Alleinsorge bei Gewalt – Vollmacht reicht nicht aus

22.08.2025, Autor: Herr Bernd Giese / Lesedauer ca. 2 Min. (69 mal gelesen)
Liegt häusliche Gewalt vor, kann die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben und einem Elternteil allein übertragen werden. Eine erteilte Sorgerechtsvollmacht ändert daran nichts, wenn eine Zusammenarbeit unzumutbar ist.

In Trennungssituationen bleibt die gemeinsame elterliche Sorge grundsätzlich bestehen. Sie soll gewährleisten, dass beide Elternteile wichtige Entscheidungen für ihre Kinder gemeinsam treffen. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Das Gesetz sieht vor, dass die elterliche Sorge auf einen Elternteil allein übertragen werden kann, wenn eine gemeinsame Ausübung dem Kindeswohl widerspricht (§ 1671 BGB).

Das Oberlandesgericht Bremen hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Vater während der Ehe mehrfach massive Gewalt gegenüber der Mutter ausgeübt hatte, teilweise auch in Anwesenheit der drei gemeinsamen Kinder. Die Mutter hatte deshalb mit den Kindern in einem Frauenhaus Zuflucht gesucht und beantragte die Übertragung der Alleinsorge. Der Vater wehrte sich gegen diesen Antrag, erklärte aber im Termin, er erteile der Mutter eine umfassende Sorgerechtsvollmacht. Damit sollte sie alle Entscheidungen allein treffen können, ohne dass das gemeinsame Sorgerecht aufgehoben wird.

Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Zwar kann eine Sorgerechtsvollmacht in anderen Fällen ein milderes Mittel sein, um Handlungsfähigkeit zu sichern. Sie setzt jedoch voraus, dass zwischen den Eltern wenigstens ein Mindestmaß an Vertrauen und Kooperation vorhanden ist. Bei wiederholter häuslicher Gewalt fehlt es gerade an dieser Grundlage. Der gewaltbetroffene Elternteil kann nicht darauf verwiesen werden, mit dem anderen Elternteil weiterhin in Kontakt treten zu müssen – selbst dann nicht, wenn es nur um Formalien oder die Akzeptanz der Vollmacht durch Dritte geht.

Das OLG betonte, dass Gewalt in der Elternbeziehung nicht nur die unmittelbare Betroffene, sondern auch die Kinder schwer belastet. Das Miterleben häuslicher Gewalt stellt eine Form der Kindesmisshandlung dar und gefährdet deren Entwicklung. In einem solchen Umfeld ist eine gemeinsame Ausübung der Sorge ausgeschlossen. Auch die erteilte Vollmacht ändert daran nichts, da sie die bestehende Gewaltgeschichte und die zerstörte Vertrauensbasis nicht heilen kann.

Die Folge: Die elterliche Sorge wurde der Mutter allein übertragen. Damit soll sichergestellt werden, dass sie Entscheidungen für die Kinder ohne weitere Belastungen oder Drucksituationen treffen kann. Der Vater behält lediglich sein Umgangsrecht, das in einem separaten Verfahren geregelt ist.

Die Entscheidung verdeutlicht: Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt. Bei häuslicher Gewalt haben Gerichte die Pflicht, eine klare Grenze zu ziehen. Selbst weitreichende Vollmachten können eine gerichtliche Übertragung der Alleinsorge nicht verhindern, wenn die gemeinsame Verantwortung unzumutbar ist. Bernd Giese, Rechtsanwalt

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