Hartz IV - Direktzahlung der Miete an den Vermieter

11.03.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (39768 mal gelesen)
Hartz IV,ALG II,Miete,Unterkunft,Direktzahlung Direkte Mietzahlung vom Jobcenter: Oft nicht so einfach, wie gedacht. © Bu - Anwalt-Suchservice

Wer Hartz IV bekommt, hat auch Anspruch auf staatliche Leistungen für Miete und Heizkosten. Oft zahlt das Jobcenter diese Gelder direkt an den Vermieter. Mängel der Mietwohnung können für Probleme sorgen.

Leistungen für Wohn- und Heizkosten werden im Normalfall an den Empfänger von Arbeitslosengeld II selbst überwiesen. Allerdings macht das Gesetz auch eine Direktüberweisung an den Vermieter möglich. Wann genau es dazu kommt, hängt von den unterschiedlichen Ausführungsvorschriften der Bundesländer ab. Der einheitliche Grundgedanke ist natürlich, dass die Geldbeträge tatsächlich für Miete und Heizkosten verwendet und nicht anderweitig verbraucht werden.

Wann ist die Direktzahlung per Gesetz zulässig?


§ 22 Absatz 7 des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) enthält einige Grundregeln. Eine Direktzahlung an den Vermieter findet danach in zwei Fällen statt:

- Auf Antrag des Leistungsempfängers,
- bei Zweifeln der Behörde, dass dieser die Beträge wirklich an den Vermieter weitergibt.

Nach dem Gesetz ist dies insbesondere gegeben bei
- Mietrückständen, die den Vermieter zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
- Energiekostenrückständen, die den Energieversorger zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
- konkreten Anhaltspunkten für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person, das Geld zweckentsprechend zu verwenden, oder
- konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.

Die Gemeinde ist verpflichtet, den Leistungsempfänger schriftlich darüber zu informieren, wenn die Beträge für Unterkunft und Heizung direkt an den Vermieter gezahlt werden.

Was passiert bei einer Mietminderung durch den Mieter?


Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Behörde grundsätzlich dazu berechtigt ist, nach § 22 des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) anzuordnen, dass das Geld direkt auf das Konto des Vermieters überwiesen wird. Dies gilt besonders dann, wenn der Mieter sich als unzuverlässig erwiesen hat und die ihm gezahlten Gelder für Unterkunft und Heizung für andere Dinge zweckentfremdet. Dem Gericht zufolge ist diese Regelung aber restriktiv auszulegen, soll also der Ausnahmefall bleiben. Denn: Der Hartz IV-Empfänger soll auch nicht entmündigt werden.

Im damaligen Fall betrachtete das Gericht den Mieter als unzuverlässig, weil er gegenüber seinem Vermieter die Miete gemindert hatte, ohne dies dem Jobcenter zu melden. Setze er seine Miete wegen Mängeln der Wohnung selbst auf Null herunter, habe er keinen Anspruch mehr auf Kosten für die Unterkunft. Schließlich fielen solche Kosten ja gar nicht mehr an. Allerdings hatte der Mieter hier die Leistungen unverändert weiter bezogen. Die Mietminderung hatte er mit Schimmelbefall begründet und auch damit, dass der Stromversorger ihm den Strom gesperrt hatte. Dafür machte der Mieter den Vermieter verantwortlich. Dieser wandte ein, dass der Mieter 16.000 Euro Stromschulden habe. In diesem Fall sah das Gericht eine Anordnung der Direktzahlung als zulässig an (Urteil vom 21.10.2011, Az. L 12 AS 2016/11).

Gibt es ein Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Jobcenter?


Nein. Grundsätzlich gibt es keine Rechtsbeziehung zwischen dem Jobcenter bzw. Arbeitsamt und dem Vermieter eines Leistungsempfängers. Auch hat der Vermieter keinen Anspruch darauf, dass ihm die Behörde irgendwelche Auskünfte erteilt. Aber: Der Vermieter hat die Möglichkeit, das Jobcenter auf Mietrückstände hinzuweisen. Dazu sollte er Angaben machen können, seit wann und in welchem Umfang die Zahlungsrückstände bestehen. In einem solchen Fall wird das Jobcenter in der Regel Kontakt zum Mieter aufnehmen. Hat es dann Zweifel an der korrekten Verwendung der gezahlten Wohnkosten, wird es die Direktzahlung an den Vermieter veranlassen.

Kann eine Direktzahlung im Mietvertrag vereinbart werden?


Es gibt Vermieter, die auf die Idee kommen, gleich im Mietvertrag festzulegen, dass der Mieter ihnen im Fall der Fälle seine Ansprüche auf Sozialleistungen für Wohnkosten und Heizung abtritt. Über einen solchen Fall wurde bereits vor dem Bundessozialgericht gestritten. Konkret hatte ein Vermieter das Jobcenter verklagt, weil er der Meinung war, einen Anspruch auf Direktzahlung der Miete eines Leistungsempfängers und Begleichung aufgelaufener Mietschulden zu haben.

