Eigenbedarfskündigung wegen Berufs- oder Geschäftsbedarfs zulässig?

11.03.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Kündigungsschreiben Der Berufs- oder Geschäftsbedarf ist nur selten ein zulässiger Kündigungsgrund. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Eigenbedarfskündigung: Laut § 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hat ein Vermieter auch dann ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung des Mietvertrages, wenn er durch die Fortsetzung des Mietvertrages an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wird und er dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.

2. Büro- und Geschäftsbedarf: Auch der Bedarf des Vermieters an der Nutzung einer von ihm vermieteten Mietwohnung für ein Büro oder zur gewerblichen Nutzung kann ein solches berechtigtes Interesse darstellen.

3. Nutzungsart entscheidend: Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt ein berechtigtes Interesse für eine Eigenbedarfskündigung aber nur dann vor, wenn der Vermieter die Mietwohnung nicht allein für gewerbliche Zwecke, sondern auch zum Wohnen nutzen will (Mischnutzung).
Man spricht normalerweise von "Eigenbedarf", wenn der Vermieter selbst zum Wohnen in seine Mietwohnung einziehen möchte - oder zumindest seine nahen Angehörigen. Allerdings ist eine Eigenbedarfskündigung grundsätzlich auch dann möglich, wenn der Vermieter die Mietwohnung für berufliche Zwecke oder für eine gewerbliche Nutzung benötigt. Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2017 neue Regeln für eine solche Kündigung wegen Berufs- oder Geschäftsbedarf aufgestellt. Für Vermieter ist es dadurch schwieriger geworden zu künduigen; die Rechte der Mieter wurden dagegen gestärkt.

Was versteht man unter Berufs- oder Geschäftsbedarf?


Der Berufsbedarf oder Geschäftsbedarf ist eine Abwandlung des bekannten Eigenbedarfs. Der Eigenbedarf ist einer der wenigen gesetzlich zulässigen Gründe, aus denen ein Vermieter seinen Mietern kündigen kann. Eine Eigenbedarfskündigung setzt voraus, dass der Vermieter den Wohnraum für sich, nahe Angehörige oder Mitglieder seines Haushalts benötigt. Die jeweilige Person muss die konkrete Absicht haben, dort zum Wohnen einzuziehen.

Es kommt jedoch auch vor, dass ein Vermieter die Räume gar nicht zum Wohnen für eine Person braucht, sondern, weil er zum Beispiel ein Büro oder einen Lagerraum für seine Firma darin einrichten oder seinen Geschäftsbetrieb ausbauen, also die Mietwohnug gewerblich nutzen will. Dann spricht man von Berufs- oder Geschäftsbedarf. Lange Zeit haben die Gerichte auch den Berufsbedarf oder Geschäftsbedarf ohne Weiteres als zulässigen Kündigungsgrund anerkannt.

Wann konnten Vermieter früher wegen Berufs- oder Geschäftsbedarf kündigen?


Vor 2017 erkannten viele Gerichte den beruflichen oder geschäftlichen Verwendungszweck ohne Weiteres als eine Variante des Eigenbedarfs an, obwohl davon überhaupt nichts im Gesetz steht. Man wendete dabei regelmäßig die gleichen Voraussetzungen wie für den herkömmlichen Eigenbedarf an. Zum Beispiel musste der Raumbedarf für das Geschäft des Vermieters ungefähr der Wohnungsgröße der Mietwohnung entsprechen. Ebenso musste ein echter Bedarf an der Nutzung dieser Räume vorliegen und eine konkrete Absicht ihrer gewerblichen Nutzung für das Geschäft des Vermieters.

Welche gesetzlichen Regelungen gelten für Berufs- oder Geschäftsbedarf?


§ 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) enthält die entscheidende Regelung. Darin steht, dass der Vermieter das Mietverhältnis nur kündigen darf, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat. Absatz 2 legt fest, wann insbesondere ein solches Interesse besteht – nämlich zum Beispiel bei Eigenbedarf für Wohnzwecke.

Nach der Regelung besteht ein berechtigtes Interesse an der Kündigung des Mietverhältnisses auch dann, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietvertrages an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wird und er dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Hierzu zählt natürlich nicht die Möglichkeit, durch einen Mieterwechsel mehr Miete einzunehmen.
Die Kündigung wegen Geschäftsbedarf liegt zwischen diesen beiden Kündigungsgründen. Unter Umständen könnte auch bei ihr mit der Absicht einer "angemessenen wirtschaftlichen Verwertung" argumentiert werden.

Geschäftsbedarf: Welchen Fall hat der Bundesgerichtshof entschieden?


Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich mit dem Fall eines Mieters, der schon seit 1977 in einer Berliner Zweizimmerwohnung lebte. Die Vermieterin hatte das Gebäude einige Jahre zuvor bei einer Zwangsversteigerung erworben. Im ersten Stock betrieb ihr Ehemann ein Beratungsunternehmen. Schließlich kündigte die Vermieterin ihrem Mieter, weil ihr Mann dessen Wohnräume für die Erweiterung seines Geschäftsbetriebes brauche. Dessen Büros – in denen auch die Kunden beraten würden – seien bis zum Bersten vollgestopft mit Akten und man benötige dringend einen weiteren Arbeitsplatz und ein Archiv.

