Ich mach heimlich Fotos als Beweis!

08.04.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Heimliche Aufnahmen,Kameraüberwachung,Video,Datenschutz Heimlich Fotografieren oder Filmen ist selten eine gute Idee. © Rh - Anwalt-Suchservice

Viele Menschen sind in Versuchung, ein echtes oder mutmaßliches Fehlverhalten ihrer Mitmenschen in Fotos festzuhalten. Aber: Darf man so etwas überhaupt ganz ohne Weiteres?

So mancher fühlt sich durch das Verhalten seiner Mitbürger gestört – der eine schraubt auf der Straße an seinem Motorrad, der andere grillt jeden Tag im Garten und verräuchert die Nachbarschaft, der dritte parkt ständig im Halteverbot und der vierte führt seinen Hund ohne Leine aus – unhaltbare Zustände! Da kommt mancher Nachbar oder Passant ganz leicht in Versuchung, sich mit der Kamera auf die Lauer zu legen und den “Sünder” mit Hilfe der Fotos anschließend anzuzeigen. Nur – darf er das überhaupt?

Was ist das Recht am eigenen Bild?


Das Recht am eigenen Bild ist im Kunsturheberrechtsgesetz niedergelegt. Sein Inhalt: Bilder einer Person dürfen nur mit deren Zustimmung verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Dabei fällt unter “Verbreitung” ganz eindeutig auch die Weitergabe an Behörden oder Gerichte. Ein Verstoß gegen das Kunsturheberrechtsgesetz stellt eine Straftat dar. Hier droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Diese Regelung besteht auch nach Einführung der Datenschutzgrundverordnung weiter.

Filmen und Fotografieren ohne Verbreitung der Aufnahmen


Nach manchen Gerichtsurteilen ist nicht nur die Verbreitung unzulässig, sondern sogar schon das bloße Anfertigen von Fotos oder Filmaufnahmen einer anderen Person, auch in der Öffentlichkeit. Denn: Dadurch kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Fotografierten verletzt werden. Ob ein solcher Verstoß rechtswidrig ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Dabei wird eine Abwägung der jeweils betroffenen Rechtsgüter vorgenommen. Die im Grundgesetz verankerten Persönlichkeitsrechte stehen dann dem “Recht” gegenüber, einen anderen wegen einer Ordnungswidrigkeit anzuschwärzen. Es ist vorstellbar, wie diese Abwägung meist ausgeht. Die fotografierte Person hat hier oft gute Chancen, mit einer zivilrechtlichen Unterlassungsklage durchzukommen.

Fall: Videokamera gegen Müllsünder


Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich bereits vor einigen Jahren mit einem Fall heimlicher Videoüberwachung. Damals hatte sich ein Hauseigentümer darüber geärgert, dass Unbekannte ihm immer wieder Müll in den Garten warfen. Um die Verantwortlichen zu identifizieren, stellte er eine Videokamera auf, die den Zugangsweg zu seinem Grundstück abdeckte. Nur war dieser Weg öffentlich, und einer seiner Nachbarn konnte sein eigenes Grundstück nicht mehr betreten, ohne gefilmt zu werden. Der Nachbar klagte erfolgreich auf Unterlassung (Az. VI ZR 272/94).

Wann ist unerlaubtes Fotografieren strafbar?


Mit § 201a enthält das Strafgesetzbuch einen Straftatbestand über die “Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen”. Diese Vorschrift stellt heimliche Bildaufnahmen in einem besonders geschützten Raum unter Strafe – auch ohne Veröffentlichung oder Weitergabe. Besonders geschützte Räume sind beispielsweise die privaten Wohnräume der fotografierten Person. Auch ein von Hecken umschlossener Garten kann dazugehören. Insbesondere unvorsichtige Drohnenpiloten können sich hier schnell strafbar machen.

Eine Straftat ist auch das Fotografieren oder Filmen von Personen, deren Hilflosigkeit durch die Aufnahme zur Schau gestellt wird. Darunter fallen zum Beispiel Verletzte nach Unfällen oder Schlägereien, Betrunkene oder Personen unter Drogeneinfluss.

