Kindesunterhalt – wer zahlt, wenn beide Eltern das Kind betreuen?

31.03.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
Artikel kommentieren
Kindesunterhalt,Wechselmodell,Sorgerecht,Scheidung Um den Kindesunterhalt giibt es oft Streit - besonders beim Wechselmodell. © - freepik

Beim sogenannten Wechselmodell wechseln sich die Elternteile nach einer Scheidung bei der Betreuung des Kindes ab. Viele Eltern fragen sich in einer solchen Situation, wer Kindesunterhalt zahlen muss.

Oft betreut nach einer Scheidung ein Elternteil das Kind allein. Dann leistet der andere Elternteil finanziellen Unterhalt. Es gibt aber auch das sogenannte „Wechselmodell“. Dabei wechseln sich beide in Kinderbetreuung und Erziehung ab. Hier stellt sich dann die Frage: Wer zahlt Unterhalt für das Kind?
Meist machen die Eltern unter sich aus, wie das Wechselmodell im Einzelnen gelebt wird. Kein Wunder: Eine solche Lösung ist häufig das Ergebnis einer gegenseitigen Einigung im Rahmen einer Mediation.

Eine Möglichkeit besteht darin, sich beispielsweise alle zwei Wochen oder jeden Monat mit der Betreuung des Kindes abwechseln. Manchmal wird auch eine Aufteilung nach Wochentagen vorgenommen. Wenn nur ein Elternteil das Kind betreuen würde, müsste der andere Kindesunterhalt in Geld zahlen. Da sich hier jedoch beide Eltern in praktischer Form für die Erziehung und Betreuung des Kindes einsetzen, leisten beide einen sogenannten Naturalunterhalt. Im Normalfall zahlt man keinen Barunterhalt, wenn man das Kind selbst aufzieht.

Wann wird Barunterhalt fällig?


Dieser spezielle Fall ist nicht gesetzlich geregelt. Es gibt jedoch einige grundlegende Entscheidungen des Bundesgerichtshofes. Im ersten Fall verbrachte das Kind ein Drittel der Zeit mit dem Vater und zwei Drittel mit der Mutter. Dem BGH zufolge lag das Schwergewicht der Betreuung damit immer noch bei einem Elternteil. Daher könne dieser 100 Prozent des üblichen Barunterhalts für das Kind vom anderen fordern. Hier musste also der Vater zahlen (Az. XII ZR 126/03).

Was ist das Wechselmodell nach dem BGH?


Ein echtes Wechselmodell liegt nach dem Bundesgerichtshof nur dann vor, wenn sich beide Elternteile die Kinderbetreuung im Verhältnis 50/50 teilen (Az. XII ZR 161/04). Dann haben beide Eltern auch Barunterhalt zu leisten, wobei jedoch ihr Naturalunterhalt bei der Berechnung berücksichtigt wird. Man geht davon aus, dass das Kind aufgrund des häufigen „Elternwechsels“ einen höheren Unterhaltsbedarf hat. Der Unterhaltsbedarf des Kindes hängt vom gemeinsamen Einkommen und Vermögen beider Elternteile ab und wird nach gerichtlichen Richtlinien wie der Düsseldorfer Tabelle ermittelt.

Was gilt bei unterschiedlichem Elterneinkommen?


Verdienen die Eltern unterschiedlich viel, ist dies bei der Berechnung des von ihnen jeweils zu zahlenden Unterhalts zu berücksichtigen. Zählt man die Einkommen von Vater und Mutter zusammen und erwirtschaftet zum Beispiel der Vater 70 Prozent des Gesamteinkommens, hat er auch 70 Prozent des Unterhalts zu leisten. Allerdings gilt dies nur, wenn sich die Eltern die tatsächliche Betreuung und Erziehung des Kindes zeitmäßig hälftig teilen.

Was hat der BGH 2014 entschieden?


Auch 2014 befasste sich der Bundesgerichtshof mit diesem Bereich. Ein Elternpaar hatte per Ehevertrag für den Fall der Trennung ein Wechselmodell vereinbart. Das Kind sollte jedes zweite Wochenende und pro Woche zwei Werktage beim Vater, den Rest der Zeit bei der Mutter bleiben. Das Sorgerecht behielten beide gemeinsam. Die Haushaltskosten bezahlten beide, je nachdem, wie diese anfielen. Die Mutter trug jedoch die Kosten für alle Extras wie Kleidung, Sportausstattung, Material für den Schulunterricht und Krankenversicherung. Der Verdienst der Eltern war in etwa gleich.

