Erb- und Pflichtteilsverzicht: nützliche Gestaltungsmittel für den Nachlass!
24.09.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Wer als Erblasser seinen Nachlass aktiv in seinem Sinne gestalten möchte, sollte den Erbverzicht bzw. Pflichtteilsverzicht kennen. Zum Beispiel, wenn es um die Regelung der Unternehmensnachfolge geht.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was versteht man unter einem Pflichtteil? Was kann man mit einem Erb- und Pflichtteilsverzicht erreichen? Welche Varianten des Verzichts auf einen Erbteil oder Pflichtteil gibt es? Wie funktioniert ein Erbverzicht? Was ist der Unterschied zwischen Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht? Welche Formalien sind beim Erbverzicht zu beachten? Kann man einen Erbverzicht rückgängig machen? Kann man einen Erbverzicht anfechten? Praxistipp zum Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht Was versteht man unter einem Pflichtteil?
Bei der gesetzlichen Erbfolge erben Verwandte abhängig vom Verwandtschaftsgrad per Gesetz bestimmte Erbteile. Per Testament kann man dies anders regeln. Man kann sogar festlegen, dass ein gesetzlicher Erbe überhaupt nichts mehr bekommen soll. Damit die gesetzlichen Erben jedoch nicht ganz leer ausgehen, gibt es das Pflichtteilsrecht: Gesetzliche Erben können von den testamentarischen Erben die Auszahlung eines Pflichtteils in Höhe ihres halben Erbteils verlangen.
Dabei gibt es sehr häufig Streit – auch vor Gericht. Thema kann zum Beispiel die Wirksamkeit einer testamentarischen Enterbung sein oder die Höhe des Pflichtteils. Solche Streitigkeiten sind jedoch nicht im Sinne des Erblassers. Schließlich strebt dieser eine Verteilung des Nachlasses in seinem Sinne an und keinen jahrelangen Verwandtschaftsstreit vor Gericht.
Besonders problematisch wird es, wenn der Erblasser beabsichtigt, einen Erbschaftsgegenstand für den oder die Erben als solchen zu erhalten und zu vermeiden, dass dieser zwecks Auszahlung von Erbanteilen verkauft wird. Dies kann zum Beispiel bei geerbten Häusern der Fall sein oder auch bei Familienbetrieben oder Unternehmen, die erhalten werden sollen.
Was kann man mit einem Erb- und Pflichtteilsverzicht erreichen?
Aus der Sicht des Erblassers spielt der Erb- und Pflichtteilsverzicht bei der Gestaltung seines Nachlasses eine wichtige Rolle. Mit seiner Hilfe kann nämlich erreicht werden, dass sich das Erbe auf eine oder bestimmte Personen konzentriert und dass diese vor Ansprüchen von Pflichtteilsberechtigten sicher sind.
So lässt sich der Verkauf von Häusern oder die Zerschlagung eines Unternehmens zur Befriedigung von Ansprüchen verhindern. Gerade bei der Unternehmensnachfolge spielt der Erb- und Pflichtteilsverzicht eine wichtige Rolle. Er kann auch bei einem Berliner Testament unter Ehegatten sinnvoll sein, um zu verhindern, dass Kinder schon beim ersten Todesfall des Elternpaares ihren Pflichtteil verlangen und damit die Versorgung oder das Wohnhaus des überlebenden Elternteils gefährden.
Natürlich setzt all dies voraus, dass die künftigen Erben oder Pflichtteilsberechtigten mitspielen. Einigt sich der Erblasser mit ihnen, kann eine flexible Verteilung des Nachlasses stattfinden, ohne dass die ungeliebten Einschränkungen des Pflichtteilsrechts berücksichtigt werden müssen.
Dies funktioniert nur freiwillig. Kein künftiger Erbe kann gezwungen werden, auf seinen Erbteil zu verzichten. Das übliche Mittel der Wahl besteht darin, eine Abfindung als "Gegenleistung" für den Verzicht zu vereinbaren.
Welche Varianten des Verzichts auf einen Erbteil oder Pflichtteil gibt es?