Bestraft wird nach dieser Regelung auch, wer unbefugt ein Foto oder Video, das dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich schaden kann, jemand Drittem zugänglich macht.

Nach § 201a StGB sind das Fotografieren bzw. Filmen oder das Weitergeben der Aufnahme an Dritte strafbar. Eines von beiden reicht also aus. Dritte können auch Behörden sein. Hier droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.

Fall: Selbsternannter Ordnungshüter im Naturschutzgebiet


Das Amtsgericht Bonn beschäftigte sich mit einem Fall, in dem ein Mann Dutzende von Menschen sowie deren Autokennzeichen heimlich fotografiert hatte. Die Leute hatten in einem Naturschutzgebiet verbotenerweise ihre Hunde ohne Leine ausgeführt oder Flächen außerhalb der befestigten Wege betreten. Der Mann schickte die Fotos als Beweise an die zuständige Behörde, mit genauer Beschreibung der jeweiligen Verfehlung.

Einer der Fotografierten verklagte ihn auf Unterlassung, nachdem ihn die Behörde schriftlich dazu aufgefordert hatte, künftig seinen Hund anzuleinen. Hier hielt das Gericht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers für wichtiger, als das Interesse des selbsternannten Ordnungshüters an der Anzeige. Allein die zuständige Behörde habe das Recht, solche Ordnungswidrigkeiten festzustellen und durch die Gewinnung von Beweisen in die Rechte von Bürgern einzugreifen. Eine Privatperson sei dazu nicht berechtigt.

Gibt es ein Recht auf Selbsthilfe?


Das Gericht erläuterte: Der Mann habe nicht das Recht, die Persönlichkeitsrechte anderer Menschen zu verletzen, weil er die Rechtsordnung schützen oder für die Beachtung von Recht und Gesetz sorgen wolle. So etwas könne zwar zum Schutz vor ganz konkreten Beeinträchtigungen der Rechte von individuellen Personen in manchen Fällen zulässig sein – jedoch nicht, um ganz allgemein die Einhaltung von Vorschriften durchzusetzen. Auch der Naturschutz stelle keinen ausreichenden Grund dar. Daher verurteilte das Gericht den Hobbyfotografen zur Unterlassung – bei Androhung eines saftigen Zwangsgeldes für den Fall neuer Fotos. Auch die Kosten des Rechtsstreits musste er tragen (AG Bonn, Urteil vom 28.1.2014, Az. 109 C 228/13).

Sind heimliche Filmaufnahmen vor Gericht verwertbar?


Grundsätzlich nicht. Eine Überwachungskamera, die ständig läuft, filmt auch Unbeteiligte. Dadurch verletzt sie deren Persönlichkeitsrechte. Dies führt zu einem Beweisverwertungsverbot.
So entschied beispielsweise das Oberlandesgericht Karlsruhe, dass eine heimliche Filmaufnahme nicht vor Gericht verwertbar sei. Auf dieser sah man, wie eine Nachbarin mutwillig das Auto des Klägers demolierte (Az. 12 U 180/01).
Ebenso durften die heimlich aufgenommenen Videos eines Vermieters nicht als Beweise verwendet werden, der beweisen wollte, dass eine Mieterin seine Waschmaschinen beschädigte (OLG Köln, Az. 24 U 12/05).
Vor einigen Jahren hat das Amtsgericht München entschieden, dass die Aufnahmen einer “Dashcam” im Auto nicht als Beweismittel bezüglich der Schuldfrage an einem Verkehrsunfall verwendbar seien (Az. 345 C 5551/14).
Allerdings hat der Bundesgerichtshof hier in den letzten Jahren weniger streng entschieden.

