Darf das Pflegeheim einseitig die Preise erhöhen?

28.05.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Mann,Pflegerin Heimbetreiber dürfen nicht ohne weiteres die Preise erhöhen. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Begründungspflicht: Pflegeheime dürfen Entgelte nur erhöhen, wenn sie die Mehrkosten nachvollziehbar begründen, z. B. gestiegene Löhne oder Betriebskosten.

2. Zustimmung nötig: Bewohnerinnen und Bewohner bzw. ihre gesetzlichen Vertreter müssen der Preiserhöhung ausdrücklich zustimmen. Ohne Zustimmung ist die Erhöhung unwirksam.

3. Kündigungsrecht: Wird die Erhöhung nicht akzeptiert, darf das Heim unter bestimmten Bedingungen den Pflegevertrag kündigen. Es gelten jedoch gesetzliche Schutzvorschriften.
Das Verhältnis zwischen dem Heim und den einzelnen Bewohnern regeln sogenannte Heimverträge. Darin finden sich nicht nur Regelungen über das Wohnen im Heim, sondern auch über dessen Leistungen. Zum Beispiel wird darin festgelegt, in welchem Umfang eine Pflege oder Betreuung stattfinden soll. Allerdings können Pflegeheime nicht alles so regeln, wie sie es gern möchten: Es gibt gesetzliche Vorgaben für solche Verträge.

Welche Formvorschriften gelten für einen Heimvertrag und was muss darin stehen?


Ein Heimvertrag muss unter anderem in Schriftform geschlossen werden. Das bedeutet: auf Papier mit eigenhändiger Unterschrift. Der Vertrag muss klar regeln, welchen Betrag der Bewohner zu zahlen hat und welche Leistungen der Heimbetreiber erbringt. Der zu zahlende Betrag muss in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen stehen. Der Träger des Heims muss das Entgelt für alle Bewohner nach den gleichen Grundsätzen berechnen.

Welches Gesetz gilt für Pflegeheime?


Lange Zeit war das Heimgesetz entscheidend. Es traf grundsätzliche Regelungen über Heime – wie das Recht der Bewohner auf Mitbestimmung oder die behördliche Heimaufsicht. Alten- und Pflegeheime werden nämlich von der Heimaufsicht überwacht. Dies ist eine Behörde der örtlichen Gemeinde, bei der sich die Heime auch registrieren lassen müssen.

Mittlerweile wurden die Vorschriften des bundesweiten Heimgesetzes durch Landesrecht der Bundesländer ersetzt. Den Heimvertrag regelt seit 2009 nicht mehr das Heimgesetz, sondern das bundesweit gültige Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG). Daher spricht man vom Heimvertrag oft auch als "WBVG-Vertrag".

Für welche Wohnformen gilt das WBVG?


Das Ziel des WBVG ist eine Stärkung der Rechte der Heimbewohner. Das WBVG wird auf herkömmliche Alten- und Pflegeheime angewendet und außerdem auf typische Arten des Betreuten Wohnens.

Das Gesetz gilt auch für andere Wohnformen wie etwa Wohngemeinschaften, wenn der Träger bzw. Vermieter gleichzeitig Pflege- oder Betreuungsleistungen erbringt und beides vertraglich aneinander gekoppelt ist.

Nicht anwendbar ist das WBVG auf die Varianten des "Servicewohnens". Bei diesen stellt der Betreiber hauptsächlich den Wohnraum und Unterstützungsleistungen wie Zimmerreinigung und Mahlzeiten zur Verfügung, während die eigentliche Pflege auf Wunsch von Drittanbietern erbracht wird, die vom Wohnanbieter unabhängig sind.

Sobald die Verträge miteinander verbunden sind und die Anbieter organisatorisch zusammengehören (Pflegedienst als Tochtergesellschaft des Wohnungsunternehmens), handelt es sich um einen WBVG-Vertrag.

Schließe ich einen WBVG-Vertrag, wenn ich in einer Einrichtung ein Zimmer habe und Betreuungsleistungen bekomme?


Um einen WBVG-Vertrag handelt es sich, wenn der Wohnraum nur deshalb überlassen wird, weil der Träger der Wohnform gleichzeitig Pflege- oder Betreuungsleistungen erbringen soll. Wohnen und Pflege müssen also eng miteinander verbunden sein.

