Wechselmodell nur bei tragfähiger Elternbasis

14.08.2025, Autor: Herr Bernd Giese / Lesedauer ca. 2 Min. (4 mal gelesen)
Ein paritätisches Wechselmodell kann vom Gericht nur angeordnet werden, wenn zwischen den Eltern eine belastbare Kooperations- und Kommunikationsbasis besteht. Fehlt es daran und lehnt ein älteres Kind den Umgang mit einem Elternteil ab, ist eine gerichtliche Regelung weder möglich noch geboten.

Die familiengerichtliche Praxis steht regelmäßig vor der Herausforderung, Umgangsregelungen zu treffen, die dem Kindeswohl bestmöglich gerecht werden. In der aktuellen Entscheidung des OLG Brandenburg (Beschluss vom 12.09.2024 – 15 UF 82/24) ging es um zwei Kinder geschiedener Eltern. Während die Mutter eine Reduzierung des Umgangs mit dem Vater begehrte, strebte dieser die Einführung eines Wechselmodells an.

Die ältere Tochter (nahezu 16 Jahre alt) lehnte den Kontakt zum Vater nach einem Konflikt entschieden ab. Beide Eltern erklärten übereinstimmend, dass insoweit keine gerichtliche Regelung mehr erforderlich sei. Das Gericht stellte zutreffend klar, dass es für eine Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB dann an einem Regelungsbedürfnis fehlt.

Anders war die Situation bei der jüngeren Tochter. Hier wurde der Antrag des Vaters auf Anordnung eines paritätischen Wechselmodells zurückgewiesen. Entscheidend war aus Sicht des Gerichts, dass zwischen den Eltern keine tragfähige Kommunikations- und Kooperationsbasis besteht. Der Vater verweigerte den direkten Austausch mit der Mutter und bestand auf rein schriftlicher Kommunikation. Zudem trat er gegenüber Verfahrensbeteiligten konfrontativ auf. Das OLG beurteilte dies als nicht hinreichend tragfähige Grundlage für das auf stetiger Abstimmung beruhende Wechselmodell.

Stattdessen wurde dem Vater ein erweiterter Umgang im Zweiwochenrhythmus zugesprochen, ergänzt durch eine hälftige Ferienregelung. Diese Lösung orientiert sich am Residenzmodell, das bei bestehender Elternkonfliktlage oftmals dem Kindeswohl eher entspricht.

Die Entscheidung bekräftigt die Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach ein Wechselmodell nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, wenn grundlegende Kommunikationsstörungen bestehen (vgl. BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 601/15). Gleichwohl betont der BGH in ständiger Rechtsprechung, dass die Kommunikationsfähigkeit kein starres Tatbestandsmerkmal darstellt, sondern in eine umfassende Kindeswohlprüfung einzubeziehen ist.

Dies zeigt etwa der Beschluss des OLG Dresden (v. 12.04.2022 – 21 UF 304/21), in dem trotz erheblicher Kommunikationsprobleme ein Wechselmodell angeordnet wurde, da es vom Kind gewünscht war und in der Praxis funktionierte. Auch das BVerfG (Beschl. v. 24.06.2015 – 1 BvR 486/14) betont, dass das Wechselmodell im Lichte des Kindeswohls stets einzelfallbezogen geprüft werden muss. Pauschale Ablehnungen oder "Vetorechte" eines Elternteils dürfen die gerichtliche Prüfung nicht ersetzen.

Für die Praxis bedeutet dies: Ein Wechselmodell ist dann ausgeschlossen, wenn tragfähige elterliche Zusammenarbeit fehlt und das Kind (besonders bei zunehmendem Alter) eine klare Haltung gegenüber einem Elternteil zeigt. Besteht hingegen eine stabile Beziehung zu beiden Eltern, wird die Kommunikation zwar nicht zur zwingenden Voraussetzung, bleibt aber ein starkes Indiz für das Gelingen eines Wechselmodells. Bei älteren Kindern ist der Wille des Kindes besonders zu gewichten. Gerichtliche Umgangsregelungen sollten in jedem Fall klar und vollstreckbar formuliert sein, um weiteren Streit zu vermeiden. Rechtsanwälte Post & Giese

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