Bürgergeld: Welche Leistungen, Pflichten und Sanktionen gibt es?

30.06.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Bürgergeld,Hartz IV,ALG II,Sozialrecht Bürgergeld: Welche Rechte und Pflichten haben die Empfänger? © - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Kernziel des Bürgergeldes: Die Bürgergeld-Reform soll die individuelle Betreuung von Langzeitarbeitslosen im Jobcenter stärken, sowie mehr Weiterbildung und Qualifizierung für Jobs bringen, die der Arbeitsmarkt tatsächlich benötigt.

2. Erhöhte Leistungen: Die Bezüge in der Grundversorgung wurden über alle Gruppen von Leistungsbeziehern hinweg erheblich angehoben. Zudem gibt es neue Grenzen für das Schonvermögen und den Hinzuverdienst - außerdem das neue Weiterbildungsgeld.

3. Mitwirkungspflichten: Auch im Rahmen des Bürgergeldes gibt es Mitwirkungspflichten der Leistungsbezieher zur Integration in den Arbeitsmarkt. Wirkt ein Hilfeempfänger nicht ausreichend mit, versäumt etwa Termine oder bewirbt sich nicht auf ihm angebotene Jobs, drohen ihm Sanktionen in Form von Leistungskürzungen.
Das Bürgergeld hat das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld abgelöst. Zielrichtung des Bürgergeldes ist es, aus langzeitarbeitslosen Leistungsbeziehern, Fachkräfte zu machen, die der Arbeitsmarkt auch tatsächlich braucht. Zu diesem Zweck wurde ein neues Anreizsystem mit Weiterbildungsgeld und Zielprämien eingerichtet. Außerdem gibt es neu das sogenannte Coaching, mit dem grundsätzliche Probleme hinsichtlich der Beschäftigungsfähigkeit erkannt und beseitigt werden sollen.

Update 14.11.2023: CDU will das Bürgergeld in seiner jetzigen Form abschaffen


Die CDU will das Bürgergeld in seiner jetzigen Form wieder abschaffen. CDU-Generalsekretär Linnemann äußerte sich wie folgt: "Wer nicht arbeiten will, muss das nicht tun - er kann dann aber auch nicht erwarten, dass die Allgemeinheit für seinen Lebensunterhalt aufkommt". Notwendig seien mehr Anreize für die Jobaufnahme. Jeder, der arbeiten könne und Sozialleistungen beziehe, müsse nach spätestens sechs Monaten einen Job annehmen, ansonsten gemeinnützig arbeiten.

Geplante Erhöhung des Bürgergeldes ab Anfang des Jahres 2024


Das Bundesministerium für Soziales hat bekanntgegeben, dass ab Anfang des Jahres 2024 die Leistungen im Rahmen des Bürgergeldes kräftig erhöht werden sollen. Der monatliche Leistungssatz in der Grundversorgung soll ab Anfang 2024

- für Alleinstehende von 502 auf 563 Euro,
- mit Partnern zusammenlebende Erwachsene von 451 auf 506 Euro,
- für Jugendliche vom 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre von 420 auf 471 Euro,
- für Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres von 348 auf 390,
- für Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres von 318 statt 357 Euro

steigen.

Um welchen Betrag steigen beim Bürgergeld die Leistungen?


Die Bezüge in der Grundsicherung werden zum 1. Januar 2023 um 53 Euro auf 502 Euro für Alleinstehende angehoben. Ein Paar als Bedarfsgemeinschaft erhält 902 Euro. Außerdem gelten beim Bürgergeld folgende Sätze:

- Erwachsene unter 25, die noch bei ihren Eltern wohnen: 402 Euro,
- Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren: 420 Euro,
- Kinder von sechs bis 14 Jahren: 348 Euro,
- Kinder unter sechs Jahren: 318 Euro.

Die Anhebungen im Rahmen der Umstellung auf das Bürgergeld sollen helfen, die gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie auszugleichen.

Die Jobcenter wollen den höheren Betrag pünktlich auszahlen. Wer bereits ALG II erhält, muss keinen neuen Antrag stellen.

Welche Zuschüsse zur Miete gibt es?


