Arzttermin abgesagt: Darf der Arzt Honorar verlangen?

29.04.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (9358 mal gelesen)
Terminabsage,Arzttermin,Ausfallhonorar,Arztpraxis Nicht immer ist es kostenlos, einen Arzttermin ausfallen zu lassen. © Ma - Anwalt-Suchservice

Erscheint ein Patient nicht zum vereinbarten Termin, ist dies für jede Arztpraxis ein Ärgernis. Schnell gerät dann die sorgfältige Zeitplanung durcheinander. Arzttermine können oft nicht kurzfristig anderweitig vergeben werden.

Viele Ärzte behandeln Patienten nur noch nach einer vorherigen Terminabsprache. Allerdings kommt es trotz Terminvereinbarung häufig vor, dass Patienten ihren Arzttermin nicht wahrnehmen. Dies kann die unterschiedlichsten Gründe haben: Vielleicht hat der Patient den lange vorher vereinbarten Termin einfach vergessen. Oder es kommt dem Patienten etwas dazwischen – wie etwa ein krankes Kind oder sein Beruf. Vielleicht aber hatte auch nur ein anderer Arzt früher einen Termin frei. Solche verpassten Termine sind jedoch für eine Arztpraxis immer ein Problem, denn nicht immer sind genug Patienten ohne Termin vorhanden, um die freigewordene Zeit anders zu nutzen. Wenn Arzt und Personal untätig herumsitzen, entstehen für den Inhaber der Praxis Kosten. Daher liegt es für viele Ärzte nahe, ein Ausfallhonorar zu verlangen. Vor Gericht kommen sie damit jedoch nicht immer durch.

Welche Vertragsbeziehung besteht zwischen Arzt und Patient?


Zwischen Arzt und Patient besteht ein Behandlungsvertrag. Nach Ansicht einiger Juristen kommt dieser bereits mit der Terminvereinbarung zustande, nach Meinung anderer jedoch erst mit Abgabe der Versichertenkarte am Empfang der Praxis. Ein solcher Behandlungsvertrag kann jederzeit wieder gekündigt werden. Geschehen kann dies nach Ansicht einiger Gerichte durch eine Terminabsage, aber auch durch Nichterscheinen zum Termin. Die meisten Gerichte sehen den Patienten nicht als verpflichtet an, einen vereinbarten Termin tatsächlich wahrzunehmen. Ihrer Meinung nach dient die Terminvereinbarung nur der sinnvollen Organisation des Arbeitsablaufs in der Praxis. So entschied zum Beispiel das OLG Stuttgart (Urteil vom 12.4.2007, Az. 1 U 154/06).

Dem Amtsgericht Bremen zufolge war ein Patient berechtigt, seinen vereinbarten Arzttermin kurzfristig zu stornieren. Das Gericht betonte: Terminabsprachen seien nur organisatorische Maßnahmen und führten noch nicht zu einer Vergütungspflicht.
Auch, wenn man hier von einem Behandlungsvertrag ausgehen würde, wäre der Patient aus Sicht des Gerichts berechtigt gewesen, diesen fristlos zu kündigen. Ein Arzt könne nur dann ein Ausfallhonorar verlangen, wenn der Patient den vereinbarten Termin ohne triftigen Grund absage, nachdem er vorher beim Arzt besonderes Vertrauen in das Zustandekommen des Vertrages geweckt habe. In diesem Fall war der Grund für den ausgefallenen Arzttermin gewesen, dass der Patient einem Freund in einer Notlage habe helfen wollen.

Das Gericht erklärte außerdem: Der Arzt könne nur dann einen entgangenen Gewinn geltend machen, wenn er beweisen könne, dass ihm genau durch den Ausfall dieses Patienten ein konkreter finanzieller Schaden entstanden sei (Urteil vom 9.2.2012, Az. 9 C 0566/11).

Was gilt für eine Bestellpraxis?


In einer sogenannten Bestellpraxis kann die Rechtslage anders sein. Darunter ist eine Arztpraxis zu verstehen, in der ausschließlich mit Terminen gearbeitet wird. Viele Gerichte sehen die Einhaltung von Arztterminen als vertragliche Nebenpflicht des Patienten an. Hier gibt es mehrere Fallgestaltungen, in denen Ärzten Ausfallhonorare zugestanden worden sind.

Muss der Arzt den konkreten Verdienstausfall nachweisen?


Das Oberlandesgericht Stuttgart zum Beispiel spricht hier von der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht des Patienten aus dem Behandlungsvertrag. Wenn der Patient einen Arzttermin verspätet absagt – im konkreten Fall vier Stunden vorher – verletzt er also seine Pflichten. Die Richter erwarten allerdings dann vom Arzt, dass er seinen Verdienstausfall nachweisen kann. Er muss also beweisen, dass der Patient so kurzfristig abgesagt hat, dass nachweislich kein anderer Patient mehr für diesen Termin vorgemerkt werden konnte (Urteil vom 17.4.2007, Az. 1 U 154/06).

