Krank im Urlaub: Haftet der Reiseveranstalter?

01.03.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (2094 mal gelesen)
Urlaub,Erkrankung,Erkältung Des Reisenden Alptraum: Erkrankung im Urlaub! © - freepik

Besonders ärgerlich ist es, im wohlverdienten Urlaub krank zu werden. Oft haben Urlauber dann Anspruch auf Schadensersatz gegen ihren Reiseveranstalter. Dies gilt auch bei Erkrankungen aufgrund hygienischer Mängel.

Das Reiserecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gilt für Pauschalreisen. Es lässt Reiseveranstalter für Reisemängel haften. Oft machen Urlauber einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises geltend. Neben einer Minderung des Reisepreises oder der Kündigung des Reisevertrages kommt allerdings nach § 651i BGB auch ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der vertraglich vereinbarten Leistung oder wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Frage. Hier einige praktische Beispiele, die von Gerichten entschieden wurden.

Schadensersatz für "Magen-Darm" durch Salmonellen?


Eine Urlauberin verklagte ihren Reiseveranstalter. Ihre drei Kinder hatten während eines Türkeiurlaubs unter Brechdurchfall, Magenkrämpfen und Fieber gelitten. Bei einem Kind war sogar ein Krankenhausaufenthalt erforderlich geworden. Nach dem Urlaub bestätigte eine Untersuchung, dass Salmonellen die Ursache gewesen waren. Daraufhin verlangte die Mutter den vollen Reisepreis zurück und verlangte Schadensersatz. Sie sah die Ursache für die Salmonelleninfektion in unhygienischen Zuständen im Hotel.

Das Gericht wies jedoch die Klage ab: Es gab keine Beweise dafür, dass die Salmonelleninfektion tatsächlich im Hotel und nicht anderswo stattgefunden hatte. Es lägen keine Untersuchungsergebnisse von Speisen und Wasser aus dem Hotel zur Zeit des Urlaubs vor. Die Klägerin könne nicht darlegen, wie viele andere Hotelgäste genau ebenfalls erkrankt seien. Nach ihrer Darstellung seien weniger als zehn Prozent der Hotelgäste während ihrer Urlaubszeit nachweislich an Durchfallerkrankungen erkrankt. Daher liege kein sogenannter Anscheinsbeweis dafür vor, dass Hygienemängel im Hotel für die Magen-Darm-Erkrankung verantwortlich seien. Die Klage auf Rückzahlung des Reisepreises und Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude blieb damit erfolglos (Landgericht Leipzig, Az. 5 O 1659/10).

Abwasser im Meer: Schadensersatz wegen Brechdurchfall?


Eine andere Familie hatte sich ebenfalls bei einem Urlaub in der Türkei einen derart schweren Brechdurchfall eingefangen, dass der Hotelarzt die ganze Familie in ein Krankenhaus einwies. Hier war eine örtliche Kläranlage defekt gewesen und hatte ungeklärte Abwässer ins Meer gepumpt – direkt vor den abgeteilten Hotelstrand. Eine Warnung an die Hotelgäste hatte es nicht gegeben. Die Reisenden wurden für den Rest ihres Urlaubs in ein anderes Hotel verlegt.

In diesem Fall gestand das Landgericht Köln den Urlaubern eine erhebliche Minderung des Reisepreises sowie Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zu. Denn: Es hatte nachweislich schon zehn Tage vor Urlaubsantritt der Familie massive Beschwerden über die Zustände vor Ort gegeben - einschließlich Einträgen in Internetforen. Dem Gericht zufolge hätte der Reiseveranstalter die Pflicht gehabt, die Reisenden von Anfang an in einem anderen Hotel unterzubringen.

Hier musste der Reiseveranstalter auch die Mehrkosten des zweiten Hotels ersetzen sowie die Taxikosten für die Fahrt dorthin. Zusätzlich sprach das Gericht den Urlaubern mit Blick auf die Magen-Darm-Erkrankung ein Schmerzensgeld in Höhe von einmal 1.000 und zweimal 500 Euro zu (LG Köln, Urteil vom 24. August 2015, Az. 2 O 56/15).

Schmerzensgeld wegen Behandlungsfehler durch Schiffsarzt?


