Die wichtigsten Urteile rund ums Motorrad

09.09.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Motorrad,Urteil,Unfall,Motorradkauf Die Gerichte befassen sich häufig mit Fällen zum Thema Motorrad. © Rh - Anwalt-Suchservice

Eine Reihe von Gerichtsurteilen der letzten Jahre befassen sich mit dem Thema "Motorrad". Hier fassen wir für Motorradfans interessante Gerichtsentscheidungen zusammen.

Kauf und Verkauf einer gebrauchten Maschine

Wie viele Vorbesitzer hat die Maschine?


Nach langer Suche hatte ein Motorradkäufer auf Ebay seine Traummaschine entdeckt: Eine gebrauchte Triumph Street Triple aus erster Hand, Kostenpunkt etwa 5.100 Euro. Der private Verkäufer gab auf der Auktionsseite und auch im Kaufvertrag an, dass die Maschine "0 Vorbesitzer" habe. Der Käufer schloss daraus, dass der Mann die Maschine neu erworben hatte. Er stellte erst auf der Zulassungsstelle fest, dass die Maschine in Italien einen weiteren Vorbesitzer gehabt hatte.
Die Zulassungsstelle ihrerseits stellte fest, dass die Papiere in Italien gestohlen waren. Offenbar war das Motorrad eine sogenannte "Dublette". Die Behörde rief die Polizei. Diese nahm das Bike mit. Später stellte sich heraus, dass es der Verkäufer für 3.800 Euro gebraucht gekauft hatte.
Der erboste Käufer wollte den Kaufvertrag anfechten. Das Landgericht Karlsruhe sah in der falschen Angabe zur Anzahl der Vorbesitzer einen ausreichenden Grund für eine Anfechtung. Hier handle es sich um eine arglistige Täuschung. Der Verkäufer hatte zwar später eingewandt, dass er nur die Anzahl der Vorbesitzer in Deutschland gemeint habe. Diese Ausrede erkannte das Gericht jedoch nicht an. Er musste den Kaufpreis zurückzahlen und Schadensersatz für die Transportkosten des Motorrads per Trailer und Mietwagen leisten (LG Karlsruhe, Urteil vom 15. Mai 2013, Az. 6 O 375/12).

Probefahrt ohne Wiederkehr


Was ist der schlimmste Alptraum eines privaten Motorrad-Verkäufers? Dass der Kaufinteressent sich zwecks Probefahrt auf die Maschine setzt, losbraust und nicht mehr wiederkommt. Genau dies erlebte ein Motorradfahrer aus Köln. Er hatte einen Kaufinteressenten mit seiner BMW R 1200 GS auf Probefahrt geschickt. Dieser stellte seine eigene Yamaha FJ 1100 beim Verkäufer vor die Tür und fuhr mit der BMW ab. Allerdings kam er nie wieder. Die Yamaha war erst kurz zuvor als Bastlerfahrzeug für 600 Euro gekauft worden. Sie trug noch die Nummernschilder des Vorbesitzers.
Die Teilkasko-Versicherung des Verkäufers zahlte nicht. Sie sah es als grob fahrlässig an, dass er einfach einem Unbekannten sein Motorrad überlassen hatte. Das Oberlandesgericht Köln sah dies anders. Der Mann habe dem Kaufinteressenten seine Maschine ohne KfZ-Schein zur Probefahrt übergeben. Es sei abgesprochen gewesen, dass diese nur in nächster Umgebung stattfinden solle. Zwar habe er sich keinen Ausweis zeigen lassen und auch keine Kaution verlangt. Aber: Wegen der zurückgelassenen, durchaus gepflegt aussehenden Yamaha habe er davon ausgehen dürfen, dass er den Kaufinteressenten im Notfall ermitteln könne und dass eine Sicherheit vorhanden sei. Die Versicherung musste über 10.000 Euro zahlen (OLG Köln, Urteil vom 22.7.2008, Az. 9 U 188/07).