Außerdem verlangt das Gericht den Nachweis, dass es tatsächlich einen anderen Patienten gegeben hat, der allein wegen der kurzfristigen Absage nicht einspringen konnte. Wenn ein Arzt also zum Beispiel einen Schadenersatz in Höhe von mehreren tausend Euro für eine ausgefallene aufwändige zahnmedizinische Behandlung geltend machen will, müsste er beweisen, dass er in der entstandenen Leerlaufzeit bei rechtzeitiger Absage tatsächlich einen anderen Patienten mit einer ebenso komplexen Behandlung gehabt hätte. Oder dass dies jedenfalls seinem üblichen Praxisablauf entsprochen hätte. Im verhandelten Fall konnten diese Punkte nicht bewiesen werden. Daher wurde dem Zahnarzt kein Ausfallhonorar zugesprochen - obwohl der Patient eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hatte.

Muss für mögliche Alternativarbeiten ein Abzug vorgenommen werden?


Dem Amtsgericht Nettetal zufolge hat ein Arzt in einer Bestellpraxis bei Nichterscheinen seines Patienten grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch. Der Grund: Der Patient befindet sich nach § 615 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Annahmeverzug. Allerdings geht das Gericht auch davon aus, dass der Arzt in der durch den Terminausfall gewonnenen Zeit durchaus sinnvolle Verwaltungstätigkeiten durchführen kann. Deshalb müsse ein Honorarabzug vorgenommen werden (Urteil vom 12.9.2006, Az. 17 C 71/93). Das Amtsgericht Diepholz hat ähnlich entschieden. Dieses Gericht fordert jedoch eine ausdrückliche Vereinbarung über das Ausfallhonorar (Urteil vom 26.6.2011, Az. 2 C 92/11).

Wann ist eine Vereinbarung über ein Ausfallhonorar wirksam?


Manche Ärzte versuchen, ein Ausfallhonorar mit dem Patienten vertraglich zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung sollte schriftlich geschlossen werden. Wichtig ist jedoch die Formulierung.

Das Landgericht Berlin wies die Klage eines Zahnarztes auf ein Ausfallhonorar auf Grundlage einer solchen Vereinbarung ab. Der Zahnarzt hatte seine Patienten ein Formular unterschreiben lassen. Demnach mussten sie 75 Euro zahlen, wenn sie den Termin bei Verhinderung nicht mindestens 24 Stunden vorher absagten. Diese Vereinbarung hielt das Gericht jedoch nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches über Allgemeine Geschäftsbedingungen für unwirksam.

Der Grund: Der Patient hätte in jeden Fall bei einem verpassten Termin Schadensersatz leisten müssen. Er müsse jedoch die Möglichkeit behalten, zu beweisen, dass er den Termin unverschuldet habe absagen müssen - und dann nichts zu bezahlen. Wenn der Arzt ihm diese Möglichkeit verweigere, sei die Vereinbarung eine unangemessene Benachteiligung des Patienten und damit unwirksam (Urteil vom 15.4.2005, Az. 55 S 310/04).

Wie hoch darf das Ausfallhonorar sein?


Eine derartige Vereinbarung wird ebenfalls als unwirksam angesehen, wenn der verlangte Betrag nicht genau beziffert wird oder schlicht zu hoch ist. Zunächst sollte darin also ein konkreter Betrag genannt werden. Die Gerichte entscheiden bei der Höhe des Ausfallhonorars für einen Arzttermin nicht einheitlich. Teilweise erlauben sie hier knapp das Doppelte von dem, was nach der ärztlichen Gebührenordnung (GOÄ) einem Arzt zusteht, der sich ohne medizinische Leistungen bei einem Patienten aufhält (B IV, Nr. 56, 1,8facher Satz). Andere Gerichte sind der Meinung, dass das Ausfallhonorar vom nachweisbaren Verdienstausfall im konkreten Fall abhängt.

Absage Arzttermin: Was gilt als zu kurzfristig?


In der Regel wird von Patienten erwartet, dass sie einen Arzttermin mindestens 24 Stunden vorher absagen. Dies wird als legitim angesehen. Wenn der Arzttermin zum Beispiel am Montagmorgen stattfinden soll, muss der Patient sich entsprechend schon am Freitag melden.

Praxistipp


Können Sie als Patient Ihren Arzttermin nicht wahrnehmen, sollten Sie diesen möglichst rechtzeitig absagen. So können Sie von vornherein Streit über mögliche Ausfallhonorare vermeiden. Bei einem fest vereinbarten Termin für eine teure und aufwändige Behandlung, sollten Sie darauf achten, die Absage und ihren Zeitpunkt beweisen zu können – etwa durch Zeugen oder durch eine schriftliche Absage. Kommt es dann doch zum Streit, ist ein Fachanwalt für Medizinrecht der beste Ansprechpartner.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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