Auch zwei getrennte Verträge über Wohnen und Pflege können rechtlich als einheitlicher Wohn- und Betreuungsvertrag gelten, wenn der Vertrag über die Unterkunft nur wegen des anderen Vertrages über die Pflege abgeschlossen wird.

Was gilt, wenn ich derzeit noch keine Pflege brauche?


Besteht aktuell noch kein Pflege- oder Betreuungsbedarf, handelt es sich trotzdem um einen WBVG-Vertrag, wenn sich der Bewohner verbindlich dazu verpflichtet, solche Leistungen später, zu einem unbestimmten Zeitpunkt, in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung ist, dass der Träger der Wohnform diese Leistungen auch anbietet.

Was sagt das Gesetz zum Thema Preiserhöhung?


Der Heimbetreiber darf nach § 9 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes eine Erhöhung der Vergütung verlangen, wenn sich die Berechnungsgrundlage geändert hat. Voraussetzung ist, dass das erhöhte Entgelt und auch die Erhöhung selbst in angemessenem Rahmen bleiben. Preiserhöhungen für die Finanzierung von Investitionen sind nur erlaubt, soweit sie nach der Art des Betriebs notwendig sind und nicht durch öffentliche Fördergelder gedeckt werden.

Den Bewohnern muss der Heimunternehmer die Preiserhöhung schriftlich mitteilen und sie ausführlich begründen.

Dabei muss er folgende Angaben machen:

- den Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung wirksam werden soll,
- die Positionen, für die die Kosten gestiegen sind, mit Vergleich der alten und der neuen Kostenbestandteile,
- den Umlagemaßstab, mit dem die Kosten auf die Bewohner verteilt werden.

Die Bewohner haben das Recht, Einsicht in die Kalkulationsunterlagen zu nehmen. Der Unternehmer muss ihnen diese Einsichtnahme rechtzeitig gewähren. Das erhöhte Entgelt schulden sie ihm dann frühestens vier Wochen nach Erhalt des ausreichend begründeten Erhöhungsverlangens.

Darf der Heimvertrag einseitige Preiserhöhungen vorsehen?


Vor dem Bundesgerichtshof ging es um einen Pflegeheimbetreiber, der sich in seinem Heimvertrag das Recht vorbehalten hatte, seine Preise für Pflege, Unterbringung, Betreuung, Verpflegung und Investitionskostenpauschalen einseitig zu erhöhen, sofern sich während der Vertragslaufzeit die Berechnungsgrundlage ändern sollte. Solche Klauseln sind nicht ungewöhnlich. Man findet sie in ähnlicher Form in vielen Heimverträgen. Hier ging jedoch der Bundesverband der Verbraucherzentralen gerichtlich dagegen vor.

Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Heimbewohner. Dem Urteil zufolge darf das Heim nicht einfach einseitig die Gebühren erhöhen, wenn die Kosten gestiegen sind. Der Heimvertrag ist laut BGH ein eigenständiger Vertragstyp. Auf ihn sind die herkömmlichen Regeln für Verträge anwendbar.
Das bedeutet: Für Abschluss und Änderung eines Vertrages braucht man die Zustimmung beider Seiten. Einseitige Änderungen nach Belieben gibt es nicht.

Laut Gericht besagt § 9 des WBVG nichts anderes. Der Betreiber des Heims dürfe zwar eine Erhöhung verlangen, jedoch nicht direkt einseitig auch mehr Geld. Der einzelne Bewohner müsse zuerst der verlangten Erhöhung zugestimmt haben – wie bei jedem normalen Mietvertrag auch.

Zwar könne der Heimbetreiber auf diese Zustimmung des Bewohners einen Rechtsanspruch haben. Dies setze aber voraus, dass die Erhöhung alle gesetzlichen Voraussetzungen erfülle. Die hier genutzte Vertragsklausel erfülle nicht die üblichen Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie sei daher unwirksam (Urteil vom 12.5.2016, Az. III ZR 279/15).

Welche Anforderungen sind an die Zustimmung zur Preiserhöhung zu stellen?