BGH: Dashcam-Aufnahmen als Beweis verwertbar


2018 entschied der BGH, dass das ständige Filmen des Verkehrs mit einer Dashcam ein klarer Datenschutzverstoß ist. Dafür droht also ein saftiges Bußgeld. Trotzdem kann eine Verwertung der Aufnahmen als Beweis in einem Zivilverfahren erlaubt sein. Hier ging es um einen Verkehrsunfall beim Spurwechsel. Der BGH erklärte, dass eine Abwägung der gegenseitigen Interessen stattfinden müsse. Dabei schätzte das Gericht das Interesse des Klägers an der Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche als höher ein, als das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Unfallgegners, welches durch die unzulässigen Aufnahmen verletzt worden sei. Daran ändere ein möglicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer nichts. Aber: Der Gerichtshof wies darauf hin, dass Datenschutzverstöße durch unzulässige Aufnahmen in jedem Fall mit hohen Bußgeldern bedroht seien (Urteil vom 15. Mai 2018, Az. VI ZR 233/17).

Achtung: Hier ging es NICHT darum, dass der Kläger Fremde gefilmt hatte, um deren Fehlverhalten im Straßenverkehr bei der Polizei anzuzeigen. In einem solchen Fall würde die Interessenabwägung ganz anders ausfallen.

Beweismittel im Gewaltschutzverfahren


Das Saarländische Oberlandesgericht erlaubte die Verwendung von heimlichen Filmaufnahmen in einem sogenannten Gewaltschutzverfahren vor Gericht. Diese sollten als Beweis für Stalking dienen. Hier war dem Gericht zufolge der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Stalkers, der auch am Auto der Betroffenen manipuliert hatte, gerechtfertigt (Az. 9 UF 73/10). Auch in diesem Fall wurde also eine Interessenabwägung durchgeführt.

Wie wirkt sich die DSGVO aus?


Auch die Datenschutzgrundverordnung untersagt heimliche Foto- und Filmaufnahmen. So ist zum Beispiel die Zustimmung der aufgenommenen Personen nötig; diese kann jedoch auch durch ein bestimmtes Handeln erfolgen (etwa Nicken oder Posieren für das Foto). Zusätzlich fordert die DSGVO eine umfassende Aufklärung des Betroffenen darüber, was nun mit seinen persönlichen Daten (also den Aufnahmen) passiert. Heimliche Aufnahmen sind ein Datenschutzverstoß und damit eine Ordnungswidrigkeit.

Dies gilt unabhängig davon, ob die Fotos oder Videos vor Gericht als Beweis genutzt werden dürfen. Es kann also passieren, dass zum Beispiel ein Dashcam-Video vor Gericht als Beweismittel verwendet wird, der Filmer oder Fotograf aber anschließend von der Datenschutzbehörde einen saftigen Bußgeldbescheid bekommt. Andere Behörden, wie die Polizei, leiten entsprechende Fälle oft dorthin weiter.

Was ist erlaubt?


Zulässig sind zum Beispiel offen sichtbare Überwachungskameras. Wenn diese von Privatleuten angebracht werden, dürfen sie jedoch nicht die Persönlichkeitsrechte von Fremden verletzen. Das heißt: Kein Filmen des öffentlichen Gehwegs, keine Aufnahmen vom Kommen und Gehen des Nachbarn. Das eigene Grundstück darf man aufnehmen, um sich vor Einbrechern zu schützen – aber bitte nicht mit “versteckter Kamera”. Spezielle Einschränkungen gelten für Mietshäuser.

Praxistipp


Von heimlichen Fotos oder Videoaufnahmen zur Dokumentation fremder Missetaten sollte man absehen. Dabei besteht die Gefahr, sich strafbar zu machen. Zusätzlich riskiert man kostspielige Unterlassungsklagen oder Bußgelder nach dem Datenschutzrecht. Diese Folgen sind meist schmerzhafter, als die Konsequenzen für denjenigen, der wegen eines Fehlverhaltens gefilmt oder fotografiert wurde. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten – ob im Straßenverkehr oder in der Natur – sind allein die Behörden zuständig.

Nach neuerer Rechtsprechung können heimliche Aufnahmen im Einzelfall und nach einer Interessenabwägung als Beweis verwertbar sein, wenn persönliche Rechtsgüter des Fotografen auf dem Spiel stehen.

Sollen Sie wegen eines Datenschutzverstoßes von der Datenschutzbehörde belangt werden? Dann sollten Sie sich von einem Rechtsanwalt beraten lassen, der sich auf das Verwaltungsrecht spezialisiert hat.

(Bu)


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 Stephan Buch
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