Wie beantragt man einen Erbschein?

01.08.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (1206 mal gelesen)
Erbschein,Antrag,Nachlass,Erben Ob man einen Erbschein beantragt, sollte gut überlegt sein. © Rh - Anwalt-Suchservice

Mit einem Erbschein lässt sich nachweisen, dass man Erbe ist. Man braucht ihn zum Beispiel, um ein Grundstück umzuschreiben. Aber: Wie und wo beantragt man ihn? Und was kostet ein Erbschein?

Ein Erbschein ist für Erben ein wichtiges Dokument. Aus ihm ergibt sich, dass man Erbe eines Verstorbenen geworden ist. Wenn mehrere Erben vorhanden sind, kann man auch seinen Erbanteil aus dem Erbschein ersehen. Auf der anderen Seite verursacht ein Erbschein aber auch Kosten. Gerichtsurteilen zufolge benötigt man ihn heute nicht mehr in allen Fällen zwingend. So müssen zum Beispiel Banken auch andere Nachweise akzeptieren, etwa ein nachweislich vom Nachlassgericht eröffnetes Testament. Nach wie vor verlangt allerdings das Grundbuchamt meist die Vorlage eines Erbscheins, um den Erben als neuen Eigentümer einer geerbten Immobilie im Grundbuch einzutragen.

Erbschein beantragen: Was muss ich tun?


Den Antrag auf einen Erbschein stellt man beim Nachlassgericht. Dies ist eine Abteilung des örtlichen Amtsgerichts. Zuständig ist das Gericht am letzten Wohnort des Verstorbenen. Der Antrag kann mündlich oder schriftlich gestellt werden. Mündliche Anträge nimmt die Geschäftsstelle des Gerichts zu Protokoll. Ebenso können sich Erben an einen Notar wenden, der den ganzen Vorgang für sie erledigt.
Man muss Erbe sein, um einen Erbschein zu beantragen. Wer testamentarisch enterbt worden ist, ist nicht antragsberechtigt.

Welche Unterlagen brauche ich für den Antrag?


Der Erbschein nennt nicht nur den Antragsteller, sondern führt auch die anderen Erben mit ihren Erbanteilen auf. Deswegen muss das Gericht aus dem Erbscheinantrag ersehen können,

- welche Personen Erben geworden sind und
- in welchem Verhältnis diese zueinander stehen.
- Der Antragsteller muss seinen Personalausweis vorlegen und
- mit der Sterbeurkunde den Erbfall nachweisen.

Auch muss der oder die Betreffende beim Antrag das Testament oder den Erbvertrag im Original oder auch als beglaubigte Abschrift vorlegen.

Für gesetzliche Erben ohne Testament ist die Beantragung eines Erbscheins aufwändiger. Zum Beispiel müssen Kinder des Verstorbenen eine Geburtsurkunde vorlegen, um das Verwandtschaftsverhältnis zu beweisen. Wenn der Antragsteller ein Ehegatte ist, ist die Heiratsurkunde nötig. Beerben Enkelkinder, deren Eltern bereits verstorben sind, ihre Großeltern, haben sie die Geburts- und Sterbeurkunden der Eltern (also der Kinder des Erblassers) vorzulegen.

Zusätzlich sollte der Antragsteller auch die Anschriften aller anderen Erben bereithalten.

Was kostet die Beantragung eines Erbscheins?


Dies regelt das Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG). Danach fällt für die Erstellung des Erbscheins eine Einzelgebühr an, deren Höhe sich nach dem Nachlasswert richtet.

Bei der Ermittlung der Erbscheingebühr helfen die Tabellen im Anhang des Gesetzes (Tabelle B, Anlage 2).

Beispiele:
Nachlasswert: 50.000 Euro – Einzelgebühr: 165 Euro.
Nachlasswert 200.000 Euro – Einzelgebühr: 435 Euro.
Nachlasswert: 500.000 Euro – Einzelgebühr: 935 Euro.

Es bleibt jedoch meist nicht bei diesem Betrag. Der Antragsteller muss nämlich in der Regel mit einer eidesstattlichen Versicherung bestätigen, dass seine Angaben stimmen und dass er nichts von irgendwelchen Umständen weiß, die Einfluss auf das Erbe haben könnten. Für die eidesstattliche Erklärung fällt eine weitere Einzelgebühr an. Dadurch verdoppeln sich die genannten Beträge.

