Darf man seinem Kind eine Ohrfeige geben?
27.08.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. Verbot: Eltern dürfen ihren Kindern keine Ohrfeige geben. Das Recht auf gewaltfreie Erziehung ist in § 1631 Abs. 2 BGB ausdrücklich festgeschrieben.
2. Folgen: Eine Ohrfeige gilt rechtlich als Körperverletzung (§ 223 StGB) und kann strafrechtliche, familienrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
3. Keine Ausnahme: Erzieherische Gründe rechtfertigen niemals eine Ohrfeige. Zulässig ist sie nur in einer echten Notwehrsituation, was aber in der Praxis extrem selten vorkommt.
1. Verbot: Eltern dürfen ihren Kindern keine Ohrfeige geben. Das Recht auf gewaltfreie Erziehung ist in § 1631 Abs. 2 BGB ausdrücklich festgeschrieben.
2. Folgen: Eine Ohrfeige gilt rechtlich als Körperverletzung (§ 223 StGB) und kann strafrechtliche, familienrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
3. Keine Ausnahme: Erzieherische Gründe rechtfertigen niemals eine Ohrfeige. Zulässig ist sie nur in einer echten Notwehrsituation, was aber in der Praxis extrem selten vorkommt.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was sagt das Gesetz zur Ohrfeige in der Erziehung? Welche familienrechtlichen Konsequenzen drohen Eltern bei einer Ohrfeige? Kann das Jugendamt wegen Ohrfeigen eingreifen? Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen Eltern bei einer Ohrfeige? Kann das Ohrfeigen eines Kindes ausnahmsweise gerechtfertigt sein? Kann ein Kind wegen einer Ohrfeige Schmerzensgeld verlangen? Fazit Was sagt das Gesetz zur Ohrfeige in der Erziehung?
Seit dem Jahr 2000 garantiert das Bürgerliche Gesetzbuch in § 1631 Abs. 2 BGB: Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Das Gesetz verbietet jede Form körperlicher Bestrafung, auch "leichte" Ohrfeigen. Eine Ausnahme gibt es nicht. Davor war die Rechtsprechung uneinheitlich. Ohrfeigen wurden teils noch als "erzieherische Maßnahme" betrachtet.
Welche familienrechtlichen Konsequenzen drohen Eltern bei einer Ohrfeige?
Das Familiengericht kann eingreifen, wenn Eltern Gewalt gegen ihre Kinder anwenden. Es kann dann Auflagen zur Erziehung machen. Im Extremfall droht ein teilweiser oder vollständiger Entzug des Sorgerechts (§ 1666 BGB). Der Schutz des Kindes steht dabei immer über den Erziehungsrechten der Eltern.
Das OLG Hamm hat in einem Fall festgestellt, dass eine einmalige Ohrfeige durch einen Elternteil keinen staatlichen Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht rechtfertigt. (Beschl. vom 06.06.2016, Az. II-4 UF 186/15)
Kann das Jugendamt wegen Ohrfeigen eingreifen?
Das Jugendamt ist verpflichtet, bei Kindeswohlgefährdung einzuschreiten. Zunächst sucht es das Gespräch mit den Eltern und bietet Hilfen an. Bei wiederholten und schwerwiegenden Fällen kann das Amt allerdings eine Inobhutnahme des Kindes prüfen.
Eine einmalige Ohrfeige durch einen Elternteil rechtfertigt aber in der Regel keinen unmittelbaren staatlichen Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht, insbesondere nicht die Trennung des Kindes von den Eltern. Vielmehr wird in solchen Fällen vorrangig auf mildere Mittel wie Gespräche mit den Eltern oder eine persönliche Anhörung des Kindes abgestellt. In diesem Sinne entschieden z.B. das OLG Hamm mit Blick auf eine nachgewiesene Ohrfeige eines Vaters (Beschl. vom 06.06.2016, Az. II-4 UF 186/15) sowie das OLG Karlsruhe mit Blick auf eine vom Jugendamt behauptete Ohrfeige in einem Restaurant (Beschl. vom 26.02.2025, Az. 16 UF 136/24).
Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen Eltern bei einer Ohrfeige?
