Facebook-Konto gesperrt: Ist das zulässig und was kann man dagegen tun?
30.07.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (2766 mal gelesen)

Ein neues Gerichtsurteil untersagt Facebook, ohne Vorwarnung Nutzerkonten zu sperren. Wann sperrt Facebook überhaupt Nutzerkonten, und welche Möglichkeiten haben Nutzer in diesem Fall dagegen vorzugehen?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was besagen die Facebook Gemeinschaftsstandards? Was kann man generell gegen eine Kontensperrung tun? Was hat der Bundesgerichtshof 2021 zur Kontensperrung entschieden? Welche Folgen hat das Urteil? Praxistipp Was besagen die Facebook Gemeinschaftsstandards?
Die Gemeinschaftsstandards sind ein Regelwerk mit insgesamt sechs Kapiteln, welches viele Nutzer vermutlich nie gelesen haben. Sie zielen darauf ab, für alle Nutzer einen Platz des friedlichen Meinungsaustausches zu schaffen.
Das erste Kapitel nennt sich "Gewalt und kriminelles Verhalten". Es soll verhindern, dass durch Facebook-Postings Schäden in der Offline-Welt entstehen. Hier behält sich das Netzwerk vor, Beiträge zu entfernen, die zu schweren Gewalttaten anstiften oder diese unterstützen. Dabei soll auch die Ernsthaftigkeit von Drohungen eingeschätzt werden, und eine Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden ist möglich.
Unterbunden werden soll dabei insbesondere die Präsenz von Organisationen oder Personen, die eintreten für
- terroristische Handlungen,
- organisierte Verbreitung von Hass,
- Massenmord (einschließlich Mordversuche) oder Mehrfachmord,
- Menschenhandel,
- organisierte Gewalt oder kriminelle Handlungen.
Ein weiterer Punkt ist das Propagieren und Organisieren von Schaden und Verbrechen. Dazu zählen nicht nur die Aufforderung zu oder Darstellung von Gewalt gegen Menschen, sondern auch die Werbung für gesundheitsschädliche Wundermittel gegen körperliche Beschwerden oder die Werbung für allzu riskante virale Challenges. Genannt werden hier auch Falschdarstellungen im Zusammenhang mit öffentlichen Wahlen.
Im Bereich "Betrug und Täuschung" sind Täuschungsaktionen im Rahmen von Glücksspielbetrug, von Schneeballsystemen, Romatikbetrug, Sozialleistungsbetrug und weiteren Betrugsdelikten genannt.
Außerdem enthalten die Gemeinschaftsstandards auch die Kapitel Sicherheit, anstößige Inhalte, Integrität und Authentizität, Wahrung des geistigen Eigentums sowie inhaltsbezogene Anfragen und Entscheidungen.
Die "Hassrede" gehört zu den anstößigen Inhalten. Gemeint ist damit laut Facebook ein direkter Angriff auf Personen aufgrund von deren ethnischer Zugehörigkeit, nationaler Herkunft, Behinderung, religiöser Zugehörigkeit, Kaste, sexueller Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität oder ernsthafter Erkrankung. Unter Angriff versteht Facebook "gewalttätige oder menschenverachtende Sprache, schädliche Stereotypisierung, Aussagen über Minderwertigkeit, Ausdrücke der Verachtung, der Abscheu oder Ablehnung, Beschimpfungen oder Aufrufe, Personen auszugrenzen oder zu isolieren."
Hervorzuheben ist, dass es hier keine Rolle spielt, ob die jeweilige Äußerung nach den nationalen Gesetzen einzelner Staaten strafbar ist und zum Beispiel in Deutschland den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt.
Was kann man generell gegen eine Kontensperrung tun?
Leichte Regelverstöße haben zunächst eine Warnung zur Folge, die man ernst nehmen sollte. Andernfalls droht eine Sperrung, je nach Schwere des Verstoßes auch auf Dauer. Schwere Verstöße können auch zur sofortigen Sperrung führen.
