Wann ist ein Praktikum zu vergüten?

25.08.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (346 mal gelesen)
Praktikum,Pflichtpraktikum,Mindestlohn,Orientierung In vielen Fällen werden Praktika nicht bezahlt. Es gibt jedoch Ausnahmen. © - freepik

Ein Praktikum soll dazu dienen, in einen Beruf "hineinzuschnuppern" und erste Erfahrungen im Arbeitsleben zu sammeln. Nur in bestimmten Fällen wird dafür Lohn gezahlt.

Der Gesetzgeber wollte mit dem Mindestlohngesetz die allzu drastische Ausbeutung von Billigarbeitskräften unterbinden. Davon profitieren auch Praktikanten - aber nur in bestimmten Fällen. Denn: Oft gilt der Mindestlohn nicht für sie. Wann muss der Arbeitgeber Praktikanten bezahlen?

Wer bekommt den Mindestlohn?


Zunächst einmal gilt der Mindestlohn nur für Erwachsene, also für Personen ab vollendetem 18. Lebensjahr. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Minderjährige, die bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung haben, gelten als Arbeitnehmer und bekommen den Mindestlohn. Sinn des Ganzen ist, dass junge Menschen nicht zugunsten eines Jobs mit Mindestlohn auf eine sinnvolle Berufsausbildung verzichten, die ihnen später vielleicht deutlich bessere Chancen eröffnet.

Was gilt bei einem Pflichtpraktikum?


Ein Pflichtpraktikum findet in der Regel statt, wenn sich jemand für eine Berufsausbildung entschieden hat. Die jeweilige Ausbildungseinrichtung schreibt dann oft ein oder mehrere Praktika vor, damit sich die Ausbildung nicht nur auf Theorie beschränkt und damit auch praktische Fähigkeiten erworben werden.

Wer ein Praktikum absolviert, welches von Schule, Ausbildungseinrichtung oder Hochschule vorgeschrieben ist, hat keinen Lohnanspruch und damit auch keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Dies gilt ebenso für ein Praktikum im Rahmen einer Berufsausbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz oder in einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung. Das Mindestlohngesetz wird ebenfalls nicht auf Praktika angewendet, die im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung nach dem SGB III (Drittes Sozialgesetzbuch) stattfinden.

Dies gilt auch für ein Vorpraktikum vor Beginn eines Studiums, wenn dieses von der Studienordnung der Hochschule aus Voraussetzung für das Studium vorgeschrieben ist (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.1.2022, Az. 5 AZR 217/21).

Wann handelt es sich um ein freiwilliges Praktikum / Orientierungspraktikum?


Ein freiwilliges Praktikum ist das Praktikum, das junge Menschen vor Beginn der Studien- oder Ausbildungszeit absolvieren, wenn ihnen noch nicht klar ist, was sie mit ihrem Leben anfangen möchten. Ein solches Praktikum ermöglicht es ihnen, in die jeweiligen Berufsfelder hineinzuschnuppern und sich so einen Eindruck von dem Beruf zu machen. Auch während der Ausbildung oder Studienzeit ist ein freiwilliges Praktikum möglich, solange es nicht von der Hochschule, Ausbildungsstätte oder Ausbildungsordnung vorgeschrieben ist.

Nur, weil sich ein Praktikant oder eine Praktikantin bei Ausübung einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit in die – auch arbeitszeitmäßige – Organisation eines Betriebs eingliedern müssen, wird das Praktikum nicht zum Pflichtpraktikum. Es kann sich trotzdem um ein Orientierungspraktikum handeln. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat in einem Urteil betont, dass zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen auch gehört, die beruflich anfallenden Tätigkeiten nicht nur sporadisch, sondern durchaus auch arbeitstäglich unter Einhaltung vorgegebener Arbeitszeiten kennenzulernen (Az. 7 Sa 995/16).

Ein entscheidendes Kriterium dafür, ob "noch" ein Orientierungspraktikum oder "schon" ein Arbeitsverhältnis vorliegt, dürfte sein, ob der Praktikant eingesetzt wird, damit er sich ein Bild von der angestrebten beruflichen Tätigkeit machen kann, oder um einen ansonsten fehlenden Arbeitnehmer zu ersetzen.

Wann muss ein freiwilliges Praktikum bezahlt werden?


Ein freiwilliges Praktikum ist mit dem Mindestlohn zu vergüten, wenn es eine Dauer von drei Monaten überschreitet.

Interessant ist natürlich die Frage, was gilt, wenn ein Praktikum in mehreren Zeitabschnitten absolviert wird, deren Gesamtdauer die drei Monate überschreitet. Dazu entschieden die Gerichte lange nicht einheitlich.

Heute geht man davon aus, dass die Dreimonatsdauer nicht überschritten wird, wenn Arbeitgeber und Praktikant mehrere Zeitabschnitte vereinbaren, die insgesamt die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten. Dies gilt zumindest, wenn die Vereinbarung auf Wunsch und im Interesse des Praktikanten stattfindet. Der Zeitraum der Unterbrechung wird bei der Berechnung des Dreimonatszeitraums nicht berücksichtigt. Es entsteht also keine Zahlungspflicht, wenn sich mehrere Praktikumsabschnitte mit Unterbrechungen über mehr als drei Kalendermonate am Stück hinziehen.

Das Bundesarbeitsgericht hat 2019 klargestellt, dass das Mindestlohngesetz nicht zwingend einen ununterbrochenen Dreimonatszeitraum fordere. Eine Praktikantin hatte ihr Praktikum mehrfach aus persönlichen Gründen in Absprache mit dem Arbeitgeber unterbrochen (Krankheit, Freizeit für Familie, Schnuppertage bei anderen Arbeitgebern) und war so über die drei Monate gekommen - aber nur unter Einbeziehung der Zeiten, in denen sie gar nicht im Betrieb tätig gewesen war. Nun verlangte sie nachträglich Lohn. Das Gericht wies ihre Klage ab. Tatsächlich habe ihr Praktikum die Dauer von drei Monaten nicht überschritten. Es spiele dabei keine Rolle, ob die Unterbrechungen vorher vereinbart worden seien oder sich erst während des Praktikums ergeben hätten (Urteil vom 30.1.2019, Az. 5 AZR 556/17).

Im Umkehrschluss dürfte damit auch gelten: Überschreitet ein auf mehrere Zeitabschnitte aufgeteiltes Praktikum auch ohne Einrechnen der Unterbrechungen den Dreimonatszeitraum, wäre eine Lohnzahlung auf Mindestlohnbasis Pflicht. Zumindest, wenn es sich um ein sachlich zusammenhängendes Praktikum handelt und nicht jeweils um eine andere Tätigkeit oder ein anderes Berufsbild.

Praxistipp zum Mindestlohn für ein Praktikum


Kommt es zum Streit mit dem Arbeitgeber um ein Praktikum oder die Zahlung von Mindestlohn, empfiehlt es sich, sich bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen. Dieser kennt die aktuelle Rechtsprechung und kann eine Lösung für Ihren individuellen Fall finden.

(Bu)


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 Stephan Buch
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