Nachbarschaftsstreit II: Wegerecht und Grundstücksgrenze

13.12.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (6727 mal gelesen)
Wegerecht,Notweg,Nachbar,Grundstücksgrenze Grundstücksgrenzen und Zufahrten sorgen nicht selten für Streit unter Nachbarn. © Ma - Anwalt-Suchservice

Unter Nachbarn gibt es oft Streit - aus den verschiedensten Gründen. Häufige Themen sind die Nutzung von Wegen über ein fremdes Grundstück und der genaue Verlauf der Grundstücksgrenzen.

Manchmal kommt es vor, dass jemand aus irgendwelchen Gründen sein Grundstück oder seine Garage nur über das Grundstück eines Nachbarn erreichen kann. Hilfreich ist dann ein sogenanntes Wegerecht. Ein Wegerecht berechtigt einen Grundstückseigentümer dazu, sein eigenes Grundstück über das Grundstück eines Nachbarn zu betreten oder anzufahren. Grundlage für dieses Recht kann eine vertragliche Vereinbarung sein. Probleme gibt es meist dann, wenn das Grundstück, über das der Weg führt, verkauft wird. Eine mögliche Abhilfe besteht darin, das Wegerecht als sogenannte Grunddienstbarkeit im Grundbuch eintragen zu lassen. Dann handelt es sich um eine Grundstücksbelastung. Möglich ist auch die Eintragung als sogenannte „Baulast“. Diese findet vorwiegend dann statt, wenn eine Gemeinde sich ein Wegerecht an einem privaten Grundstück sichern will.

Was ist bei einer Garage ohne Zufahrt zu beachten?


Der Bundesgerichtshof musste sich mit einer nicht wirklich durchdachten Grunddienstbarkeit beschäftigen. Dabei ging es um einen Grundstückseigentümer, der eine Garage gebaut hatte. Diese ragte ein Stück weit auf das Nachbargrundstück hinüber. Auch die Zufahrt zur Garage lag zum Teil auf fremden Grund.
Zum Nachbarn herrschte ein gutes Verhältnis und dieser hatte nichts dagegen. Er ließ im Grundbuch sogar eine Belastung seines Grundstückes mit einer entsprechenden Dienstbarkeit eintragen. Darin wurde festgehalten, dass der Überbau über die Grenze geduldet werde. Dann verkaufte der Nachbar jedoch sein Grundstück. Der neue Eigentümer war weniger großzügig und verbot dem Garagenbesitzer umgehend, sein Grundstück zu befahren.

Der Bundesgerichtshof stellte sich auf die Seite des Grundstückskäufers: Das im Grundbuch eingetragene Recht führe lediglich dazu, dass er den Überbau dulden müsse. Es sei darin jedoch keine Rede von Autoverkehr auf seinem Grundstück. Auch lägen hier nicht die Voraussetzungen für ein sogenanntes Notwegerecht vor. Das Ergebnis: Die Garage blieb ohne Zufahrt und konnte nicht für das Auto genutzt werden (Urteil vom 15.11.2013, Az. V ZR 24/13).

Was ist ein Notwegerecht?


Eine Variante des Wegerechts ist das Notwegerecht. Darauf kann man unter Umständen auch ohne vertragliche Vereinbarung einen Rechtsanspruch haben. Zu einem solchen Anspruch kann es kommen, wenn die nächste öffentliche Straße nur über ein anderes Grundstück erreichbar ist. In diesem Fall kann der Eigentümer des ansonsten nicht erreichbaren Grundstücks von seinem Nachbarn verlangen, dass dieser einen Notweg über sein Grundstück duldet – jedenfalls, bis das Problem auf andere Art gelöst werden kann. Dem Eigentümer des Grundstücks, über das der Notweg verläuft, räumt das Bürgerliche Gesetzbuch einen Anspruch auf die jährliche Zahlung einer Entschädigung ein (§ 917 BGB). Naturgemäß sind solche Notwegerechte besonders oft ein Grund für Streit unter Nachbarn.

Wann muss ein Notwegerecht eingeräumt werden?


Als Grundstückseigentümer muss man seinem Nachbarn ein Notwegerecht einräumen, wenn dessen Grundstück keine andere Zugangsmöglichkeit zur öffentlichen Straße hat. Nach dem Bundesgerichtshof bedeutet eine ordnungsgemäße Grundstücksnutzung bei einem Wohngrundstück auch die Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug – schon, um Müll entsorgen zu können, Brennstoffe anzuliefern oder sperrige Güter zu transportieren. So hat der Bundesgerichtshof auch schon 2008 entschieden (Urteil vom 12.12.2008, Az. V ZR 106/07).

