Voreilige Einstweilige Verfügung: Droht Forderung nach Schadensersatz?
04.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Eine einstweilige Verfügung kann sich zum Beispiel gegen Modernisierungsmaßnahmen eines Vermieters richten. Hat der Vermieter Anspruch auf Schadensersatz gegen den Mieter?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was ist eigentlich eine einstweilige Verfügung? Wie geht es nach dem Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter? Fall: Einstweilige Verfügung blockiert Modernisierungsarbeiten Kann man für eine gezahlte Vertragsstrafe Schadensersatz verlangen? Was gilt für die Zinsen? Muss der Mieter den Mietausfall für andere Wohnungen ersetzen? Wie endete das Verfahren? Praxistipp zur unberechtigten einstweiligen Verfügung Was ist eigentlich eine einstweilige Verfügung?
Bei einer einstweiligen Verfügung geht es um den vorläufigen oder einstweiligen Rechtsschutz. Dessen Sinn ist es, schon vor dem eigentlichen Gerichtsverfahren gefährdete Rechtsgüter zu schützen, damit die andere Partei keine vollendeten Tatsachen schaffen kann. Schließlich kann bis zu einer gerichtlichen Entscheidung einige Zeit vergehen. Eines der möglichen Mittel dafür ist die einstweilige Verfügung.
Um eine einstweilige Verfügung zu beantragen, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss ein abzusichernder Anspruch gegen die andere Partei bestehen.
- Es muss ein sogenannter Verfügungsgrund vorliegen – also ein Anlass, aus dem die Sache besonders dringend ist.
- Der Antragsteller muss ein Verfügungsgesuch bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eingereicht haben, welches die letzten beiden Punkte enthält. Diese müssen dem Gericht nämlich glaubhaft gemacht werden. Dafür kann eine Versicherung an Eides statt ausreichen.
Eine mündliche Gerichtsverhandlung findet in diesem Stadium nur statt, wenn das Gericht Zweifel an der Sache hat oder wenn die Gegenseite zu ihrer Verteidigung eine sogenannte Schutzschrift einreicht.
Wie geht es nach dem Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter?
Wenn das Gericht eine einstweilige Verfügung erlässt, wird diese der Gegenseite nicht von Amts wegen zugestellt. Dies muss der Antragsteller selbst mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers veranlassen.
Mit der einstweiligen Verfügung ist der Fall noch nicht endgültig entschieden. Die endgültige Entscheidung fällt erst später im gerichtlichen Hauptverfahren. Wenn sich dabei herausstellt, dass die einstweilige Verfügung nicht gerechtfertigt war, hat die Gegenseite einen Anspruch auf Schadensersatz.
Fall: Einstweilige Verfügung blockiert Modernisierungsarbeiten
Der Bundesgerichtshof hat sich vor einiger Zeit mit einem Fall beschäftigt, bei dem eine einstweilige Verfügung große finanzielle Folgen gehabt hatte. Die Eigentümerin mehrerer Mietshäuser aus den 1930er Jahren hatte ihre Mieter rechtzeitig darüber informiert, dass an den Häusern umfassende Modernisierungs- und Wärmedämmungsarbeiten vorgenommen werden sollten.
Daraufhin stellte einer der Mieter elf Tage vor Beginn der Arbeiten bei Gericht einen Antrag auf Durchführung eines sogenannten selbstständigen Beweisverfahrens. Er glaubte nicht, dass die Arbeiten notwendig waren, und wollte dies überprüfen lassen. Zusätzlich beantragte er eine einstweilige Verfügung, um die Arbeiten bis zur Begutachtung durch einen Sachverständigen zu stoppen. Das Gericht gab seinem Antrag statt und erließ eine einstweilige Verfügung. Die Vermieterin legte Widerspruch ein. Das Verfahren ruhte dann eine Zeitlang. Etwa ein Jahr später nahm der Mieter seinen Antrag auf Vorschlag des Gerichts zurück.