Wichtig: Diesen Fall deckt nicht jede Kaskoversicherung ab. Übergibt man das Fahrzeug freiwillig jemandem, der es dann nicht zurückgibt, handelt es sich rechtlich gesehen nicht um einen Diebstahl, sondern um eine Unterschlagung. Diese ist nicht in jedem Vertrag mitversichert.

Wann liegt ein Sachmangel vor?


Ein Sachmangel besteht, wenn die Maschine bei der Übergabe an den Käufer eine andere Beschaffenheit hatte als vereinbart, oder Fehler hatte, die ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Der Käufer hat jedoch keine Rechte, wenn er die Mängel kannte – oder wenn es sich um normale Verschleißerscheinungen handelt. Darum wurde vor dem Landgericht Kassel gestritten. Eine gebraucht gekaufte, neun Jahre alte Maschine hatte viele Probleme gemacht, von denen der Verkäufer aber einige auf die Reklamation des Käufers hin in Ordnung gebracht hatte. Was blieb, waren ein außergewöhnlich hoher Ölverbrauch und schwarzer Qualm aus dem Auspuff beim Beschleunigen. Schließlich verursachte ein durchgebranntes Auslassventil einen Motorschaden. Die Ursache für Qualm und Ölverbrauch waren offenbar Verschleißerscheinungen an Ventilschaftdichtungen und Kolbenringen, die ein Gutachter für altersentsprechend hielt. Die Ursache für das durchgebrannte Auslassventil war nicht feststellbar. Damit sah das Gericht hier nur normalen Verschleiß als bewiesen an und wies die Klage ab (LG Kassel, Urteil vom 26. Februar 2009, Az. 5 O 535/07).

Oldtimer-Probleme

Wann hat ein verkleinertes Kennzeichen Bestandsschutz?


Einem Oldtimerfan gehörte ein 1960er-Oldtimer-Motorrad aus DDR-Zeiten. Bei der Zulassungsstelle beantragte er, ihm ein Kennzeichen zu erteilen, das statt 205 x 200 mm die Maße 255 x 130 mm haben sollte. Diese Kennzeichengröße hatte einst der VEB Industriewerke Ludwigsfelde als Hersteller der Maschine vorgegeben – und das moderne Format sah an dem alten Motorrad eher seltsam aus. Der Motorradfahrer gab als Gründe auch an, dass die 6-Volt-Anlage des Oldtimers ein größeres Nummernschild gar nicht richtig beleuchten könne und dass das größere Kennzeichenschild unter Umständen auf der Straße aufsetze. Die Zulassungsstelle jedoch wies auf heutige Vorschriften hin. Es existiere kein Bestandsschutz für die Kennzeichen-Formate der alten DDR. Vor dem Verwaltungsgericht Berlin gewann der Motorradfahrer: Zwar gibt es dem Gericht zufolge keinen generellen Bestandsschutz. Trotzdem muss aber in jedem Einzelfall geprüft werden, ob das kleinere Kennzeichen im Sinne der Verkehrssicherheit sinnvoll ist - ein pauschales "nein" kommt nicht in Frage (VG Berlin, Urteil vom 2. Mai 2011, Az. 11 K 494.09).

Was nützen Zusicherungen bei Ebay, wenn der Verkäufer die Haftung ausschließt?


