Untätigkeit im Homeoffice: Wann ist eine Lohnkürzung zulässig?

26.01.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Homeoffice,Lohnkürzung,Arbeitgeber,Arbeitsvertrag Müssen Homeoffice-Beschäftigte mit Gehaltskürzungen wegen Untätigkeit rechnen? © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Lohnkürzung: Auch für die Arbeit im Homeoffice gilt die Grundregel "Ohne Arbeit kein Lohn". Erbringt ein Arbeitnehmer nicht die volle Arbeitsleistung, kann sein Lohn gekürzt werden.

2. Maßstab für Arbeitsleistung Ein Arbeitnehmer genügt seinen vertraglichen Pflichten, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet.

3. Beweislast: Will der Arbeitgeber den Lohn kürzen, ist er auch bei Tätigkeit seiner Mitarbeiter im Homeoffice in der Beweispflicht, dass diese ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt haben.
Eine Lohnkürzung ist für Arbeitnehmer eine harte Maßnahme. Sie kann einverständlich oder einseitig durch den Arbeitgeber erfolgen, aber nur in ganz bestimmten Fällen. Denn: grundsätzlich regelt der Arbeitsvertrag die gegenseitigen Pflichten. Arbeitnehmer schulden keinen bestimmten Erfolg, sondern nur ihr Tätigwerden. Ihr Gehalt daher wegen schlechter oder zu geringer Leistung zu kürzen, ist für den Arbeitgeber nicht so einfach. Oft kann eine Lohnkürzung erfolgreich vor Gericht angegriffen werden.

Wann darf der Arbeitgeber generell den Arbeitslohn kürzen?


Im Normalfall hat der Arbeitgeber den im Arbeitsvertrag vereinbarten Lohn zu zahlen. Es gibt jedoch einige Ausnahmen. Denn: Ein wichtiger Grundsatz lautet "ohne Arbeit kein Lohn".

Beispiele für Fälle, in denen der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt kürzen darf, sind:

1. Der Arbeitnehmer bekommt ein Grundgehalt zuzüglich erfolgsabhängiger Zahlungen. Er erbringt den gewünschten Erfolg jedoch nicht. Der erfolgsabhängige Lohnbestandteil darf dann gekürzt werden.

2. Der Arbeitnehmer soll jeden Tag eine feste Stundenzahl ableisten. Diese Stundenzahl wird jedoch nicht eingehalten; der Beschäftigte sammelt Minusstunden an. Auch hier ist eine Kürzung um den Lohnanteil für die tatsächlich nicht gearbeiteten Stunden möglich. Gibt es ein Gleitzeitmodell mit einem Arbeitszeitkonto, bei dem Minusstunden durch Überstunden ausgeglichen werden können, müssen diese innerhalb eines arbeitsvertraglich vereinbarten Zeitraums oder zumindest bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses erbracht werden. Kommt es dazu nicht, kann wieder eine Lohnkürzung stattfinden.

Voraussetzung für eine solche Lohnkürzung ist immer, dass der Arbeitnehmer nichts für die weniger gearbeitete Zeit kann. Diese darf natürlich nicht zum Beispiel durch Auftragsmangel verursacht worden sein.

3. Hat der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig einen Schaden verursacht, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen seinen Schadensersatzanspruch gegen den Lohnanspruch des Mitarbeiters aufrechnen. Bei geringerer Schuld gelten besondere Regeln. Die Pfändungsfreigrenze ist zu beachten.

4. Ist der Chef mit der Leistung des Arbeitnehmers nicht zufrieden und sieht dieser das ein, kann eine einverständliche Lohnkürzung vereinbart werden. Allerdings muss der Arbeitnehmer in irgendeiner Form erkennbar zustimmen, Schweigen allein reicht nicht (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Az. 5 Sa 221/18).

Welcher Fall zur Lohnkürzung im Homeoffice kam vor Gericht?


Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat sich mit dem Fall einer Arbeitnehmerin im Homeoffice befasst, der vom Chef das Gehalt gekürzt worden war. Es handelte sich bei ihr um die leitende Pflegekraft und Pflegemanagerin einer Tagespflege. In dieser Position hatte sie auch einige Büroarbeiten zu erledigen - zum Beispiel die Erfassung von Arbeitszeiten nach Arbeitsbeginn und -ende in einer Tabelle. Auch hatte sie das Qualitätshandbuch und weitere Unterlagen für das Pflegemanagement zu bearbeiten. Diesen Tätigkeiten kam sie im Homeoffice nach. Ihr Arbeitgeber war der Ansicht, dass sie dort keine ausreichende Arbeitsleistung erbrachte. Sie habe rund 300 Stunden lang nicht gearbeitet. Daher kürzte er ihr den Lohn und verlangte eine teilweise Rückzahlung des Arbeitsentgelts.

Wann dürfen Arbeitgeber bei Homeoffice den Lohn kürzen?


Das Landesarbeitsgericht wies zunächst darauf hin, dass auch im Homeoffice die normalen Regeln für ein Arbeitsverhältnis gelten würden, darunter auch der Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn". Daher entfalle der Vergütungsanspruch eines Mitarbeiters ganz oder teilweise, wenn der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkomme. Ausnahme: Der Arbeitslohn sei vom Arbeitgeber aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen, etwa als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Aber: Ein Arbeitnehmer genüge seiner Pflicht aus dem Arbeitsvertrag, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeite. Ein bestimmter Erfolg sei nicht geschuldet. Hier lasse sich durch eine Reihe von E-Mails mit bearbeiteten Anhängen wie Verfahrensanweisungen etwa zum Schmerzmanagement oder erstellten Fortbildungsplänen sowie E-Mails mit Bezug auf Gespräche mit anderen Mitarbeitern über organisatorische Themen nachweisen, dass die Arbeitnehmerin tatsächlich gearbeitet habe. Auch seien E-Mails vorhanden, in denen sie den Wunsch nach mehr Kommunikation oder Rückantworten von der Geschäftsleitung äußere.

Was muss der Arbeitgeber beweisen, um den Lohn kürzen zu dürfen?


Um eine Lohnkürzung im Homeoffice vorzunehmen, muss laut Landesarbeitsgericht grundsätzlich der Arbeitgeber beweisen, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin die vereinbarte Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Dabei müsse er auch konkret belegen können, in welchem Umfang die Arbeitspflicht vernachlässigt worden sei. Dies entspreche der Situation bei der Arbeit im Betrieb. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitsgericht entsprechende Beweise vorlege, könne der Arbeitnehmer diese durch Gegenbeweise entkräften.

Im hier verhandelten Fall habe es jedoch von Arbeitgeberseite keinerlei Beweise dafür gegeben, dass die Pflegemanagerin einen großen Teil ihrer Arbeitsstunden mit Nichtstun verbracht habe. Stattdessen deuteten ihre beruflichen Mails darauf hin, dass sie gearbeitet habe.

Wie entschied das Gericht zur Lohnkürzung?


Das Gericht entschied, dass der Arbeitgeber hier keinen Anspruch auf eine Lohnkürzung bzw. Rückzahlung habe. Auch könne er keine Aufrechnung mit einem ihm durch nicht geleistete Arbeit entstandenen Schaden verlangen. Es fehle an jeglichem Beweis dafür, dass die Beschäftigte ihren Pflichten nicht nachgekommen sei (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.9.2023, Az. 5 Sa 15/23).

Praxistipp zur Gehaltskürzung im Homeoffice


Viele Arbeitgeber stehen der eigenverantwortlichen Arbeit im Homeoffice immer noch skeptisch gegenüber. Ist kein elektronisches Zeiterfassungssystem vorhanden, welches auch dort die Arbeitszeiten dokumentiert, sollten Arbeitnehmer unbedingt genau Buch über ihre Arbeitszeiten führen. Kommt es trotzdem zum Streit mit dem Arbeitgeber, kann Sie ein Fachanwalt für Arbeitsrecht ausführlich zu Ihrem konkreten Fall beraten.

(Bu)


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 Stephan Buch
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