Die Vermieterin forderte daraufhin vom Mieter Schadensersatz. Zunächst verlangte sie den Ersatz einer Vertragsstrafe von 39.330 Euro, die sie an das bereits beauftragte Bauunternehmen hatte zahlen müssen. Dazu kamen Zinsen in Höhe von 5.183 Euro für die Bereitstellung eines Bankkredits. Außerdem forderte sie den Ersatz ihres Mietausfalls für vier leerstehende sanierungsbedürftige Dachgeschosswohnungen in Höhe von 29.415 Euro.
Ihre Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Der Prozess ging jedoch bis vor den Bundesgerichtshof.
Kann man für eine gezahlte Vertragsstrafe Schadensersatz verlangen?
Nach dem Bundesgerichtshof beruht der Schadensersatzanspruch hier auf § 945 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wer aufgrund eines noch nicht endgültigen Titels – wie einer einstweiligen Verfügung – eine Vollstreckung betreibe, trage auch das Risiko dafür, dass sich sein Vorgehen nachträglich als unberechtigt erweise. Zwar stelle die Zahlung der Vertragsstrafe an den Bauunternehmer eine Selbstschädigung der Vermieterin dar. Diese sei jedoch durch die einstweilige Verfügung veranlasst worden. Die Zahlung einer Vertragsstrafe nach einem Baustopp sei nicht ungewöhnlich.
Was gilt für die Zinsen?
Das Berufungsgericht als Vorinstanz hatte der Vermieterseite keinen Schadensersatz für die Bereitstellungszinsen gewähren wollen. Die entsprechenden Darlehensverträge seien erst nach Zustellung der einstweiligen Verfügung unterzeichnet worden. Der BGH meinte jedoch, dass sich die Vorinstanz nicht ausreichend mit dem Zusammenhang zwischen der einstweiligen Verfügung und dem Anfallen der Zinsen beschäftigt habe. Der Zeitfaktor sei nicht allein entscheidend. Nur für die Architektenkosten könne eindeutig kein Ersatz der Zinsen verlangt werden, weil diese in jedem Fall zu bezahlen gewesen wären.
Muss der Mieter den Mietausfall für andere Wohnungen ersetzen?
Grundsätzlich könne die Vermieterseite wegen einer unberechtigten einstweiligen Verfügung auch den Ersatz von entgangenem Gewinn verlangen, hier also des Mietausfalls. Der Vermieter müsse dafür glaubhaft machen, dass er die Wohnungen andernfalls hätte vermieten können. Besonders hohe Anforderungen an die Beweislast seien dabei nicht zu stellen. Im vorliegenden Fall habe die Vermieterin ausreichend untermauert, dass die Fertigstellung der vier Wohnungen gerade durch die einstweilige Verfügung verursacht worden sei und dass sie diese nach erfolgter Sanierung sofort hätte vermieten können.
Wie endete das Verfahren?
Letztendlich hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Fall wegen noch zu klärender Fragen an die Vorinstanz zurück (Urteil vom 13.10.2016, Az. IX ZR 149/15). Der Fall zeigt, dass Mieter sich einem erheblichen finanziellen Risiko aussetzen, wenn sie Modernisierungsarbeiten per einstweiliger Verfügung stoppen. Sie müssen damit rechnen, einen erheblichen Teil des Schadens ersetzen zu müssen, der dem Vermieter infolge der einstweiligen Verfügung entstanden ist.
Praxistipp zur unberechtigten einstweiligen Verfügung
Haben Sie Probleme mit Ihrem Vermieter? Dann kann eine rechtzeitige Beratung durch einen kompetenten Fachanwalt für Mietrecht Ihnen helfen, unnötige Risiken zu vermeiden. Geht es um eine einstweilige Verfügung in einem anderen Bereich, kann Ihnen jeder Rechtsanwalt für Zivilrecht mit Rat und Tat zur Seite stehen.
(Wk)