Private Verkäufer dürfen die Gewährleistung für eine verkaufte Maschine komplett ausschließen. Dies ist auch auf Ebay üblich. Auch ein Verkäufer einer BMW R 61 von 1939 hatte dies getan. Auf seiner Angebotsseite gab es eine Beschreibung der Maschine mit Zusicherungen wie "komplett restauriert" und "zum größten Teil original, bzw. mit BMW Nachbauteilen restauriert". Als die Maschine verkauft war, machte der Käufer jedoch Ansprüche aus Sachmängelhaftung geltend: Die Maschine sei mit nicht originalen Teilen und nicht fachmännisch restauriert worden und das Ganze so mangelhaft, dass sie nie TÜV bekommen würde. Der Verkäufer verwies auf seinen Haftungsausschluss.
Das Gericht sah die Beschreibung auf Ebay als verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung an. Diese werde von dem Gewährleistungsausschluss nicht berührt. Die Zusicherung "komplett restauriert" müsse man so verstehen, dass sich das Fahrzeug in einem Restaurierungszustand mittlerer Art und Güte befinde. Es müsse fahrbereit und frei von wesentlichen technischen und optischen Mängeln sein. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Zwar könne nicht vorausgesetzt werden, dass ein "restaurierter" Oldtimer sofort TÜV bekomme. Trotzdem sei hier der Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag gerechtfertigt (LG Aachen, Urteil vom 6.3.2008, Az. 1 O 656/06).

Unfall und Schadensersatz

Bekommt man auch für eine Harley eine Nutzungsausfall-Entschädigung?


Wer ohne eigene Schuld einen Unfall hat, kann in der Regel statt der Kosten für einen Mietwagen auch eine Entschädigung für den Nutzungsausfall des beschädigten Fahrzeugs fordern. Bei Motorrädern lehnen dies manche Versicherungen jedoch ab. Denn diese seien keine Alltagsfahrzeuge, auf die der Betreffende angewiesen sei, sondern reine Sport- und Spassgeräte.
Der Bundesgerichtshof hat hier einige Regeln aufgestellt. Es ging dabei um ein Motorrad, das zwar im Sommer bei schönem Wetter als Alltagsfahrzeug auf dem Weg zur Arbeit genutzt wurde. Im Winter und bei Regen nutzte der Besitzer jedoch eine Jahreskarte für den ÖPNV.
Die Aussagen des Urteils lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Für ein Motorrad, das als Zweitfahrzeug neben einem Auto genutzt wird, gibt es keine Nutzungsausfall-Entschädigung.
- Ist das Motorrad jedoch das einzige Fahrzeug, spielt es keine Rolle, ob dieses nur im Sommer genutzt wird. Dann ist der Nutzungsausfall ein ersatzfähiger Schaden. Regentage in der Ausfallzeit werden jedoch abgezogen (Urteil vom 23.1.2018, Az. VI ZR 57/17).

Was, wenn die geparkte Maschine umfällt?


Motorräder wiegen so einiges, und in manchmal fallen sie beim Parken um. So ging es auch einem Motorradfahrer in Rüsselsheim. Dieser hatte sein Bike zwischen geparkten PKW abgestellt. In seiner Abwesenheit kippte es um und verbeulte eines der Autos. Das Amtsgericht Rüsselsheim wies die Schadensersatzklage des Autofahrers jedoch ab: Wenn der Motorradfahrer das Motorrad ordnungsgemäß mit Hilfe des Haupt- oder Seitenständers abstelle, hafte er nicht für ein Umfallen aus ungeklärter Ursache. Die gern herangezogene "Betriebsgefahr", welche jedes Fahrzeug in den Straßenverkehr einbringt, konnte hier nicht zur Begründung eines Anspruches verwendet werden: Ein abgestelltes Fahrzeug ist nun mal nicht in Betrieb (Urteil des AG Rüsselsheim vom 2.7.1999, Az. 3 C 536/99).

Was, wenn der Helm beim Aufprall bricht?