Gehört eine Immobilie bzw. ein Grundstück zum Nachlass, wird es schnell richtig teuer. Dann fallen entsprechend höhere Gebühren für den Erbschein an. Als Wert des Grundstücks wird meist der Verkehrswert, also der tatsächliche Marktwert, verwendet.

Schaltet man einen Notar ein, muss dieser (anders als das Nachlassgericht) auf seine Gebühr zusätzlich die Mehrwertsteuer aufschlagen.

Wer trägt die Kosten für den Erbschein?


Die Gebühren für den Erbschein muss immer der jeweilige Antragsteller tragen. Beantragen alle Mitglieder einer Erbengemeinschaft zusammen einen gemeinschaftlichen Erbschein, haben sich auch alle an den Kosten zu beteiligen.

Wie lange dauert es, bis man den Erbschein bekommt?


Dies ist von der Arbeitsbelastung des Gerichts abhängig. Möglich sind einige Tage bis mehrere Monate.

Wer beantragt den Erbschein in einer Erbengemeinschaft?


Wenn es mehrere Erben gibt, entsteht eine Erbengemeinschaft. Dann gibt es drei Möglichkeiten:

1. Jeder einzelne Erbe kann für sich einen Teilerbschein über seinen Erbteil beantragen.
2. Alle Erben gemeinsam können einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen.
3. Ein einzelner Erbe kann nach § 352a FamFG einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen.

Was muss man zum gemeinschaftlichen Erbschein wissen?


Aus diesem ergibt sich, was der Antragsteller selbst und die anderen geerbt haben, und mit welchen Erbquoten. Auf eine Angabe der Quoten bzw. Erbteile kann verzichtet werden, wenn alle Antragsteller dem im Antrag zustimmen.

Will ein einzelner Erbe einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen, benötigt er dazu nicht die Erlaubnis der anderen Erben. Wenn nicht alle Erben den Antrag gemeinsam stellen, muss der Erbschein die Angabe enthalten, dass die übrigen Erben die Erbschaft angenommen haben.

Im Normalfall wird davon ausgegangen, dass ein Erbe, der einen Erbschein beantragt, damit die Erbschaft annimmt. Da hier jedoch nur einer für die anderen handelt, verlangt der Gesetzgeber klare Verhältnisse hinsichtlich der Annahme der Erbschaft.

Eine eidesstattliche Versicherung zur Richtigkeit der Angaben müssen alle abgeben, nicht nur der eigentliche Antragsteller - es sei denn, das Nachlassgericht hält dies für nicht erforderlich.

Internationales Erben: Was ist das Europäische Nachlasszeugnis?


2015 wurde für Erbfälle mit Auslandsbezug das Europäische Nachlasszeugnis eingeführt. Dieses hat eine ähnliche Funktion wie ein Erbschein. Es wird aber in allen EU-Staaten anerkannt, was bei nationalen Erbscheinen nicht so ohne Weiteres der Fall ist.

Für das Nachlasszeugnis gelten andere Regeln als für den Erbschein. Beantragen kann man es entweder bei dem Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder bei einem Gericht des Staates, dessen Recht der Erblasser als maßgeblich für seinen Nachlass ausgewählt hat. Letzteres ist wichtig: Wer Vermögen in mehreren EU-Staaten hat, kann in seinem Testament selbst bestimmen, ob sein Nachlass zum Beispiel nach deutschem oder spanischem Recht abgewickelt wird. Ohne eine solche Regelung wird das Recht des Landes angewendet, in dem sich die jeweiligen Nachlassgegenstände befinden – und das kann recht kompliziert werden. Auch können testamentarische Regelungen nach ausländischem Recht ungültig sein, sodass die ausländische gesetzliche Erbfolge zur Anwendung kommt. Ein Nachlasszeugnis kann auch bei einem Notar beantragt werden.

Praxistipp zum Erbscheinantrag


Durch die Beantragung eines Erbscheins nehmen Sie das Erbe an. Eine Erbausschlagung wegen Schulden des Erblassers ist dann nicht mehr möglich. Informieren Sie sich daher unbedingt vor dem Antrag darüber, was zum Nachlass gehört und ob der Erblasser vielleicht Verbindlichkeiten hatte. Denn: Als Erbe erben Sie alles – auch die Schulden. Fragen zum Erbschein kann Ihnen ein Fachanwalt für Erbrecht beantworten.

(Bu)


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 Stephan Buch
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