Das Bürgergeld sieht eine einjährige Übergangszeit (Karenzzeit) vor, in der die Leistungsbezieher die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht selbst tragen müssen. Deshalb entfällt auch die Prüfung auf Angemessenheit der Wohnung durch das Jobcenter. Das bedeutet, dass auch die Kosten für eine besonders große oder teure Mietwohnung übernommen werden. Die Ampel-Koalition hatte insoweit ursprünglich zwei Jahre Karenzzeit geplant.

Ab wann sind Sanktionen beim Bürgergeld möglich?


Die sogenannte Vertrauenszeit sollte ein Zeitraum von sechs Monaten sein, in dem es auch bei mangelnder Kooperation der Leistungsempfänger keine Sanktionen wie etwa Leistungskürzungen geben sollte. Im Rahmen der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss wurde die Vertrauenszeit jedoch gestrichen.

Nun werden auch ihm Rahmen des Bürgergeldes von Anfang an abgestufte Kürzungen der Leistungen erfolgen, wenn die Hilfeempfänger nicht ausreichend mitwirken, Termine verpassen oder sich nicht auf angebotene Jobs bewerben.

Beim ersten Verstoß können die Zahlungen um zehn Prozent gekürzt werden – bei einer weiteren Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres um 20 Prozent und bei einem erneuten Regelbruch um 30 Prozent. Dies erinnert zwar an das bisherige Hartz IV-System. Der Unterschied: Die Kürzungen beim Bürgergeld sind deutlich geringer.

Bürgergeld: Welches Schonvermögen gibt es?


Als Schonvermögen bezeichnet man einen Vermögensbetrag, der nicht angetastet werden muss, obwohl der Betreffende staatliche Leistungen bezieht. Hier hatte die Ampel-Koalition zuerst 60.000 Euro eingeplant. Nun sind es 40.000 Euro für die erste Person einer Bedarfsgemeinschaft und 15.000 Euro für jede weitere Person. Das Vermögen wird allerdings nur innerhalb einer Karenzzeit von einem Jahr geschont.

Nicht angetastet durch das neue Bürgergeld wird jedoch die Altersvorsorge.

Außerdem werden in der einjährigen Karenzzeit die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe vom Jobcenter anerkannt und übernommen. Auch die Größe einer selbst genutzten eigenen Wohnung oder Immobilie spielt während dieser Zeit keine Rolle.

Wie sind die Hinzuverdienstgrenzen beim Bürgergeld?


Die Grenzen für den Hinzuverdienst sind deutlich großzügiger als zuvor unter Hartz IV.

Zum Bürgergeld können Schüler, Studierende und Auszubildende jeden Monat 520 Euro hinzuverdienen, ohne eine Leistungskürzung befürchten zu müssen. Damit wurden die Freibeträge für den Hinzuverdienst an die Minijob-Grenze angepasst. Schüler können in den Ferien sogar unbegrenzt hinzuverdienen, ohne das dieser Verdienst auf das Bürgergeld angerechnet wird.

Ab dem 1. Juli 2023 wird das Mutterschaftsgeld nicht mehr als Einkommen angerechnet.

Bei jedem Bürgergeldempfänger werden die ersten 100 Euro Hinzuverdienst nicht auf das Bürgergeld angerechnet. Von dem Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 100 Euro übersteigt, bleiben 20 Prozent anrechnungsfrei. Beträgt der Hinzuverdienst mehr als 520 Euro, werden 30 Prozent von diesem Teil des Verdienstes nicht angerechnet. Bei einem Hinzuverdienst von 1.000 bis 1.200 Euro sind zehn Prozent dieses Teils des Verdienstes anrechnungsfrei (§ 11b SGB II). Ist ein Kind vorhanden, gelten die zehn Prozent bis zu einem Hinzuverdienst von 1500 Euro.

Kooperationsplan statt Eingliederungsvereinbarung?


Ab dem 1. Juli 2023 gibt es anstatt der bisherigen Eingliederungsvereinbarung einen sogenannten Kooperationsplan. Dieser soll dem Bürgergeldempfänger und der Integrationsfachkraft vom Jobcenter einen Überblick über das Ziel und die wesentlichen Schritte der Zusammenarbeit mit dem Ziel einer Arbeitsaufnahme geben. Der Kooperationsplan soll möglichst konkret, kurz und übersichtlich sein und den Beteiligten so ermöglichen, sich auf wesentlichen Schritte zur Zielerreichung zu konzentrieren. Bei Unstimmigkeiten bei der Erstellung bzw. Fortschreibung des Kooperationsplans kann in einem Schlichtungsverfahren im zuständigen Jobcenter vermittel werden.