Ein Motorradfahrer war gestürzt und mit dem Kopf gegen eine Straßenlaterne geprallt. Er erlitt erhebliche Kopfverletzungen. Sein Helm war bei dem Aufprall gebrochen. Er verklagte den Importeur des einige Monate zuvor gekauften Helms. Dieser war nach der Norm ECE 22.05 zertifiziert und hätte nach seiner Ansicht nicht brechen dürfen.
Das Oberlandesgericht Brandenburg jedoch wies seine Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld ab. Dass ein Helm bei einem solchen Unfall breche, sei kein Grund, von mangelnder Qualität auszugehen. Der Helm habe seine Aufgabe erfüllt und den Schaden möglichst klein gehalten. Helme dürfen auch bei der Prüfung zur Typzulassung nach ECE 22.05 brechen – sie dürften nur keine scharfen Bruchkanten haben. Hier sei dem Hersteller bzw. Importeur kein Vorwurf zu machen (OLG Brandenburg, Urteil vom 14.12.2015, Az. 1 U 8/13).

Führt Motorradfahren im Pulk zum Haftungsausschluss?


Vier Motorradfahrer waren als Gruppe auf einer Landstraße unterwegs. Sie fuhren dicht hintereinander. Der erste kollidierte in einer Kurve mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Der zweite stürzte, dann kam auch der dritte zu Fall. Dem vierten gelang ein Slalom zwischen den liegenden und rutschenden Maschinen hindurch und er stürzte nicht. Nun verklagte der zweite Fahrer den dritten, weil dieser wegen zu geringen Sicherheitsabstandes auf ihn aufgefahren sei.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab. Die vier Motorradfahrer seien im Pulk gefahren. Deshalb müsse man davon ausgehen, dass sie stillschweigend vereinbart hätten, sich nicht an die Regeln hinsichtlich des Sicherheitsabstandes zu halten. Damit liege auch ein stillschweigender Haftungsausschluss für Unfälle infolge dieser Regelverletzung vor (OLG Frankfurt am Main, 18.8.2015, Az. 22 U 39/14).

Fußgänger läuft auf die Straße - wer haftet?


Eine Fußgängerin überquerte morgens die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten. Sie wurde von einer Motorradfahrerin angefahren, die mit 55 km/h unterwegs war und nicht rechtzeitig bremsen konnte. Die Fußgängerin wurde schwer verletzt.
Das Oberlandesgericht Hamm entschied: Der Motorradfahrerin sei eine Geschwindigkeitsübertretung um 5 km/h anzulasten. Sie habe die Pflicht gehabt, sofort bei Betreten der Straße durch die Fußgängerin die Geschwindigkeit zu reduzieren. Dann hätte sich der Unfall auch vermeiden lassen.
Aber: Die Fußgängerin hafte mit einem überwiegenden Anteil von 2/3 mit. Denn: Sie habe die Straße überquert, ohne auf den Verkehr zu achten. Dies wiege schwerer als der Regelverstoß der Motorradfahrerin (Urteil vom 6.4.2017, Az. 6 U 2/16).

Beschlagnahme durch Polizei

Beschlagnahme von Rocker-Motorrädern


Nach dem Vereinsverbot des deutschen Ablegers des Rockerclubs Bandidos MC hatte es bei einem der Mitglieder eine Hausdurchsuchung gegeben. Dabei wurden von der Polizei zwei Motorräder der Marke Harley-Davidson beschlagnahmt. Deren Eigentümer wehrte sich gerichtlich gegen die Sicherstellungsverfügung und verlangte die Herausgabe der Maschinen.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage jedoch ab. Der Hauseigentümer sei nicht nur ein Mitglied des verbotenen Club-Zweiges gewesen, sondern ein ranghoher Anführer. Dies sei auch an seinen Kutten zu erkennen gewesen. Die Motorräder stellten Vereinsvermögen dar und seien für Vereinszwecke genutzt worden. Vereinsvermögen eines verbotenen Vereins dürfe beschlagnahmt werden (Urteil vom 18.1.2022, Az. 6 K 1767/21).

Praxistipp zum Thema Motorrad und Recht


Im Zusammenhang mit dem Motorradfahren kommt es immer wieder auch zu Rechtsproblemen. Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht kennt sich aus und kann Sie fachkundig beraten.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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