Der Reiseveranstalter haftet grundsätzlich für Schäden, die Personen verursachen, welche für ihn tätig sind. Daraus könnte man schließen, dass der Reiseveranstalter womöglich auch für Behandlungsfehler eines Arztes haften muss, der für ihn tätig wird – wie den Schiffsarzt eines Kreuzfahrtschiffes. Mit dieser Frage hat sich vor einiger Zeit das Amtsgericht Rostock befasst.

Es ging dabei um eine Reisende, die auf einer Kreuzfahrt Übelkeit und Schwindelgefühle verspürt hatte. Sie hatte den Schiffsarzt aufgesucht, der ihr eine Spritze gab. Durch die Injektion war nach Ansicht der Urlauberin ein Nerv beschädigt worden. Daher forderte sie ein Schmerzensgeld von 3.000 Euro. Mit ihrer Forderung wandte sie sich an den Reiseveranstalter, da der Bordarzt für diesen tätig gewesen sei. Seine Arbeitszeiten und sein Arbeitsort würden durch den Veranstalter bestimmt. Das Honorar des Schiffsarztes werde vom Reiseveranstalter mit dessen Briefkopf abgerechnet und an den Veranstalter bezahlt.

Ist die ärztliche Behandlung durch den Schiffsarzt eine Reiseleistung?


Das Amtsgericht Rostock war der Ansicht, dass eine ärztliche Behandlung keine Reiseleistung sei. Der Schiffsarzt auf dem Kreuzfahrtschiff sei selbstständig tätig und kein Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters. Er habe auch nichts mit der Erbringung der Reiseleistung zu tun. Der Reiseveranstalter sei gegenüber dem Schiffsarzt nicht wie ein Arbeitgeber weisungsberechtigt und dürfe sich auch nicht dessen medizinischen Anordnungen oder Maßnahmen widersetzen.

Der Reiseveranstalter sei für die vertragsgemäße Durchführung der Reise zuständig. Er müsse lediglich dafür sorgen, dass an Bord des Kreuzfahrtschiffes eine medizinische Versorgung sichergestellt sei. Der Schiffsarzt sei jedoch kein Hilfspersonal des Reiseveranstalters. Deshalb könne die Reisende für den von ihr behaupteten Behandlungsfehler hier keine Ansprüche auf Schmerzensgeld gegen den Reiseveranstalter geltend machen (Amtsgericht Rostock, Urteil vom 2.12.2015, Az. 47 C 243/15).

Wie sollte ich reagieren, wenn ich im Urlaub krank werde?


Wer später Ansprüche auf Minderung des Reisepreises, Schadensersatz wegen vergeudeter Urlaubszeit oder gar Schmerzensgeld geltend machen will, sollte unbedingt Beweise sammeln. Leiden andere Gäste im gleichen Hotel an den gleichen Beschwerden? Dann können Hygienemängel die Ursache sein. Hier sollte man sich mit anderen Urlaubern kurzschließen, die als Zeugen dienen können. Manche Gerichte gehen bei einer Erkrankungsquote von mehr als zehn Prozent der Gäste eines Hotels davon aus, dass dort Hygienemängel bestanden haben. Diese Prozentzahl sollte man glaubhaft machen können.
Auch eine Untersuchung bei einem örtlichen Arzt ist sinnvoll, dieser sollte dann die Diagnose schriftlich bestätigen. Auch Erwähnungen des Problems durch andere Nutzer in Onlineforen können helfen.

Praxistipp zur Erkrankung im Urlaub


Wer im Ausland krank wird, muss seine Behandlungskosten in der Regel bar bezahlen. Die gesetzliche Krankenversicherung erstattet oft nur einen Teil der Kosten. Dafür ist eine Rechnung auf Deutsch oder Englisch Voraussetzung. Eine Rückholung aus dem Ausland wird schon gar nicht bezahlt. Hier kann eine Auslandskrankenversicherung helfen. Kommt es zum Streit mit dem Reiseveranstalter etwa über eine Minderung des Reisepreises oder Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, ist ein Rechtsanwalt für Zivilrecht, der auf das Reiserecht spezialisiert ist, der beste Ansprechpartner.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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