Allerdings wies das Gericht die Klage ab. Es wies darauf hin, dass die Abtretung von Ansprüchen auf Sozialleistungen nicht ohne Zustimmung des Leistungsträgers, also des Jobcenters, stattfinden kann. Dadurch solle der Leistungsempfänger geschützt werden. Ein formeller Verwaltungsakt der Behörde sei also unverzichtbar. Der Vermieter sei in das rechtliche Verhältnis von Jobcenter und Leistungsbezieher gar nicht eingebunden. Selbst, wenn sich die Behörde zur Direktzahlung entschließe, habe er deswegen noch keinen einklagbaren Anspruch gegen das Jobcenter.

Auch rein zivilrechtlich habe der Vermieter keinen Anspruch auf Direktzahlung. Denkbar sei dies höchstens, wenn das Jobcenter eine Schuldübernahmeerklärung gegenüber dem Vermieter abgeben würde. Dies sei aber vollkommen unüblich und hier auch nicht der Fall gewesen (Urteil vom 9.8.2018, Az. B 14 AS 38/17 R).

Update 11.03.2022: Anspruch des Vermieters gegen das Jobcenter?


Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen beschäftigte sich 2022 mit einem Fall, in dem ein Vermieter Nebenkosten und Miete von den Sozialbehörden einklagen wollte. Seine Mieterin war Empfängerin von ALG II und hatte der Direktzahlung der Miete durch das Jobcenter an den Vermieter zugestimmt. Nachdem die Mieterin zwei Jahre lang die Nebenkosten nicht bezahlen konnte, verlangte der Vermieter diesen Betrag schließlich vom Jobcenter. Dieses lehnte ab: Der Vermieter könne sich nicht auf eigene Ansprüche aus dem Zweiten Sozialgesetzbuch berufen.

Der Vermieter argumentierte nun damit, dass die Behörde die Kosten des Energieversorgers direkt begleiche. Bei seinen Mietnebenkosten sei dies nicht der Fall. Darin liege eine Ungleichbehandlung und somit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Auch Mietschulden seien inzwischen aufgelaufen. Er versuchte, das Jobcenter aus Amtshaftung auf Zahlung von insgesamt 4.000 Euro in Anspruch zu nehmen.

Das Landessozialgericht wies die Klage ab: Trotz Direktzahlung habe der Vermieter keinerlei eigene Ansprüche gegenüber dem Jobcenter. Die Direktzahlung solle nur gewährleisten, dass ALG II-Empfänger das Geld für Unterkunft und Heizung nicht anderweitig ausgeben. Der Zweck sei nicht die leichtere Geltendmachung von Mietforderungen durch den Vermieter.

Dieser verlor nicht nur den Prozess, sondern musste auch die Prozesskosten tragen. Denn: Im Gegensatz zum Leistungsempfänger ist dessen Vermieter im Prozess vor dem Sozialgericht nicht von den Gerichtskosten befreit (Urteil vom 3.2.2022, Az. L 11 AS 578/20).

Kein Anspruch auf pünktliche Zahlung der Miete!


Vermieter und Mieter sollten sich allerdings darüber im Klaren sein, dass die Direktzahlung durch das Jobcenter an den Vermieter keine Garantie dafür ist, dass die Miete nun künftig immer pünktlich gezahlt wird.

So können beispielsweise langwierige Entscheidungs- und Arbeitsprozesse der Behörde immer wieder einmal Verzögerungen bei den Zahlungen verursachen. Zu einer pünktlichen Zahlung der Miete „am dritten Werktag des Monats“ kommt es oft wegen der internen Abläufe der Behörde nicht.

Wenn der ALG II-Empfänger wieder eine Arbeit findet und sein Leistungsbezug endet, fließt auch kein Geld mehr an den Vermieter – und zwar, ohne dass dieser gegenüber der Behörde ein Recht auf Auskunft hätte, warum das so ist. Der Vermieter muss sich also bei ausbleibenden Zahlungen der Behörde an seinen Mieter wenden, um mit diesem das weitere Vorgehen zu vereinbaren.

Kündigung wegen unpünktlicher Zahlung des Jobcenters?


Grundsätzlich ist eine Kündigung wegen unpünktlicher Mietzahlung möglich, hat der Bundesgerichtshof entschieden. Aber nicht pauschal in jedem Fall. Entweder muss ein Verschulden des Mieters vorliegen (zu spät Sozialleistungen beantragt) oder der Vermieter muss nachweisen, dass er auf pünktlichen Zahlungseingang angewiesen ist, weil es ihm beispielsweise selbst finanziell schlecht geht oder er pünktlich Kredite bedienen muss. Dann ist ihm ein unpünktlicher Zahlungseingang nicht zuzumuten. Berücksichtigt wird auch, wie oft und um wie viel Zeit sich die Zahlungen verspätet haben (Urteil vom 29.6.2016, Az. VIII ZR 173/15).

Praxistipp


Empfänger von Hartz IV bzw. ALG II können durchaus ein Interesse an einer Direktzahlung von Miete und Heizkosten an den Vermieter haben. In so manchem Fall kann auf diese Weise eine Kündigung wegen Mietschulden vermieden werden. Dies können ALG II-Bezieher selbst beantragen. Erweisen sie sich als unzuverlässig, kann es auch von der Behörde angeordnet werden. Kommt es zu Unstimmigkeiten mit dem Jobcenter, empfiehlt sich eine Beratung durch einen Fachanwalt für Sozialrecht.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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