Coronakrise: Mieterschutz, Insolvenz und staatliche Hilfen für Selbstständige und Unternehmen

12.02.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 7 Min. (423 mal gelesen)
Virus,Corona Wie hilfft die Bundesregierung jetzt Verbrauchern und Unternehmen? © Bu - Anwalt-Suchservice

Das Wirtschaftsleben in Deutschland wird vom Coronavirus massiv beeinträchtigt. Eine Reihe von neuen Gesetzen und Maßnahmenpaketen soll helfen, den gröbsten Schaden zu verhindern.

Seit November 2020 sind erneut viele Betriebe und Geschäfte geschlossen, große Unternehmen haben Kurzarbeit, die Veranstaltungsbranche und die Gastronomie liegen still und viele kleine Selbstständige stehen ohne Aufträge da. Jede Pleite, ja jede Kündigung von Verträgen zieht eine Kettenreaktion nach sich und sorgt an anderer Stelle für weiteren Schaden. Wie lange es Einschränkungen geben wird, ist unklar - der Lockdown wird generell zumindest bis Anfang März dauern, aber auch dann wird nicht schlagartig alles wieder geöffnet werden. Auch der Beginn der Impfungen hat durch das schleppende Tempo keine Erleichterungen mit sich gebracht. Um sich dem negativen Trend in der Wirtschaft entgegenzustemmen, wurden diverse Hilfspakete geschnürt und neue Gesetze verabschiedet, die die Folgen für Unternehmen oder bestimmten Personengruppen abmildern sollen.

Was gilt für Mietverhältnisse?


Um zu verhindern, dass Mietern in Kurzarbeit oder mit ausbleibenden Einnahmen massenhaft wegen Mietrückständen gekündigt wird, wurde die Kündigung wegen diesem Kündigungsgrund zeitweise ausgesetzt. Die Regelung betraf alle Miet- und Pachtverhältnisse. Zahlte also ein Mieter nicht, weil er wegen der Coronakrise Einnahmeausfälle hatte, durfte ihm der Vermieter nicht kündigen. Dies galt für Mieten, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig wurden. Dieser Zeitraum wurde nicht verlängert. Wegen Mietrückständen im genannten Zeitraum dürfen Vermieter bis zum 30.6.2022 nicht kündigen. Danach ist die Schonzeit beendet. Das heißt: Bis zu diesem Zeitpunkt müssen Mieter die ausstehende Miete bezahlt haben, ansonsten darf der Vermieter ihnen kündigen. Zulässig blieb auch während dieses Zeitraumes eine Kündigung aus anderen Gründen, zum Beispiel wegen Eigenbedarf.

Gewerbliche Mieter und die Störung der Geschäftsgrundlage


Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich die Idee, dass jemand, der einen Vertrag abgeschlossen hat, nicht mehr an diesem festgehalten werden kann, wenn sich wichtige Umstände ändern, die Grundlage eben dieses Vertrages sind. Tatsächlich ist dieser Fall gesetzlich geregelt, und zwar in § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser besagt: Ändern sich nachträglich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind und sind die Folgen für einen Vertragspartner nicht zumutbar, hat dieser ein Recht auf Änderung des Vertrages. Ist dies nicht möglich oder einem Vertragspartner nicht zumutbar, besteht das Recht zum Rücktritt vom Vertrag oder (bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Mietvertrag) zur Kündigung.

Das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch stellt seit 31.12.2020 klar: Sind gewerbliche Räumlichkeiten infolge staatlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nutzbar, so wird per Gesetz vermutet, dass sich ein wichtiger Umstand im Sinne von § 313 verändert hat. Dies gilt für Pacht- und Mietverträge (Art. 240 § 7 EGBGB). Können Gewerbemieter nun einfach die Mietzahlung auf null reduzieren, weil der Laden geschlossen ist?

Zur Praxis ist zu sagen: Es sind mehrere Gerichtsurteile zu diesem Thema aus der Zeit vor der Gesetzesänderung bekannt. In allen Fällen ist ein Anspruch auf Vertragsänderung - also auf Reduzierung oder zeitweise Nichtzahlung der Miete - nicht an der Änderung von vertragsentscheidenden Umständen gescheitert. Entscheidend war stattdessen die Frage, ob die Änderung der Umstände (also die Schließung) tatsächlich unzumutbar war. Dies wurde bisher regelmäßig abgelehnt. Allerdings handelte es sich auch um größere Filialunternehmen. Die Gerichte verlangen als Voraussetzung der Unzumutbarkeit meist eine Existenzgefährdung des Mieters und lehnen diese ab, wenn es um die einzelne Filiale einer Handelskette geht (LG Heidelberg, Urteil vom 30.7.2020, Az. 5 O 66/20). Dies mag beim Gastwirt, dessen Existenz durch monatelange Schließung bedroht ist, ganz anders aussehen - Urteile dazu sind derzeit aber nicht bekannt.

Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmen


Nicht mehr in Kraft ist das zeitlich begrenzte Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmen bei Rechnungen aus Dauerschuldverhältnissen - langfristigen Verträgen mit regelmäßigen Zahlungen wie Gas, Strom, Telefon (nicht aber Miete). Beide Zielgruppen konnten Zahlungspflichten aus Verträgen, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden, unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 30. Juni 2020 verweigern. Diese Regelung wurde nicht verlängert.

Was änderte sich bei Darlehen?


Für Verbraucherdarlehen galt zeitweise: Ansprüche auf Rückzahlung des Darlehens sowie auf die regelmäßigen, monatlich zu erbringenden Zins- und Tilgungsleistungen, konnten gestundet werden. Dies galt bei Verträgen, die vor dem 15. März 2020 geschlossen wurden für Ansprüche, die zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 fällig wurden. Die Regelung wurde nicht verlängert.

Was muss man jetzt zur Insolvenzantragspflicht wissen?


Im Normalfall machen sich beispielsweise Geschäftsführer einer GmbH schnell strafbar, wenn sie nicht innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen. Bei dieser Regelung steht der Gläubigerschutz im Vordergrund und nicht der Versuch, das Unternehmen doch noch zu retten.

Unternehmen, die durch Corona ins Schlingern geraten, wollte die Politik mehr Zeit geben, um zum Beispiel staatliche Hilfen anzunehmen oder um eine Sanierung zu kämpfen. Daher wurde die Insolvenzantragspflicht rückwirkend zum 1. März 2020 zunächst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Diese Regelung wurde bis 30.4.2021 verlängert, aber nur noch für den Insolvenzgrund Überschuldung - also nicht bei bestehender Zahlungsunfähigkeit.

Aber Achtung: Die Regelung gilt jetzt nur noch für Unternehmen, die durch die Pandemie in Schwierigkeiten geraten sind und die zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember Hilfen aus den staatlichen Hilfsprogrammen beantragt haben. Obendrein ist ein Nachweis nötig, dass die Hilfsleistung zur „Beseitigung der Insolvenzreife geeignet“ ist.

"Zahlungsunfähig" bedeutet: Das Unternehmen kann seinen laufenden Verbindlichkeiten wie der Zahlung von Arbeitslöhnen, Mieten, Lieferantenforderungen usw. nicht mehr nachkommen.
"Überschuldung" bedeutet: Die Summe der Verbindlichkeiten des Unternehmens übersteigt die vorhandenen Mittel. Das Unternehmen kann jedoch noch immer seine Rechnungen bezahlen.

Was ändert sich für die Hauptversammlung?


Unternehmen sollen handlungsfähig bleiben - auch bei coronabedingten Einschränkungen. Eine zeitlich befristete Regelung sieht vor, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) oder Europäischen Gesellschaft (SE) eine Online-Hauptversammlung ansetzen kann. Dies gilt allerdings nur, wenn das Infektionsgeschehen es notwendig macht. Sobald Großveranstaltungen wieder erlaubt sind, dürfte dies nicht mehr der Fall sein.

Auch können Unternehmen ihre Hauptversammlungen virtuell mit eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeiten durchführen. Die Einladungsfrist dürfen sie auf 21 Tage reduzieren. Erlaubt sind außerdem Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn.

Dieses Regelungspaket wurde bis 31.12.2021 verlängert.

Finanzielle Hilfen für Selbstständige und Unternehmen


Mit verschiedenen Hilfsprogrammen sollen Unternehmen, Soloselbständige und selbständige Angehörige der Freien Berufe unterstützt werden. Die Voraussetzungen sind teilweise kompliziert, und schleppende Auszahlungen sorgten bereits für viel Kritik. Hier eine kurze Zusammenfassung.

November- und Dezemberhilfe


Die außerordentlichen Wirtschaftshilfen für November und Dezember können bis zum 30. April 2021 beantragt werden. Die Antragstellung erfolgt über die Plattform für die Überbrückungshilfe:
https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Navigation/DE/Home/home.html

Antragsberechtigt sind direkt von den temporären Schließungen im November und Dezember betroffene Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Solo-Selbstständige, Vereine und Einrichtungen sowie indirekt betroffene Unternehmen. Letztere müssen einen Umsatzrückgang um 80 % nachweisen. Hotels gelten als direkt betroffen. Gezahlt werden für November und Dezember 2020 Zuschüsse in Höhe von 75 % des Umsatzes in einem normalen Monat. Welcher Monat als Vergleichsmonat dient, richtet sich nach der Art des Unternehmens.

