Pflegefall: Wie rettet man das Familienheim vor dem Sozialamt?

01.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Sozialhilfe,Pflege,Erbschaft,Haus,Testament Ein gutes Testament kann helfen, damit das Haus in der Familie bleibt. © Bu - Anwalt-Suchservice

Nach sieben Jahren Aufenthalt in einer stationären Pflegeeinrichtung ist das Familienheim "verbraucht"! Das richtige Testament kann das Haus für die nächste Generation vor dem Staat retten.

Für viele Menschen in Deutschland ist die eigene Immobilie die sicherste und solideste Möglichkeit, für das Alter vorzusorgen. Gerade für viele Ehepartner ist das Familienheim neben der Rente oft der einzige Vermögensgegenstand von Bedeutung. Wenn jedoch eine Unterbringung im Pflegeheim erforderlich wird und die vorhandenen Mittel für dessen laufende Kosten nicht ausreichen, gerät das Haus schnell in Gefahr. Denn: Das Sozialamt übernimmt den Teil der Kosten, die sich die pflegebedürftige Person nicht leisten kann. Zwar kann das Sozialamt auf das Familienheim zu Lebzeiten des Leistungsempfängers meist nicht zugreifen, da es in vielen Fällen zum sogenannten Schonvermögen gehört (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII). Wenn jedoch der Erbfall eintritt, greift es auf den Nachlass zu und holt sich das Geld zurück.

Welches Gesetz regelt die Erbenhaftung bei der Sozialhilfe?


Eine Erbenhaftung für gezahlte Sozialleistungen existiert nur noch sehr eingeschränkt. Beim Bürgergeld ist sie entfallen, und auch bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Rahmen der Sozialhilfe existiert etwas Derartiges nicht. Aber: Bei der Sozialhilfeleistung "Hilfe zur Pflege" nach dem 12. Sozialgesetzbuch (SGB XII) gibt es sehr wohl noch eine Haftung der Erben.

Die Kostenersatzpflicht der Erben ergibt sich aus § 102 Abs. 1 SGB XII. Sie erstreckt sich auf alle Leistungen, die das Sozialamt in den zehn Jahren vor dem Ableben des Erblassers gezahlt hat und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen. Dieser liegt 2025 bei 1.126 Euro, das Dreifache sind 3.378 Euro.

Kein Kostenersatz kann verlangt werden für die Hilfen für Grundsicherung und bei Erwerbsminderung. Dies ergibt sich aus § 102 Abs. 5 ("Leistungen nach dem vierten Kapitel").

Schützt das Verschenken des Hauses vor Forderungen des Sozialamts?


Leider reicht eine einfache Schenkung zu Lebzeiten nicht aus: Nach § 528 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) hat der Schenker im Falle seiner Verarmung ein Rückforderungsrecht. Das Sozialamt kann dieses Recht auf sich überleiten und gegen den Beschenkten und sogar gegen dessen Erben geltend machen.

Welche Mittel versprechen Erfolg?


Ein gutes Mittel der Wahl wäre hier eine entsprechende Gestaltung des Testaments. Testamentsgestaltungen, die den Nachlass vor dem Zugriff des Sozialamtes schützen sollen, sind grundsätzlich nicht sittenwidrig. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 19.1.2011, Az. IV ZR 7/10). Daher empfiehlt es sich dringend für verantwortungsbewusste Erblasser, ihr Familienheim durch geeignete testamentarische Gestaltungen vor dem Zugriff des Staates zu bewahren.

Welche Möglichkeiten bieten sich an?


In einem Testament gibt es verschiedene Regelungsmöglichkeiten, die jeweils Vor- und Nachteile haben. Auch die Belastung von Kindern mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer muss man dabei im Blick behalten. Entscheidend ist immer der jeweilige Einzelfall. Hier können nicht alle Varianten berücksichtigt werden, die sich anbieten. Daher dürfen die nachfolgenden Vorschläge nicht pauschal übernommen werden. Fachkundige Beratung ist bei solchen Konstruktionen unabdingbar.

Möglichkeit 1: Wohnrecht für den überlebenden Ehegatten


Die Kinder erben das Grundstück. Der überlebende Ehepartner bekommt ein Wohnrecht auf Lebenszeit am Familienheim – und zwar per Vermächtnis. Ein Vermächtnisnehmer ist KEIN Erbe. Er hat nur einen Anspruch gegen die Erben auf einen bestimmten Einzelgegenstand. Das Testament legt fest, dass das Wohnrecht endet, wenn der überlebende Ehegatte es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Damit steht es unter einer sogenannten auflösenden Bedingung.

