Monate bis fünf Jahre (§ 224 StGB).

Hier wurde trotzdem nur eine Geldstrafe verhängt, weil der sogenannte Ausnahmestrafrahmen angewendet wurde. Das Landgericht Hannover berücksichtigte nämlich in seiner vom OLG Celle bestätigten Entscheidung zu Gunsten des Angeklagten, dass er sich noch auf dem Platz um den Verletzten gekümmert hatte und bei ihm geblieben war, bis der Krankenwagen kam. Außerdem war er nicht vorbestraft, hatte sich nach der ersten Verhandlung bei dem Verletzten entschuldigt und war auch schon vom Fußballverband für fünf Monate gesperrt worden. Das Gericht berücksichtigte auch, dass das Tragen von Fußballschuhen mit Stollen bei einem solchen Spiel nun einmal unumgänglich ist. Andererseits sprachen die erheblichen Verletzungsfolgen gegen den Angeklagten (Landgericht Hannover, Az. 36 Ns 2864 Js 17334/19).

Körperverletzung: Bestrafung nur mit Strafantrag


Die Körperverletzung gehört zu den sogenannten Antragsdelikten. Das heißt, dass die vorsätzliche und die fahrlässige Körperverletzung nur auf einen Strafantrag des Verletzten hin verfolgt werden. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft auch ohne Antrag die Strafverfolgung einleiten, wenn sie ein öffentliches Interesse an der Bestrafung des Täters sieht.

Häufig wird jedoch bei Sportverletzungen kein Strafantrag gestellt, weil solche intern in der Fußballwelt abgehandelt werden – zum Beispiel vor einem nicht staatlichen Sportgericht des Fußballverbandes. Dann unterwerfen sich beide Seiten freiwillig dessen Entscheidung.

Die gefährliche Körperverletzung gehört allerdings nicht zu den Antragsdelikten. Bei ihr ist also kein Strafantrag nötig.

Haftung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld


Vor einigen Jahren hat das OLG Hamm ein zivilrechtliches Urteil aus Bochum bestätigt, das einem verletzten Spieler einen Schadensersatz von 6.000 Euro für Arzt- und Krankenhauskosten zuerkannte. Es ging dabei um eine sogenannte Blutgrätsche. Bei dieser grätscht ein Spieler, ohne den Ball zu spielen, in die Beine seines Gegenspielers.

Dazu erklärte das OLG Hamm: Teilnehmer an einem sportlichen Kampfspiel würden Verletzungen in Kauf nehmen, zu denen es bei Verhalten nach den Regeln oder auch bei leichten Regelverstößen kommen könne. Dazu würden auch noch Verhaltensweisen gehören, die sich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairness bewegten. Aber: Werde die Grenze zur unzulässigen Unfairness überschritten, sei es mit dem stillschweigenden Einverständnis vorbei. Dann hafte der Verursacher auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. So sei es auch im verhandelten Fall (OLG Hamm, Az. 34 U 81/05).

Praxistipp


Oft gibt es bei grob regelwidrig verursachten Fußballverletzungen nur deshalb keine Strafverfolgung, weil kein Strafantrag gestellt wird. Bei erheblichen Trittverletzungen durch Fußballschuhe gibt es die Gefahr einer Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung. Manche Urteile von Zivilgerichten sprechen Geschädigten erhebliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu. Wer sich solchen Ansprüchen ausgesetzt sieht oder selbst verletzt wurde, sollte sich von einem auf das Zivilrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen. Bei einem Strafverfahren ist ein Fachanwalt für Strafrecht der beste Ansprechpartner.

(Ma)


Sie benötigen Hilfe bei Ihrer Suche nach dem richtigen Anwalt? Dann schreiben Sie uns über unser Kontaktformular. Wir helfen Ihnen kostenlos und unverbindlich.


 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion
 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion