Ab 2023: Ehegatten dürfen sich im Krankheitsfall gegenseitig vertreten

18.01.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Ehefrau,Ehegatte,Krankheit,Vertretung Im Krankheitsfall dürfen sich Ehepartner jetzt gegenseitig vertreten © - freepik

Zum 1. Januar 2023 ist eine neue gesetzliche Regelung in Kraft getreten, die für Ehegatten einige Fortschritte bringt: Nun dürfen sie sich im Krankheitsfall gegenseitig vertreten. Was heißt das konkret?

Ehegatten, deren Partner erkrankt waren, hatten bisher oft ein ganz erhebliches Problem. So durften Ärzte sie zum Beispiel nicht über den Gesundheitszustand des Partners aufklären - wegen der ärztlichen Schweigepflicht. Auch durften sie unter keinen Umständen medizinische Entscheidungen für den Partner oder die Partnerin treffen und zum Beispiel in eine Untersuchung oder Behandlung einwilligen, wenn diese selbst dazu nicht in der Lage waren. Möglich war dies allenfalls, wenn sich ein Ehegatte zum rechtlichen Betreuer des anderen bestellen ließ oder wenn eine entsprechende Vorsorgevollmacht bestand. Nun hat sich durch eine Reform des Betreuungsrechts einiges geändert. Es wurde ein sogenanntes Notvertretungsrecht für Ehegatten im Krankheitsfall eingeführt.

Wann besteht ein Notvertretungsrecht für Ehegatten?


Das neue Notvertretungsrecht ist in § 1358 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Es gilt seit 1. Januar 2023. Voraussetzung ist, dass sich ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht mehr selbst um seine gesundheitlichen Angelegenheiten kümmern kann. Dies kann physisch oder psychisch bedingt sein.

Absatz 3 der Vorschrift nennt mehrere Ausschlussgründe, unter denen das Notvertretungsrecht nicht besteht. Leben die Ehegatten in Trennung, kommt ein Notvertretungsrecht nicht in Frage. Auch dann nicht, wenn der vertretende Ehegatte oder der Arzt weiß, dass der erkrankte Ehegatte eine Vertretung durch den Ehepartner nicht wünscht oder bereits jemand anderen mit seiner Vertretung in medizinischen Angelegenheiten betraut hat.

Ausgeschlossen ist eine Notvertretung im Krankheitsfall auch dann, wenn für den erkrankten Ehegatten bereits ein Betreuer in medizinischen Angelegenheiten bestellt ist, der erkrankte Ehegatte sich inzwischen wieder selbst um seine Gesundheit kümmern kann oder
seit Beginn der Notvertretung mehr als sechs Monate vergangen sind. Letzteres bedeutet zugleich: Eine Notvertretung dauert höchstens sechs Monate.

Wer kontrolliert, ob das Notvertretungsrecht zur Anwendung kommt?


Dies ist Aufgabe desjenigen behandelnden Arztes, der Entscheidungen des anderen Ehegatten für dessen Partner oder Partnerin umsetzen soll.

Der Arzt, gegenüber dem der gesunde Ehegatte sein Vertretungsrecht ausübt, muss das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vertretung schriftlich bestätigen - nämlich, dass der erkrankte Ehegatte sich nicht mehr selbst um seine Gesundheit kümmern kann. Auch der Zeitpunkt, ab dem dies der Fall ist, muss bestätigt werden. Der Arzt muss dabei auch zum Vorliegen von Ausschlussgründen Stellung nehmen.

Außerdem muss sich der Arzt von dem vertretenden Ehegatten schriftlich versichern lassen, dass dieser bisher sein Vertretungsrecht nicht ausgeübt hat und dass kein Ausschlussgrund vorliegt.

Die ärztliche Bestätigung und die des Ehegatten muss der Arzt dem Ehegatten aushändigen. Diese Dokumente muss der Ehegatte bei jeder Vertretung für seinen kranken Partner oder seine kranke Partnerin vorlegen.

Was umfasst die Notvertretung im Krankheitsfall?


Der Ehegatte, der die Notvertretung für seinen Partner oder seine Partnerin durchführt, darf für diesen in medizinische Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen. Er darf diese auch untersagen. Außerdem darf er sich vom Arzt über alles aufklären lassen, was die Gesundheit bzw. Erkrankung des Partners betrifft.

Er darf auch Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege abschließen und durchsetzen.

Ebenso darf er über Maßnahmen nach § 1831 Absatz 4 BGB entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet. Das bedeutet: Er darf über eine freiheitsentziehende Unterbringung entscheiden, etwa in einer geschlossen psychiatrischen Einrichtung oder einer Entzugsklinik.

Außerdem darf er Ansprüche, die dem vertretenen Ehegatten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten zustehen, geltend machen, etwa gegen den Unfallgegner nach einem Verkehrsunfall. Er darf diese Ansprüche auch abtreten, zum Beispiel an einen Leistungserbringer wie eine Krankenkasse.

Behandelnde Ärzte sind gegenüber dem Ehegatten, der sein Notvertretungsrecht wahrnimmt, von ihrer Schweigepflicht entbunden. Dieser darf auch die Patientenakte seines Partners oder seiner Partnerin einsehen und die Weitergabe von Krankenunterlagen an Dritte genehmigen, zum Beispiel eine Versicherung.

Welche Erklärungen muss das Betreuungsgericht genehmigen?



In folgenden Fällen muss der das Notvertretungsrecht ausübende Ehegatte für seine Erklärung gegenüber dem behandelnden Arzt zusätzlich die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen. Er kann also nicht allein entscheiden.

- Einwilligung in Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der erkrankte Ehegatte aufgrund dieser Maßnahmen stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet (§ 1829 Absatz 1 BGB) und wenn zwischen dem vertretenden Ehegatten und dem behandelnden Arzt kein Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung der Einwilligung dem festgestellten Willen des erkrankten Ehegatten entspricht (§ 1829 Absatz 4 BGB). Ausnahme: Die jeweilige Maßnahme darf auch ohne die Genehmigung des Betreuungsgerichts durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.

- Nichteinwilligung oder Widerruf der Einwilligung in Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe, wenn diese Maßnahmen medizinisch angezeigt sind und die begründete Gefahr besteht, dass der erkrankte Ehegatte aufgrund der Nichtvornahme bzw. des Abbruchs der jeweiligen Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet (§ 1829 Absatz 2 BGB) und wenn zwischen dem vertretenden Ehegatten und dem behandelnden Arzt kein Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung in die jeweilige Maßnahme dem festgestellten Willen des erkrankten Ehegatten entspricht (§ 1829 Absatz 4 BGB).

- Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen, d.h. wenn dem erkrankten Ehegatten, der sich in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll (§ 1831 Absatz 4 BGB).

Nach welcher Maßgabe muss der vertretende Ehegatte entscheiden?



Maßgeblich für die Entscheidungen und daraus folgenden Erklärungen des das Notvertretungsrecht ausübenden Ehegatten sind die Wünsche bzw. der mutmaßlichen Willen des erkrankten Ehegatten. Die Erklärungen müssen sich daran ausrichten, was der erkrankte Ehepartner wollen würde, wenn er seinen Willen selbst frei äußern könnte. Die eigene Ansicht des vertretenden Ehepartners ist dagegen nicht von Belang! Gibt es eine Patientenverfügung des erkrankten Ehegatten und passen die darin gemachten Anordnungen auf den aktuellen Krankheitsfall zu, so sind diese zu beachten und umzusetzen.

Wann endet das Notvertretungsrecht des Ehegatten?


Sobald ein Betreuer bestellt ist, der sich um die medizinischen Angelegenheiten des Ehegatten kümmern soll, erlischt das Notvertretungsrecht des Ehepartners oder der Ehepartnerin. Das gilt auch in dem Fall, wenn ein Betreuer nur für einzelne der Angelegenheiten bestellt wird, für die das Gesetz ein Notvertretungsrecht des Ehegatten vorsieht (z.B. nur für die Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen).
Ansonsten endet es nach sechs Monaten oder dann, wenn der vertretende Ehegatte wieder so weit genesen ist, dass er sich selbst wieder um seine Angelegenheiten kümmern kann.
Kann sich der erkrankte Ehepartner nach sechs Monaten weiterhin nicht selbst um seine medizinischen Belange kümmern, ist in der Regel die Bestellung eines rechtlichen Betreuers durch das Betreuungsgericht erforderlich.

Lohnt sich eine Vorsorgevollmacht jetzt noch?


Das Notvertretungsrecht gibt dem Ehegatten nur die Möglichkeit einer Vertretung in gesundheitlichen Angelegenheiten für maximal sechs Monate. Es ist also eher auf eine vorübergehende Erkrankung ausgelegt. Eine Vorsorgevollmacht kann je nach Inhalt deutlich mehr Befugnisse umfassen, darunter auch die Vertretung in Vermögensangelegenheiten. Aber: Bei einer Vorsorgevollmacht ist auch die Gefahr eines Missbrauchs der Bevollmächtigungen größer. Erteilt werden sollte sie nur einer wirklich vertrauenswürdigen Person. Hier empfiehlt sich eine Beratung bei einem Anwalt.

Praxistipp zum Notvertretungsrecht der Ehegatten


Durch das gegenseitige Notvertretungsrecht der Ehegatten im Krankheitsfall wird die Bestellung eines rechtlichen Betreuers zunächst vermieden. Bisher war diese erforderlich, wenn eine Person nicht mehr selbst über ihre gesundheitlichen Angelegenheiten entscheiden konnte. Ein Rechtsanwalt für Zivilrecht, eventuell mit einer Spezialisierung auf das Medizinrecht, kann Ehegatten zur Vertretung im Krankheitsfall und zur Erstellung von Vollmachten fachgerecht beraten.

(Bu)


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 Stephan Buch
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