Wer sein Kind schlägt, macht sich nach § 223 StGB (Körperverletzung) strafbar. Schon eine einzige Ohrfeige erfüllt den Tatbestand, weil sie das körperliche Wohlbefinden beeinträchtigt. Mögliche strafrechtliche Sanktionen sind eine Geldstrafe, im Wiederholungsfall auch eine Freiheitsstrafe.
Wichtig ist zu beachten, dass eine Körperverletzung nur auf Antrag von den Strafbehörden verfolgt werden kann (§ 230 StGB). Für ein minderjähriges Kind können nur dessen gesetzlichen Vertreter, also in der Regel die Eltern, den Antrag stellen. Der Antrag ist nur dann nicht erforderlich, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.
Kann das Ohrfeigen eines Kindes ausnahmsweise gerechtfertigt sein?
Im Kontext von erzieherischen Maßnahmen gibt es keine Ausnahme. Eine Ohrfeige ist in jedem Fall eine rechtswidrige Körperverletzung (§ 223 StGB) und verstößt gegen das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung (§ 1631 Abs. 2 BGB).
Es gibt ein Urteil, in dem ein Lehrer eine Ohrfeige an einem Schüler verabreichte, die durch Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt war. Ein Aushilfslehrer war mit der Betreuung von Erstklässlern betraut. Während einer Aufsichtssituation wurde er von einer Gruppe von fünf bis zehn Jungen geschlagen und bespuckt. Mindestens einer der Schüler trat ihn auch. In dieser Situation verpasste der Lehrer einem der Schüler eine Ohrfeige und äußerte dabei: „Ich lasse mich nicht anspucken. Ich bin nicht euer Fußabtreter.“
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, dass die Ohrfeige durch Notwehr gerechtfertigt war. Die Richter begründeten dies damit, dass dem Lehrer kein anderes geeignetes Mittel zur Verfügung stand, um den gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff mehrerer Schüler zu beenden. Eine lediglich verbale Einwirkung hatte nach den Feststellungen des Gerichts nicht geholfen. (Urteil v. 2.06.2016, Az. III-1 Ws 63/16)
Kann ein Kind wegen einer Ohrfeige Schmerzensgeld verlangen?
Ja, ein Kind kann wegen einer Ohrfeige Schmerzensgeld verlangen. Eine Ohrfeige ist eine Körperverletzung nach § 223 StGB und gleichzeitig ein unerlaubter Eingriff nach § 823 Abs. 1 BGB. Daraus ergibt sich ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB). Da Kinder noch minderjährig sind, muss die Geltendmachung über ihre gesetzlichen Vertreter (z. B. den anderen Elternteil oder einen bestellten Ergänzungspfleger) erfolgen.
Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hier spielen die Intensität der Ohrfeige, die Folgen für das Kind (z. B. Schmerzen, Rötungen, seelische Belastungen) sowie Alter und Schutzbedürftigkeit des Kindes eine Rolle.
Das Landgericht Hanau urteilte im Jahr 1990, dass einem von einem Lehrer geohrfeigtem Schüler kein Schmerzensgeldanspruch zugestanden habe, da die Ohrfeige keine schwerwiegende Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens verursacht und keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dargestellt habe. Weder sei sie besonders schmerzhaft gewesen noch habe sie weitergehende Folgen verursacht. Der Schüler habe die Ohrfeige zudem durch sein eigenes rüpelhaftes Fehlverhalten gegenüber einer anderen Schülerin provoziert. (Urteil v. 12.12.1990, Az. 4 O 1184/90)
Dagegen hat das Landesarbeitsgericht Köln einem Mitarbeiter, der von seinem Vorgesetzten geohrfeigt wurde, ein Schmerzensgeld in Höhe von 800 Euro zugesprochen, auch wenn dadurch keine weiteren Verletzungsfolgen entstanden. (Urteil v. 27.10.2008, Az.: 5 Sa 827/08)
Fazit
Egal, ob Eltern oder Lehrer: Auch „eine einzige Ohrfeige“ ist verboten und kann straf-, familien- und jugendhilferechtliche Folgen haben. Gewaltfreie Erziehung ist nicht nur pädagogisch besser, sie ist für die Eltern, aber z.B. auch Lehrer rechtlich verpflichtend.
(Bu)