Allerdings muss der Nachbar dem Berechtigten keinen direkten Weg bis vor dessen Haustür ermöglichen. Ausreichend ist es, wenn es möglich ist, an das Grundstück heranzufahren und sperrige Gegenstände in zumutbarer Weise zum Haus zu transportieren. Sobald dies auch auf andere Weise möglich ist, ist kein Raum mehr für ein Notwegerecht. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof auch 2016 wiederholt (Urteil vom 22.1.2016, Az. V ZR 116/15).

Nicht erlauben muss der Nachbar, dass fremde PKW auf seinem Grundstück parken. Wenn ein anderer Weg vorhanden ist, der lediglich umständlicher oder unbequemer ist, braucht der Nachbar kein Wegerecht einzuräumen. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg hervor (Urteil vom 30.10.2008, Az. 5 U 131/07). Auch muss der Wegeberechtigte bestimmte Einschränkungen hinnehmen, etwa wenn der Nachbar verlangt, dass bei jedem Befahren seines Grundstücks ein Tor geöffnet oder geschlossen wird.

Verschmutzung des Notweges: Wer muss fegen?


Vereinbart man unter Nachbarn ein Wegerecht, sollte man immer genau festlegen, was geduldet werden muss und was nicht. Dies zeigt ein Verfahren, das vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. stattfand: In diesem Fall hatte ein Grundstückseigentümer ein Wegerecht am Grundstück seines Nachbarn. Nach Weihnachten hatte er den Notweg benutzt, um seinen Weihnachtsbaum zu entsorgen. Dabei hinterließ er eine deutliche Nadelspur über das mit dem Wegerecht belastete Grundstück. Daraufhin verklagte ihn dessen Eigentümer auf wöchentliches Kehren des Weges. Vor Gericht kam er damit jedoch nicht durch. Nach Ansicht des Gerichts beinhaltet ein Wegerecht keine Kehrpflicht auf fremdem Grund. Aber: Bei besonders intensiven Verschmutzungen könne der Nachbar im Einzelfall verlangen, dass der Wegeberechtigte zum Besen greift (Urteil vom 1.6.2010, Az. 19 U 273/08).

Streit um die Grundstücksgrenze: Der Grenzverlauf


Wenn sich zwei Nachbarn überhaupt nicht über den Verlauf einer Grundstücksgrenze einigen können und es auch keine offiziellen Unterlagen dazu gibt, ist der Streit vorprogrammiert. Für diesen Fall gibt es eine besondere Vorschrift, nämlich § 920 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dieser besagt: Wenn keiner der beiden Nachbarn beweisen kann, wo genau die Grenze verläuft, handelt es sich um eine sogenannte „Grenzverwirrung“. Für die Abgrenzung ist dann zunächst der Besitzstand maßgeblich. Im Klartext: Die Grundstücke werden so aufgeteilt, wie sie von den Eigentümern bisher tatsächlich genutzt wurden. Wenn der Besitzstand nicht ermittelt werden kann, wird jedem der Grundstücke ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zugeteilt.

Kommen dabei ungerechte Ergebnisse heraus, ist die Grenze so zu ziehen, wie es der „Billigkeit“ entspricht. Dieser Begriff ist natürlich nicht wirklich hilfreich.
Zum Beispiel hatten vor dem OLG Hamm zwei Nachbarn über den Verlauf ihrer Grundstücksgrenze gestritten. Zuletzt offiziell vermessen worden war diese im Jahr 1825. Nun waren beide gegen eine Anwendung der Regeln über die „Grenzverwirrung“. Das Gericht legte trotzdem die Grundstücksgrenze in dem Verlauf fest, wie sie seit 30 Jahren von den beiden gehandhabt worden war. Das Gericht sah auch eine auf diesem Grenzverlauf stehende Hecke als Indiz für eine über einen längeren Zeitraum von beiden Nachbarn akzeptierte Grundstücksgrenze an (Urteil vom 24.11.2011, Az. I-5 U 132/10).

Praxistipp


Das Nachbarrecht ist ein großer Bereich, jedoch kein eigenes Rechtsgebiet. Es sorgt häufig für Streitigkeiten. Kommt es einmal zum Streit mit einem Nachbarn über Wegerechte oder Grundstücksgrenzen, kann ein im Zivilrecht erfahrener Rechtsanwalt Ihnen helfen, die Situation zu klären.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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