Die Mutter verklagte nun den Vater auf Zahlung des vollen Kindesunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle. Das Gericht gab der Klage statt. Die Begründung: Hier liege kein echtes Wechselmodell vor. Es handle sich vielmehr um ein erweitertes Umgangsrecht. Der Vater sage wegen seiner Schichtarbeit häufig geplante Tage mit dem Kind ab. Die Frage, wie viel Zeit beide jeweils mit dem Kind verbrächten, habe grundsätzlich nur eine Indizwirkung. Die Hauptverantwortung für die Erziehung des Kindes, für dessen Tagesablauf und Alltagsorganisation liege hier bei der Mutter. Der Vater müsse daher den vollen Unterhalt zahlen.

In solchen Fällen sei jedoch immer konkret zu prüfen, ob der Satz nach der Düsseldorfer Tabelle nicht herunterzustufen sei – zum Beispiel, weil der Vater durch den erweiterten Umgang höhere Kosten habe oder die Mutter durch die Bezahlung von bestimmten Ausgaben für das Kind entlaste (BGH, Beschluss vom 12.3.2014, Az. XII ZR 234/13).

Wenn Kinder den Vater verklagen


Auch 2017 befasste sich der BGH mit dem Wechselmodell. Die Eltern hatten nach ihrer Trennung vereinbart, dass sie die Kinder im paritätischen Wechselmodell betreuen würden - also jeweils zur Hälfte. Es kam jedoch zum Streit um die Unterhaltsbeteiligung des Vaters. Die Kinder klagten - vertreten durch ihre Mutter - auf Zahlung von mehr Unterhalt.

Der BGH stellte klar: Die Kinderbetreuung im Wechselmodell führt nicht zum Entfallen der Barunterhaltspflicht. Dazu komme es nur beim sogenannten Residenzmodell - wenn also das Kind überwiegend bei einem Elternteil lebe.

Auch der von einem Elternteil im Rahmen der Betreuung des Kindes geleistete Naturalunterhalt führe nicht dazu, dass der Anspruch auf Unterhalt in Geld ganz erlösche. Der Anspruch auf Barunterhalt richte sich nämlich in erster Linie nach dem Einkommen der Elternteile. Gerade der besser verdienende Ehegatte könne daher trotz praktischer Betreuung des Kindes noch eine Unterhaltspflicht haben.

Bei der Höhe des Barunterhalts sei nicht nur das Einkommen zu berücksichtigen, sondern auch die Mehrkosten durch das Wechselmodell und das Kindergeld. Dieses mindere den Unterhaltsbedarf des Kindes um die Hälfte. Der Elternteil, der das Kindergeld nicht bekommen, könne sich fünfzig Prozent davon auf den Barunterhaltsbedarf des Kindes anrechnen lassen (Beschluss vom 11.1.2017, Az. XII ZB 565/15).

Was gilt für das Kindergeld?


Trotz Wechselmodell bleibt es dabei: Seinen Wohnsitz kann man nur einmal anmelden. Daher kann das Kind nur bei einem der beiden Elternteile gemeldet sein. Dann wird dieser Elternteil auch das Kindergeld bekommen. Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass bei einem echten Wechselmodell derjenige Elternteil, der das Kindergeld bekommt, dem anderen die Hälfte abgeben muss. Dann wird keine Anrechnung auf den Unterhaltsbedarf des Kindes vorgenommen, der nach dem Einkommen beider Eltern berechnet wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.6.2013, Az. II-7 UF 45/13).

Praxistipp


Ein Rechtsanwalt für Familienrecht kann Sie kompetent zu diesem Thema beraten - und Ihnen helfen, eine faire Vereinbarung auszuhandeln. Eine gütliche Einigung ist gerade, wenn es um Kinder geht, immer einem Rechtsstreit vorzuziehen.

Sie benötigen Hilfe bei Ihrer Suche nach dem richtigen Anwalt? Dann schreiben Sie uns über unser Kontaktformular. Wir helfen Ihnen kostenlos und unverbindlich.