EU-Führerschein – die Rechtslage in Deutschland

28.04.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (2148 mal gelesen)
EU-Führerschein,MPU,Sperre,Fahrerlaubnis Was bringt Verkehrssündern ein Führerschein aus dem EU-Ausland? © - Anwalt-Suchservice

Immer noch sieht man Werbung von Fahrschulen und anderen Anbietern aus dem EU-Ausland, die deutschen Verkehrssündern einen EU-weit gültigen ausländischen Führerschein verschaffen wollen.

In der Europäischen Union wurden die Regeln zum Führerschein in vielen Punkten vereinheitlicht. Bei Neuerteilung wird seit 19.1.2013 EU-weit ein einheitlicher Führerschein im Kreditkartenformat ausgegeben. Die diversen alten Varianten in Deutschland müssen mit Übergangsfristen umgetauscht werden. In einem EU-Mitgliedsstaat ausgestellte Führerscheine müssen grundsätzlich in jedem anderen EU-Staat anerkannt werden. Wenn in der Werbung vom "EU-Führerschein" gesprochen wird, ist damit regelmäßig ein Führerschein gemeint, der in einem anderen Land als Deutschland ausgestellt wird. Denn: Viele deutsche Autofahrer, denen in Deutschland wegen Verkehrsdelikten, Alkohol oder Drogen die Fahrerlaubnis entzogen wurde, erhoffen sich von einem Führerschein aus einem anderen EU-Staat neue Mobilität.

Wann wird die Fahrerlaubnis entzogen?


Einem Autofahrer kann die Fahrerlaubnis entzogen werden, weil er zum Beispiel sein Punktekonto in Flensburg überzogen hat oder beim Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand. Im Gegensatz zu einem zeitlich begrenzten Fahrverbot wird ihm dann die Fahrerlaubnis ganz entzogen und der Führerschein eingezogen. Er kann zwar eine neue Fahrerlaubnis beantragen – meist jedoch erst nach Abwarten einer Sperrfrist und oft mit der Auflage, vorher eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) zu bestehen.

Was gibt es für Angebote aus dem Ausland?


Diverse Anbieter - oft Fahrschulen - werben damit, dass deutsche Verkehrssünder im Ausland – etwa in Polen, Ungarn, Tschechien oder Großbritannien – einen Führerschein beantragen können. Dieser soll dann in Deutschland bei Verkehrskontrollen akzeptiert werden. Zum Teil werden Kurse in ausländischen Fahrschulen mit tageweisen Auslandsaufenthalten angeboten, zum Teil soll aber auch der komplette Vorgang als reiner Führerscheinkauf online abgewickelt werden.

Darf ich mit dem EU-Führerschein in Deutschland fahren?


Grundsätzlich erkennen die Staaten der EU ihre Führerscheine untereinander an. Der große Haken: Alle EU-Staaten dürfen Führerscheine nur an Personen ausstellen, die ihren Wohnsitz im betreffenden Staat haben. Viele der einschlägigen Anbieter haben Konzepte entwickelt, um diese Einschränkung zu umgehen – etwa durch ein paar Tage oder Wochen Urlaub vor Ort, durch eine bei der Fahrschule eingerichtete Briefkastenadresse oder sogar durch den lapidaren Hinweis darauf, dass im betreffenden Land kein Melderegister existiert.

Die Realität ist: Als ordentlicher Wohnsitz gilt nur ein Ort, an dem man mindestens 185 Tage im Kalenderjahr wirklich wohnt. Dies steht in einer EU-Vorschrift (Richtlinie 91/439/EWG). Die gleiche Richtlinie besagt auch: Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen ist, dass im anderen EU-Land eine Prüfung stattgefunden hat, um die Fahreignung festzustellen. Die entsprechende deutsche Regelung findet sich in § 7 und § 28 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV).

Also noch einmal ganz deutlich: Ein Scheinwohnsitz reicht nicht aus. Solche Konstruktionen sind NICHT legal. Sie beruhen lediglich auf der Hoffnung, dass die deutschen Behörden nichts merken. Diese kennen aber schon längst die entsprechenden Methoden.

Urteil von 2020: Scheinwohnsitz in Tschechien


Ein Mann mit ununterbrochenem Hauptwohnsitz in Deutschland war eine Zeitlang zusätzlich in Tschechien gemeldet gewesen. Während dieser Zeit hatte er dort eine Fahrprüfung abgelegt und den tschechischen Führerschein erworben. Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt fragte bei der tschechischen Behörde nach, ob er tatsächlich in Tschechien gelebt habe. Die Tschechen konnten dafür keine Hinweise finden - weder eine Arbeitsstelle, noch Familie oder irgendwelche Bindungen. Die zuständige Führerscheinstelle seines deutschen Landkreises entschied daher, dass der tschechische Führerschein den Mann nicht zum Fahren in Deutschland berechtigte.