Dem Bundesgerichtshof zufolge muss die Zustimmung des Heimbewohners nicht unbedingt ausdrücklich oder schriftlich erteilt werden. Dies könne sogar stillschweigend passieren – zum Beispiel durch Zahlung der erhöhten Gebühr über einen längeren Zeitraum. Wenn jedoch der Heimbewohner in keiner Weise zustimme, werde eine einseitige Erhöhung auch nicht wirksam. Dann müsse der Heimbetreiber den Bewohner erst gerichtlich auf Zustimmung zur Erhöhung verklagen.

Der Bundesgerichtshof fügte hinzu, dass es bei alledem nicht darauf ankomme, ob der Heimbewohner für seine Heimgebühr selbst oder mit Hilfe der Sozialversicherung aufkomme (Urteil vom 12.5.2016, Az. III ZR 279/15).

Darf ein Pflegeheim den Preis einseitig erhöhen, wenn sich mein Pflegegrad ändert?


Zu dieser Frage hat das OLG Sachsen-Anhalt entschieden. In diesem Fall hatte das Pflegeheim von den Angehörigen eines Bewohners einen höheren Eigenanteil verlangt, weil dessen Pflegegrad und damit auch der Pflegeaufwand gestiegen war. Das Gericht gab den Angehörigen Recht und wies die Klage des Heimbetreibers ab. Weder das Gesetz noch der konkrete Heimvertrag würden eine automatische Preisanpassung in einem solchen Fall vorsehen. Eine Vertragsanpassung bei geändertem Pflegegrad erfordere ein formelles, schriftliches Angebot des Heimbetreibers. Erst wenn der Bewohner bzw. seine Angehörigen dieses angenommen hätten, bestünde ein Anspruch auf mehr Geld (Urteil vom 13.3.2023, Az. 12 U 149/22).

Sind Reservierungsgebühren für Heimplätze erlaubt?


Der Bundesgerichtshof hat 2021 ein weiteres interessantes Urteil für Heimbewohner gefällt: Reservierungsgebühren, die für die Zeit bis zum Einzug erhoben werden, sind nicht erlaubt. Dies gilt für gesetzlich Versicherte ebenso wie für privat Versicherte. Heimgebühren dürfen erst dann kassiert werden, wenn der Betreffende tatsächlich im Heim wohnt. Im konkreten Fall waren für eine Reservierungszeit von 14 Tagen über 1.100 Euro Reservierungsgebühr gefordert worden (Urteil vom 15.7.2021, Az. III ZR 225/20).

Kann das Heim im Heimvertrag einen Schuldbeitritt verlangen?


Schuldbeitritt bedeutet, dass sich ein Angehöriger oder Betreuer dazu verpflichtet, für die Heimkosten und die Pflegekosten aufzukommen, wenn der Bewohner selbst dies nicht mehr kann.

Vor einigen Jahren hat es einzelne Gerichtsurteile gegeben, nach denen ein Heimbetreiber den Abschluss eines Heimvertrages nicht davon abhängig machen darf, dass ein Betreuer oder Angehöriger einen Schuldbeitritt unterschreibt (LG Mainz, Urteil vom 31.5.2013, Az. 4 O 113/12). In anderen Fällen wurde ein Schuldbeitritt jedoch als gültig angesehen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.12.2016, Az. 4 U 36/16).

Angehörige sollten eine solche Vereinbarung nicht leichtfertig unterschreiben. Eine vertragliche Verpflichtung zum Schuldbeitritt besteht unabhängig davon, ob Elternunterhalt zu zahlen ist. Sie lässt sich auch nicht durch eine Erbausschlagung aushebeln.

Praxistipp zur Entgelterhöhung seitens Pflegeheimen


Ein Pflegeheimbetreiber darf nicht einseitig die Preise erhöhen, weil sich seine Kosten erhöht haben. Dabei muss er gesetzliche Vorgaben beachten und zuerst die Zustimmung der Bewohner einholen. Diese kann er notfalls auch einklagen. Erfolg hat er damit jedoch nur, wenn er sich an alle gesetzlichen Regeln gehalten hat. In solchen Fällen kann ein Fachanwalt für Sozialrecht die Verträge und die Erhöhungsforderung prüfen und Rat für den konkreten Fall erteilen.

(Wk)


 Günter Warkowski
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