Je nach Interessenlage und Fallgestaltung sind möglich:
- Ein Verzicht auf das Erbe einschließlich des Pflichtteilsrechts oder
- ein Verzicht nur auf das Pflichtteilsrecht,
- ein beschränkter Pflichtteilsverzicht nur hinsichtlich bestimmter Nachlassgegenstände.
Wie funktioniert ein Erbverzicht?
Bei einem Erbverzicht wird zwischen gesetzlichen Erben (Verwandte, Ehegatten) und dem Erblasser zu dessen Lebzeiten ein Vertrag geschlossen, in dem die Erben auf ihren Erbteil verzichten.
Durch einen solchen Erbverzicht scheidet der oder die Verzichtende mit den gesetzlichen Erbansprüchen komplett aus der Erbfolge aus. Die jeweilige Person wird so behandelt, als existiere sie nicht, und erhält auch keinen Pflichtteil. Dies ergibt sich aus § 2346 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dies führtt dazu, dass sich die Erbteile und Pflichtteilsquoten der anderen Erben entsprechend erhöhen.
Auch die Kinder des Verzichtenden bekommen nichts und fallen aus der Erbfolge. Dies kann jedoch im Vertrag auch anders geregelt werden.
Was ist der Unterschied zwischen Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht?
Ein vertraglich vereinbarter Verzicht kann sich nur auf den Pflichtteil beschränken. Ein solcher reiner Pflichtteilsverzicht wirkt sich nicht auf die Erbfolge aus. Er hat auch keinen Einfluss auf die Erbanteile und Pflichtteilsquoten der anderen Erben. Beim Erbverzicht ist all dies hingegen der Fall. Ein Pflichtteilsverzicht kann auf einzelne Gegenstände beschränkt werden, was beim Erbverzicht nicht möglich ist.
Welche Formalien sind beim Erbverzicht zu beachten?
Ein Pflichtteilsverzicht oder Erbverzichtsvertrag ist nur wirksam, wenn er notariell beurkundet wird. Wenn ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht nur schriftlich oder gar mündlich vereinbart wird, ist er wegen Formmangels nichtig. So stellt das Gesetz sicher, dass solch gravierende Entscheidungen gut überlegt sind.
Wenn Minderjährige oder unter Vormundschaft oder Betreuung stehende Personen auf ihr Erbe verzichten wollen, brauchen sie die Genehmigung des Familiengerichts bzw. des Betreuungsgerichts. Im Normalfall wird das Gericht keinen Verzichtsvertrag ohne angemessene Abfindung akzeptieren.
Einen Verzichtsvertrag kann der Erblasser nur persönlich abschließen. Personen mit beschränkter Geschäftsfähigkeit benötigen dafür keine Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Wenn der Erblasser geschäftsunfähig ist, kann der Vertrag durch seinen gesetzlichen Vertreter abgeschlossen werden.
Kann man einen Erbverzicht rückgängig machen?
Ja. Dies ist jedoch nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich, durch einen neuen Vertrag mit den Unterschriften beider Seiten. Auch dieser Vertrag muss notariell beglaubigt werden (§ 2351 BGB).
Kann man einen Erbverzicht anfechten?
Wie jeder Vertrag lässt sich auch ein Erb- oder Pflichtteilsverzichtsvertrag anfechten. Mögliche Anfechtungsgründe sind etwa ein Gesetzesverstoß, Irrtum, Täuschung oder Drohungen, wenn diese dazu geführt haben, dass jemand gegen seinen Willen auf sein Erbe verzichtet hat.
Ein Erbverzicht kann auch wegen Sittenwidrigkeit angefochten werden. Dies ist insbesondere bei Minderjährigen möglich, wenn zum Beispiel deren Unwissenheit ausgenutzt wurde, um ihren Erbteil zu schmälern.
Praxistipp zum Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht
Ein Erb- und Pflichtteilsverzicht ist ein Vertrag, der unbedingt auf die individuelle Situation der Familie abgestimmt sein muss. Auch sind entsprechende Regelungen im Testament notwendig. Hier sind Standardmuster aus dem Internet fehl am Platz. Eine gute Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht hilft Ihnen, unerwünschte Folgen im Erbfall zu vermeiden.
(Bu)