Solo-Selbstständige mit Elster-Zertifikat können mit einem sogenannten Direktantrag einen Zuschuss von bis zu 5.000 Euro beantragen. Dies ist der einzige Antrag, der ohne Steuerberater oder anderen Fachleute eingereicht werden kann:

https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/DE/Textsammlungen/ausserordentliche-wirtschaftshilfe-direktantrag-soloselbstaendige.html

Überbrückungshilfe wurde verlängert


Die Überbrückungshilfe dient dazu, die betrieblichen Fixkosten aufzufangen, die auch ohne Einnahmen weiter laufen.

Es handelt sich um Zuschüsse für kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb im Zuge der Corona-Pandemie einstellen oder stark einschränken mussten. Die Überbrückungshilfe II gilt für die Fördermonate September bis Dezember 2020 und kann noch bis 31. März 2021 beantragt werden. Sie wurde als Überbrückungshilfe III bis Ende Juni 2021 verlängert und ausgeweitet. Antragsberechtigt sind nun alle Unternehmen bis maximal 500 Millionen Euro Jahresumsatz.

Einen Antrag stellen können auch Solo-Selbstständige und Freiberufler einschließlich kurzfristig Beschäftigen aus Kunst und Kultur. Dies gilt auch für gemeinnützige Unternehmen und Einrichtungen. Unternehmen der Veranstaltungs- und Kulturbranche haben die Möglichkeit, für den Zeitraum März bis Dezember 2020 Ausfallkosten geltend zu machen.

Die Antragstellung erfolgt über einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer.

Neustarthilfe für Solo-Selbstständige


Die neue "Neustarthilfe" gehört zur Überbrückungshilfe. Sie ist eine besondere Hilfe für Solo-Selbstständige, die keine Fixkosten nachweisen können. Denn: Nicht wenige Selbstständige haben einfach keine Angestellten oder gemieteten Geschäftsräume.
Neustarthilfe erhalten Solo-Selbstständige, die ihr Einkommen zu mindestens 51 Prozent aus ihrer selbstständigen oder gleichgesetzten Tätigkeit erzielt haben. Sie beträgt einmalig 50 Prozent des siebenmonatigen Referenzumsatzes und höchstens 7.500 Euro. Beantragt werden kann sie derzeit noch nicht, die Voraussetzungen dafür sollen noch im Februar 2021 geschaffen werden.

Bürgschaften, Steuer und Grundsicherung


Zusätzlich gibt es für größere Unternehmen, Familienunternehmen und Mittelständler die Möglichkeit, Bürgschaften und Garantien aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu erhalten. Selbstständige und Unternehmen, die von den Folgen der Coronakrise betroffen sind, können außerdem eine Reihe von steuerlichen Erleichterungen in Anspruch nehmen. Dazu zählen auch die Stundung von Steuerzahlungen (bis 31.3.2021), ein Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen (bis 30.6.2021 bei bis zum 31.3.2021 fällig gewordenen Steuern) sowie eine vereinfachte Anpassung von Vorauszahlungen. Für Speisen in der Gastronomie gilt bis Ende 2022 der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 %.

Näheres hier:
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2020-03-19-steuerliche-Massnahmen.html

Ferner sind auch vergünstigte Kredite über die KfW möglich.

Selbstständige, denen wirtschaftliche Existenz durch die Coronakrise zerstört wurde, können Grundsicherung beantragen. Antragsteller erhalten bis 31. März 2021 erleichterten Zugang zu den SGB-II-Leistungen (wie ALG II/"Hartz IV"). Dazu gehört ein vereinfachtes Verfahren bei der Vermögensprüfung für sechs Monate. Diese beschränkt sich auf eine Eigenerklärung des Antragstellers, nicht vermögend zu sein.

Praxistipp


Wer durch die Corona-Maßnahmen als Selbstständiger keine Einnahmen mehr erzielen kann, kann verschiedene Hilfen in Anspruch nehmen. Zwar sind die Voraussetzungen oft kompliziert, es kann sich jedoch lohnen, sich damit näher zu beschäftigen. Oft kann anwaltliche Hilfe nützlich sein. Abhängig davon, um welchen Bereich es geht, ist zum Beispiel ein Fachanwalt für Steuerrecht, für Mietrecht oder für Verwaltungsrecht jeweils der beste Ansprechpartner.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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