Bei dieser Variante wäre der Ehepartner davor sicher, aus dem Haus ausziehen zu müssen, in dem er oder sie das ganze Leben lang gewohnt hat. Das Sozialamt könnte zwar spätestens nach dem Auszug des Ehegatten den Kindern als Erben das Haus wegnehmen. Vorher wird es das wahrscheinlich nicht tun. Denn: Das Haus lässt sich nicht verwerten, wenn jemand daran ein Wohnrecht hat. Nach dem Auszug des überlebenden Ehegatten könnte es für die Behörde zu spät sein: Der Anspruch aus § 102 Abs. 1 SGB XII verjährt nämlich innerhalb von drei Jahren nach dem Tod des Leistungsempfängers.

Diese Regelung kann jedoch steuerliche Nachteile haben. Unter Umständen müssten die Kinder Erbschaftssteuer zahlen, die sich vielleicht nur durch den Verkauf des Hauses aufbringen lässt. Auch gerät der überlebende Ehegatte nach einem Umzug in das Pflegeheim möglicherweise selbst in finanzielle Schwierigkeiten.

Möglichkeit 2: Vor- und Nacherbschaft mit Testamentsvollstreckung


Bei dieser Variante wird der überlebende Ehegatte als alleiniger, nicht befreiter Vorerbe eingesetzt. Dieser ist in seinen Verfügungsmöglichkeiten über den Nachlass beschränkt: Er darf u. a. keine Grundstücke veräußern, übertragen oder belasten. Denn: Er soll das Erbe für die Nacherben zusammenhalten. Nacherben werden die Kinder. Diese bekommen den Nachlass, wenn der Vorerbe verstirbt.

Dabei kann sich die Vor- und Nacherbschaft auf das Familienheim beschränken. Der überlebende Ehegatte kann und sollte zusätzlich zu seiner Absicherung als Vorausvermächtnis alle anderen Nachlassgegenstände bekommen, auf die das Sozialamt keinen Zugriff hat.

Ein Vorausvermächtnis ist ein Vermächtnis, das einem Erben zugewandt wird. Dadurch erhält der Erbe über die Erbeinsetzung hinaus im Voraus einen bestimmten Gegenstand, der nicht auf sein Erbteil angerechnet wird. Dies ist unabhängig von seiner Stellung als Erbe.

Ein Vorerbe erhält die Erträge aus dem Nachlass – zum Beispiel Mieteinnahmen. Wenn nun der Vorerbe ins Pflegeheim muss und selbst "Hilfe zur Pflege" benötigt, könnte das Sozialamt auf diese Beträge zugreifen. Dies lässt sich jedoch durch eine im Testament angeordnete Dauertestamentsvollstreckung mit geeigneten Anweisungen an den Testamentsvollstrecker verhindern: Der Testamentsvollstrecker wird testamentarisch angewiesen, dem Vorerben nur so viel von den Erträgen zu überweisen, dass dies für etwaige Sozialleistungen unschädlich ist. Hier empfiehlt es sich, ein geeignetes Kind als Testamentsvollstrecker einzusetzen.

Kombinieren lässt sich all dies mit einem Pflichtteilsverzicht der Kinder und der Ehegatten. Denn: Wenn ein Leistungsempfänger oder dessen Ehegatte gegen einen Erben Pflichtteilsansprüche hat, kann das Sozialamt diese auf sich überleiten (§ 93 SGB XII). Der Pflichtteilsanspruch entsteht sofort nach dem Erbfall. Dieses Risiko sollte unterbunden werden.

Geprüft werden sollte auch, ob das Sozialamt Unterhaltsansprüche des überlebenden Elternteils gegen die Kinder – oder womöglich nur gegen eines der Kinder – auf sich überleiten und auf dieser Grundlage Leistungen zurückfordern kann. Hier spricht man vom sogenannten Elternunterhalt. Allerdings ist dies nur noch möglich, wenn das Kind mehr als 100.000 Euro im Jahr verdient.

Praxistipp zur Rettung des Hauses vor dem Sozialamt


Oft kann das Familienheim vor dem Zugriff des Staates gerettet werden und für die nachfolgende Generation erhalten bleiben. Erreichen lässt sich dies durch passende Regelungen in Testament oder Erbvertrag. Bei den erforderlichen Gestaltungen kann ein Fachanwalt für Erbrecht helfen.

(Wk)


 Günter Warkowski
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