Voreilige Einstweilige Verfügung: Droht Forderung nach Schadensersatz?

05.04.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (589 mal gelesen)
Einstweilige Verfügung,Schadensersatz,Modernisierung,Mietwohnung Was passiert, wenn durch eine einstweilige Verfügung Schäden entstehen? © - freepik

Eine gegen Modernisierungsmaßnahmen gerichtete einstweilige Verfügung kann einen Vermieter viel Geld kosten. Hat er Anspruch auf Schadensersatz gegen den Mieter?

Im Mietverhältnis gibt es verschiedene mögliche Anlässe für Schadensersatzforderungen. Dazu gehören zum Beispiel Entschädigungsansprüche des Vermieters wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen oder Schäden an Wohnungen. Blockiert der Mieter eine geplante Modernisierungsaktion durch eine gerichtliche einstweilige Verfügung, kann dies für den Vermieter teuer sein. Hier stellt sich die Frage, ob er sich sein Geld vom Mieter zurückholen kann.

Was ist eigentlich eine einstweilige Verfügung?


Dabei geht es um den vorläufigen oder einstweiligen Rechtsschutz. Dessen Sinn besteht darin, schon vor dem eigentlichen Gerichtsverfahren gefährdete Rechtsgüter zu schützen, damit die andere Partei keine vollendeten Tatsachen schaffen kann. Denn: Bis zu einer gerichtlichen Entscheidung kann einige Zeit vergehen. Eines der möglichen Mittel dafür ist die einstweilige Verfügung.

Um eine einstweilige Verfügung zu beantragen, müssen drei Voraussetzungen vorliegen:

- Es muss ein abzusichernder Anspruch gegen die andere Partei bestehen.

- Es muss ein sogenannter Verfügungsgrund vorliegen – also ein Anlass, aus dem die Sache besonders dringend ist.

- Der Antragsteller muss ein Verfügungsgesuch bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eingereicht haben, welches die letzten beiden Punkte enthält. Diese sind dem Gericht natürlich glaubhaft zu machen. Dafür kann eine Versicherung an Eides statt ausreichend sein.

In diesem Stadium findet eine mündliche Gerichtsverhandlung nur statt, wenn das Gericht Zweifel an der Sache hat oder, wenn die Gegenseite eine sogenannte Schutzschrift einreicht, um sich zu verteidigen. Erlässt das Gericht dann eine einstweilige Verfügung, wird diese der Gegenseite nicht von Amts wegen zugestellt. Dies muss der Antragsteller selbst mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers veranlassen.
Der eigentliche Fall ist jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht endgültig entschieden, denn es hat ja noch kein Hauptverfahren stattgefunden.

Stellt sich anschließend heraus, dass die einstweilige Verfügung nicht gerechtfertigt war, hat der Gegner deshalb einen Anspruch auf Schadensersatz.

Fall: Einstweilige Verfügung blockiert Modernisierungsarbeiten


Vor einiger Zeit hat sich der Bundesgerichtshof mit einem Fall beschäftigt, bei dem eine einstweilige Verfügung erhebliche finanzielle Konsequenzen gehabt hatte. Dabei hatte die Eigentümerin von einer Reihe von Mietshäusern aus den 1930er Jahren ihren Mietern rechtzeitig angekündigt, dass an den Häusern umfassende Modernisierungs- und Wärmedämmungsarbeiten vorgenommen werden sollten. Einer der Mieter stellte 11 Tage vor Beginn der Arbeiten bei Gericht Antrag auf Durchführung eines sogenannten selbstständigen Beweisverfahrens, um die Notwendigkeit der Baumaßnahmen zu prüfen. Zusätzlich beantragte er auch eine einstweilige Verfügung, um die Arbeiten bis zur Begutachtung durch einen Sachverständigen zu stoppen. Das Gericht gab seinem Antrag statt. Die Vermieterin legte Widerspruch ein und das Verfahren ruhte eine Zeitlang. Etwa ein Jahr später nahm der Mieter seinen Antrag auf Vorschlag des Gerichts zurück.

Klage auf Schadensersatz


Nun machte die Vermieterin als Schadensersatz zunächst die Kosten einer Vertragsstrafe in Höhe von 39.330 Euro geltend, die sie an das bereits beauftragte Bauunternehmen hatte zahlen müssen. Hinzu kamen Zinsen in Höhe von 5.183 Euro für die Bereitstellung eines Bankkredits. Dazu kam noch der Mietausfall für vier leer stehende sanierungsbedürftige Dachgeschosswohnungen in Höhe von 29.415 Euro. Zunächst scheiterte die Vermieterin mit ihren Forderungen vor Gericht. Allerdings hob der Bundesgerichtshof das entsprechende Urteil des Landgerichts Berlin dann wieder auf.

Kann Ersatz der Vertragsstrafe verlangt werden?


Dem Bundesgerichtshof zufolge beruht der Schadensersatzanspruch hier auf § 945 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wer aus einem noch nicht endgültigen Titel heraus eine Vollstreckung betreibe, trage auch das Risiko dafür, dass sein Vorgehen sich nachträglich als unberechtigt herausstelle. Die Zahlung der Vertragsstrafe an den Bauunternehmer stelle zwar eine Selbstschädigung der Vermieterin dar, diese sei jedoch durch die einstweilige Verfügung veranlasst worden. Eine derartige Zahlung nach einem Baustopp sei nicht ungewöhnlich.

Was gilt für die Zinsen?


Das Berufungsgericht hatte der Vermieterseite keinen Schadensersatz für die Bereitstellungszinsen gewähren wollen. Die entsprechenden Darlehensverträge seien erst nach Zustellung der einstweiligen Verfügung unterzeichnet worden. Der BGH war jedoch der Ansicht, dass sich die Vorinstanz nicht ausreichend mit der Frage beschäftigt habe, welchen Zusammenhang es zwischen der einstweiligen Verfügung und dem Anfallen der Zinsen gegeben habe. Der Zeitfaktor sei nicht allein entscheidend. Nur für die Architektenkosten – die in jedem Fall zu bezahlen gewesen wären – könne kein Ersatz der Darlehenszinsen gefordert werden.

Was gilt für den Mietausfall?


Wegen einer unberechtigten einstweiligen Verfügung könnte dem BGH zufolge grundsätzlich auch ein Ersatz des entgangenen Gewinns, hier des Mietausfalls, verlangt werden. Dafür müsse der Vermieter allerdings glaubhaft machen, dass er die Wohnungen andernfalls hätte vermieten können. Dabei seien jedoch keine allzu hohen Anforderungen an die Beweislast zu stellen. Die Vermieterin habe hier ausreichend untermauert, dass die Fertigstellung der vier Wohnungen gerade durch die einstweilige Verfügung verursacht worden sei und dass sie diese nach erfolgter Sanierung sofort hätte vermieten können.

Zurückverweisung


Im Ergebnis hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Fall wegen noch zu klärender Fragen an die Vorinstanz zurück (Urteil vom 13.10.2016, Az. IX ZR 149/15). Für Mieter ergibt sich nach den Aussagen des BGH das Risiko, dass sie in solchen Fällen einen erheblichen Teil des Schadens bezahlen müssen, der dem Vermieter infolge der einstweiligen Verfügung entstanden ist.

Praxistipp


Bei Problemen mit dem Vermieter kann eine rechtzeitige Beratung durch einen kompetenten Fachanwalt für Mietrecht helfen, unnötige Risiken zu vermeiden. Geht es um eine einstweilige Verfügung in einem anderen Bereich, kann jeder Rechtsanwalt für Zivilrecht helfen.

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