Das Verwaltungsgericht Koblenz betonte: Wenn sich aus Informationen aus dem Ausstellerstaat oder dem Führerschein selbst ergebe, dass der Inhaber seinen Wohnsitz zum Ausstellungszeitpunkt in Deutschland hatte, sei der ausländische Führerschein hierzulande nicht gültig. Genau diese Regelung findet sich auch in § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV.

Für eine solche Entscheidung der Behörde reiche aus, dass die bloße Möglichkeit bestehe, dass die Wohnsitzregel missachtet worden sei. Dies sei der Fall, wenn es Hinweise für einen nur kurzen Auslandsaufenthalt gebe. Das Gericht bestätigte die Ungültigkeit des ausländischen Führerscheins (Beschluss vom 3.3.2020, Az. 4 L 158/20.KO).

Urteil: Führerschein-Urlaub in Polen


Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kann einem Deutschen eine polnische Fahrerlaubnis aberkannt werden, wenn bei deren Ausstellung die Wohnsitzerfordernis nicht beachtet wurde. Ein Gericht könne dabei auf Behördeninformationen aus dem Ausland zurückgreifen. Hier ergab sich aus der polnischen Meldebestätigung, dass der Betreffende die 185 Tage nicht eingehalten hatte. Die theoretische Möglichkeit, dass sich jemand auch ohne behördliche Anmeldung ausreichend lange in dem anderen Staat aufgehalten habe, reiche für die Anerkennung des Führerscheins nicht aus (30.5.2013, Az. 3 C 18.12).

Was sagt der Europäische Gerichtshof?


Nach einer Entscheidung des EuGH müssen offensichtlich missbräuchlich erworbene Führerscheine, bei denen zum Beispiel die Wohnsitzregel umgangen wurde, nicht international anerkannt werden (26.6.2008, Az. C-329/06 und C-334/06).

Wohnsitzregel beachtet: Weitere Hindernisse


Auch bei einer Beachtung der Wohnsitzregel ist der ausländische Führerschein in Deutschland nach § 28 Abs. 4 FeV unter anderem in den folgenden Fällen nicht gültig:

Bei Personen,

- denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist,
- denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben,
- denen auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf,
- solange sie im Inland, in dem Staat, der die Fahrerlaubnis erteilt hatte, oder in dem Staat, in dem sie ihren ordentlichen Wohnsitz haben, einem Fahrverbot unterliegen,
- wenn der Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung beschlagnahmt, sichergestellt oder in Verwahrung genommen ist,
- die zum Zeitpunkt des Erwerbs der ausländischen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis waren.

Führerschein kaufen - ganz einfach!


Verschiedene Anbieter werben auf ihren Internetseiten in meist leicht fehlerhaftem Deutsch damit, dass man doch einfach einen Führerschein bei ihnen kaufen könne. Genauer: Man überweist Geld (meist vierstellig) und bekommt dann per DHL einen Führerschein, den der betreffende Anbieter selbst hergestellt hat (!). Manche Anbieter bieten auch gleich Reisepässe dazu an. Geworben wird mit jahrelanger Erfahrung und Zusammenarbeit mit Behörden.

Realität ist: In keinem EU-Land kann ein Führerschein ohne Fahrprüfung ausgestellt werden. Hier handelt es sich um Fälschungen. Dass diese nicht legaler werden, nur weil der Fälscher viel Erfahrung hat, sollte jedem klar sein.

Wie mache ich mich strafbar?


Wer mit einem ungültigen oder gefälschten Führerschein fährt, kann sich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar machen. Diese Straftat wird nach § 21 Straßenverkehrsgesetz (STVG) mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Wer einen gefälschten Führerschein vorzeigt, macht sich unter Umständen zusätzlich wegen Urkundenfälschung strafbar. Nach § 267 Strafgesetzbuch (StGB) steht nämlich auch der Gebrauch gefälschter Urkunden unter Strafe. Hier droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

Praxistipp


Immer noch ist der Führerscheintourismus nicht ausgestorben. Hinzu kommen neue Anbieter, die schlicht Führerscheine verkaufen. Wer mit zweifelhaften Dokumenten unterwegs ist, läuft jedoch Gefahr, sich strafbar zu machen. Ein Fachanwalt für Strafrecht kann nähere Fragen zum Thema beantworten.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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