Ein Verdacht auf Verwendung eines falschen Nutzernamens kann ausgeräumt werden, indem man seine Identität verifiziert. Facebook besteht auf der Verwendung des realen Klarnamens. Einzelheiten - auch zur Änderung des Namens - finden sich in den Facebook Namensrichtlinien.
Ungewöhnliches Anmeldeverhalten kann ebenfalls zur Sperrung führen - etwa die Anmeldung eines Nutzers von mehreren Geräten gleichzeitig oder aus einem anderen Land als gewohnt. Hier kann eine Identifizierung helfen, bei der verschiedene Angaben benötigt werden - etwa die hinterlegte Handynummer oder die Identifikation der auf dem Account gespeicherten Fotos von Freunden.
Nutzer können über ein besonderes Kontaktformular Einspruch gegen eine ihrer Ansicht nach unzulässige oder fälschlich erfolgte Sperrung erheben. Auch hier ist der Klarname, die E-Mail-Adresse und die Identifizierung durch ein offizielles Ausweisdokument erforderlich.
Was hat der Bundesgerichtshof 2021 zur Kontensperrung entschieden?
Bis vor den Bundesgerichtshof waren zwei Nutzer gegangen, deren Konten von Facebook wegen des Vorwurfs einer "Hassrede" gesperrt worden waren.
Facebook hatte diese Posts zeitnah gelöscht. Die Konten der beiden Nutzer wurden für mehrere Tage gesperrt, sodass diese keine weiteren Posts mehr absetzen konnten. Facebook begründete dies mit einem Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards.
Der Bundesgerichtshof (BGH) betonte, dass Facebook grundsätzlich durchaus im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit Gemeinschaftsstandards festlegen dürfe, an die sich alle Nutzer zu halten hätten. Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei eine Abwägung zwischen den gegenseitigen Interessen, hier den betroffenen Grundrechten, vorzunehmen. Dies seien die Meinungsfreiheit der Nutzer auf der einen und die Berufsausübungsfreiheit des Unternehmens auf der anderen Seite.
Ein interessengerechter Ausgleich der kollidierenden Grundrechte und damit die nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Wahrung der Angemessenheit erfordere, dass Facebook sich in seinen Geschäftsbedingungen verpflichte, die jeweiligen Nutzer jedenfalls nachträglich über das Löschen von Posts zu informieren. Außerdem dürfe eine Sperrung des Nutzerkontos nur stattfinden, wenn der Nutzer vorher gewarnt worden sei. Ihm müsse der Grund mitgeteilt werden, er müsse die Gelegenheit zur Rückäußerung und daraufhin eine neue Entscheidung bekommen. Erst dann dürfe die Sperrung erfolgen.
Da die angegriffenen 2018er AGB von Facebook einen solchen Vorgang nicht vorsahen, erklärte das Gericht die entsprechenden Klauseln für unwirksam (Urteile vom 29.7.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20).
Welche Folgen hat das Urteil?
Eine Sperrung, etwa wegen "Hassrede" bleibt möglich, wird jedoch aufwändiger und kann nicht mehr ohne Vorwarnung stattfinden. Facebook muss nach deutschem Recht nun dafür sorgen, dass seine Geschäftsbedingungen ein deutlich umständlicheres Verfahren vorsehen, um Beiträge zu löschen und Nutzer zu sperren.
Inwieweit dieses Urteil tatsächlich Änderungen in den AGB von Facebook zur Folge hat, bleibt jedoch abzuwarten. Nutzer sollten sich nicht darauf verlassen, dass die neue Rechtsprechung nun sofort umgesetzt wird.
Praxistipp
Nutzer, die im Streit mit einer Social Media Plattform liegen, benötigen qualifizierte anwaltliche Unterstützung. Ein Fachanwalt für IT-Recht ist in solchen Fällen der sinnvollste Ansprechpartner.
(Wk)
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