Da der Mieter sich der Kündigung widersetzte, kam es zum Prozess. Das Amtsgericht und das Landgericht gestanden der Vermieterin zunächst ein berechtigtes Interesse an der Kündigung zu: Eine Kündigung wegen einer Erweiterung des Geschäftsbetriebes stehe dem Eigenbedarf gleich. Beide Gerichte wiesen jedoch trotzdem die Räumungsklage der Vermieterin ab. Ihrer Ansicht nach verstieß die Kündigung wegen der beabsichtigten gewerbliche Nutzung nämlich gegen die Berliner Vorschriften über die Zweckentfremdung von Wohnraum. Die Vermieterin klagte daher in dritter Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH) auf Räumung.

Berufs- und Geschäftsbedarf als berechtigtes Interesse für die Eigenbedarfskündigung?


Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes ist der Berufs- oder Geschäftsbedarf nicht einfach als weitere, ungeschriebene Kategorie des Eigenbedarfs anzusehen. Der Gesetzgeber habe in § 573 Abs. 2 BGB ausdrücklich geregelt, in welchen Fällen der Vermieter ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung habe. Eigenbedarf sei klar definiert. Er liege vor, wenn der Vermieter die Wohnung selbst zum Wohnen benötige. Dies sei in diesem Fall aber gerade nicht beabsichtigt.

Ebenso wenig liege bei der beabsichtigten Eigennutzung der Mietwohnung für (frei-) berufliche oder gewerbliche Zwecke der Fall einer wirtschaftlichen Verwertung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB vor. Die Voraussetzungen beider Kündigungsgründe seien hier einfach nicht erfüllt.

Die im Gesetz genannten Fallgruppen seien Regelbeispiele, bei deren Vorliegen generell von einem berechtigten Interesse an der Kündigung auszugehen sei. Wenn jedoch keiner dieser Fälle vorliege, könne der Vermieter immer noch ein berechtigtes Interesse nach der allgemeinen Regelung in § 573 Abs. 1 BGB haben. Dies sei aber in jedem Einzelfall genau zu prüfen. Dabei müsse eine Abwägung der jeweiligen Interessen der Beteiligten stattfinden.

Welche Nutzungsart gibt ein berechtigtes Interesse für die Eigenbedarfskündigung?


Dem BGH zufolge ist heute entscheidend, ob die Mietwohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken oder auch zum Wohnen genutzt werden soll.

Der Entschluss eines Vermieters, die Wohnung einerseits zum Wohnen, gleichzeitig aber auch überwiegend gewerblich bzw. beruflich zu nutzen (Mischnutzung) habe Parallelen zum Eigenbedarf. Immerhin wolle der Vermieter in der Wohnung dann ja seinen Lebensmittelpunkt haben. Ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung liege in solchen Fällen schon dann vor, wenn dem Vermieter ohne Bezug der Mietwohnung ein beachtenswerter Nachteil entstünde. Dem Bundesgerichtshof zufolge ist dies regelmäßig der Fall, wenn der Vermieter eine nachvollziehbare Lebens- und Berufsplanung vorweisen kann, für die er die Wohnung braucht. Dies soll auch gelten, wenn die Mischnutzung der Wohnung nicht durch den Vermieter selbst, sondern durch seinen Ehe- oder Lebenspartner geplant ist.

Anders sieht es jedoch laut Bundesgerichtshof aus, wenn der Vermieter oder sein Ehepartner die bisherige Mietwohnung allein für berufliche oder geschäftliche Zwecke nutzen will. Dann sei man näher am Kündigungsgrund "angemessene wirtschaftliche Verwertung". Hier solle der Mieter gewissermaßen für rein geschäftliche Interessen aus seinem Lebensmittelpunkt verdrängt werden.
Dafür müsse man strengere Maßstäbe anlegen. So müsse der Vermieter ohne die Nutzung der Mietwohnung einen Nachteil von einigem Gewicht erleiden. Ein solcher Fall könne zum Beispiel vorliegen, wenn das Geschäft des Vermieters ohne die Nutzung der Wohnung nicht rentabel betrieben werden könne oder wenn seine konkrete Lebensgestaltung genau diese besondere Wohnung erfordere (etwa wegen gesundheitlicher Einschränkungen).

Wie entschied der BGH für die beabsichtigte rein gewerbliche Nutzung?


Der Bundesgerichtshof entschied im konkreten Fall, dass die Vermieterin kein berechtigtes Interesse an einer Kündigung hatte. Denn: Die Mietwohnung solle hier künftig ausschließlich geschäftlich, also gewerblich genutzt werden. Daher seien strenge Maßstäbe anzulegen. Dem Ehemann der Vermieterin drohe ohne die Nutzung dieser Wohnung kein "Nachteil von einigem Gewicht". Könne er die Wohnung nicht für seinen Beruf nutzen, müsse er schlicht und einfach seine zum Teil 30 Jahre alten Akten woanders einlagern. Dies reiche als Kündigungsgrund nicht aus. Auch größere wirtschaftliche Einbußen drohten dem Ehemann der Vermieterin hier durch den Verzicht auf die Wohnung nicht (Urteil vom 29. März 2017, Az. VIII ZR 45/16).

Praxistipp zur Kündigung wegen Berufsbedarf oder Geschäftsbedarf


Die Kündigung wegen Berufs- oder Geschäftsbedarf wurde vom Bundesgerichtshof zwar nicht abgeschafft. Sie ist seit dem Urteil jedoch an deutlich strengere Voraussetzungen geknüpft. Diese dürften weit seltener vorliegen. Wenn Sie als Mieter eine solche Kündigung bekommen, sollten Sie sich von einem Fachanwalt für Mietrecht beraten lassen. Dieser kann prüfen, ob die Kündigung in Ihrem konkreten Fall rechtswirksam ist.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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