Was ist das neue Weiterbildungsgeld?


Ab 1. Juli 2023 gibt es das neue Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich. Hintergrund: Beim Bürgergeld steht die Qualifizierung arbeitsloser Menschen im Vordergrund. Zielrichtung ist es, aus den langzeitarbeitslosen Leistungsempfängern Fachkräfte zu machen, die der Markt braucht. Vor diesem Hintergrund bekommt jeder Leistungsempfänger, der eine Ausbildung oder eine Qualifizierung beginnt, die zu einem Berufsabschluss führt, monatlich 150 Euro Weiterbildungsgeld - zusätzlich zum Bürgergeld.
Für jede erfolgreiche Zwischenprüfung gibt es zusätzlich eine Prämie in Höhe von 1.000 Euro, für eine erfolgreiche Abschlussprüfung sogar 1.500 Euro.
Macht ein Bürgergeldempfänger eine Weiterbildung ohne konkreten Abschluss, die aber seiner Integration in den Arbeitsmarkt dienlich ist, erhält er einen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro monatlich.

Was hat es mit dem neuen Coaching auf sich?


Gibt es grundlegende Probleme mit der Beschäftigungsfähigkeit des Bürgergeldempfängers, kann das Jobcenter eine sogenannte ganzheitliche Betreuung (Coaching) bewilligen. Im Rahmen des Coachings soll mit dem Leistungsempfänger an allen Problemlagen gearbeitet werden, die ihn an einer Eingliederung in den Arbeitsmarkt hindern. Damit soll auch die Chance erhöht werden, das Potenzial des Leistungsberechtigen besser zu erkennen und für seine zielgerichtete Aus- bzw. Weiterbildung zu nutzen. Das Coaching wird in Kooperation mit externen Dienstleistern absolviert. Eine Pflicht des Leistungsbeziehers zur Teilnahme an einem Coaching besteht aber nicht, da das Vertrauensverhältnis zum Coach von großer Bedeutung für den Erfolg ist.

Wie muss ein Bürgergeldempfänger für das Jobcenter erreichbar sein?


Ab dem 1. Juli 2023 werden die Regelungen zur Ortsabwesenheit durch neue Regelungen zur Erreichbarkeit ersetzt. Nähere Informationen wurden dazu noch nicht veröffenlticht.

Welche zusätzlichen Leistungen gibt es für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene


Um bedürftigen Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, an Tagesausflügen und dem gemeinsamen Mittagessen in Schule und Kita, bei Musik, Sport und Spiel in Vereinen und Gruppen teilzunehmen, wurden mit dem Bürgergeld Bildungs- und Teilhabeleistungen eingeführt.
Für den persönlichen Schulbedarf sind im Kalenderjahr 2023 insgesamt 174 Euro vorgesehen; dieser Betrag wird jährlich fortgeschrieben. Eigenanteile für gemeinschaftliches Mittagessen sowie die Schülerbeförderung sind weggefallen. Die Lernförderung kommt nun unabhängig davon in Betracht, ob eine Versetzungsgefahr besteht oder nicht. Für die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei nachgewiesenem Bedarf 15 Euro monatlich pauschal gezahlt.

Ist Bürgergeld ein Weg in einen sinnvollen Beruf?


Manche Änderungen im Rahmen des Bürgergeldes werden erst zum 1. Juli 2023 wirksam. So soll bei der Tätigkeit der Jobcenter künftig mehr Wert darauf gelegt werden, Arbeitslose nicht in irgendeinen Aushilfsjob, sondern in eine für sie geeignete, dauerhafte Berufstätigkeit zu bringen. Dazu sollen mehr Ausbildungs- und Umschulungsangebote vermittelt und Betroffene in stärkerem Maße weiterqualifiziert werden.

Praxistipp zum Bürgergeld


Das Bürgergeld bringt seinen Empfängern einige zusätzliche Vorteile, unter anderem höhere Regelbeträge, Übergangszeiten und einen besseren Schutz von Erspartem. Wer im Streit mit dem Jobcenter um Geldleistungen und die Übernahme der Kosten für Wohnung und Heizung rechtliche Beratung benötigt, ist bei einem Fachanwalt für Sozialrecht gut aufgehoben.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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