Muss das Jobcenter die Kosten für eine Räumungsklage zahlen?
07.08.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. Frühe Information wichtig: Wer von einer Räumungsklage bedroht ist und Leistungen vom Jobcenter bezieht, sollte das Jobcenter sofort informieren, da es unter Umständen Mietschulden übernehmen kann, um Wohnungslosigkeit zu verhindern.
2. Kostenübernahme nur im Ausnahmefall: Das Jobcenter kann Mietschulden übernehmen, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft notwendig und die zukünftige Mietzahlung gesichert ist.
3. Keine Pflicht zur Hilfe: Es besteht kein Rechtsanspruch auf Kostenübernahme. Das Jobcenter entscheidet nach Ermessen. Dabei spielen u.a. die Höhe der Schulden, des Verhaltens des Mieters und der Aussicht auf Wohnraumerhalt eine Rolle.
1. Frühe Information wichtig: Wer von einer Räumungsklage bedroht ist und Leistungen vom Jobcenter bezieht, sollte das Jobcenter sofort informieren, da es unter Umständen Mietschulden übernehmen kann, um Wohnungslosigkeit zu verhindern.
2. Kostenübernahme nur im Ausnahmefall: Das Jobcenter kann Mietschulden übernehmen, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft notwendig und die zukünftige Mietzahlung gesichert ist.
3. Keine Pflicht zur Hilfe: Es besteht kein Rechtsanspruch auf Kostenübernahme. Das Jobcenter entscheidet nach Ermessen. Dabei spielen u.a. die Höhe der Schulden, des Verhaltens des Mieters und der Aussicht auf Wohnraumerhalt eine Rolle.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wann muss das Jobcenter eine Räumungsklage bezahlen? Räumungsklage: Wer zahlt die Gerichtskosten und warum? Wer trägt die Kosten, wenn die Klage zurückgenommen wird? Wann muss das Jobcenter die Gerichtskosten bezahlen? Praxistipp zur Übernahme von Gerichtskosten durch das Jobcenter Wann muss das Jobcenter eine Räumungsklage bezahlen?
Das Landessozialgericht in Stuttgart befasste sich mit dem Fall eines psychisch kranken Mieters. Dieser hatte über Jahre ALG II-Leistungen bekommen, entsprechend dem heutigen Bürgergeld. Nach sechs Jahren verlangte das Jobcenter von ihm, einen Rentenantrag zu stellen. Als Rentner wäre er kein ALG II-Bezieher mehr gewesen und man hätte ihm nichts mehr zu zahlen brauchen. Um das Ganze zu beschleunigen, forderte die Behörde auch gleich die Deutsche Rentenversicherung auf, die Erwerbsfähigkeit des Mannes zu prüfen, und stellte selbst einen Rentenantrag. Die Rentenversicherung leitete daraufhin das Rentenverfahren ein.
Allerdings kam dieses Verfahren nicht voran. Nun strich das Jobcenter dem Mann seine Leistungen. Die Begründung: Er habe Formulare für die Rentenversicherung nicht ausgefüllt. Wenig überraschend konnte er deswegen seine Miete nicht mehr bezahlen. Sein Vermieter kündigte ihm den Mietvertrag und erhob Räumungsklage.
Nun schickte der Mann die Rentenformulare doch noch ein. Das Jobcenter überwies wieder ALG II und Miete. Der Vermieter zog die Räumungsklage zurück. Allerdings gab es ein Problem: Auch Gerichte arbeiten nicht kostenlos. Die Gerichtskosten für die Räumungsklage hätte normalerweise der Mieter zahlen müssen.
Räumungsklage: Wer zahlt die Gerichtskosten und warum?
Wenn ein Vermieter eine Räumungsklage erheben will, muss er zunächst einen Kostenvorschuss entrichten. Dessen Höhe ist vom Streitwert abhängig, in diesem Fall von der Jahresnettomiete der Wohnung. Verliert der Vermieter die Räumungsklage, muss er diese Kosten selbst tragen. Gewinnt der Vermieter das Verfahren und wird der Mieter zur Räumung der Wohnung verurteilt, muss der Mieter die Gerichtskosten zahlen.
Wer trägt die Kosten, wenn die Klage zurückgenommen wird?
Bis zur mündlichen Gerichtsverhandlung kann der Vermieter die Klage noch zurücknehmen. Die bis dahin entstandenen Gerichtskosten bezahlt grundsätzlich der Kläger. Wenn dieser jedoch die Klage zurückgenommen hat, weil der Grund für die Klage entfallen ist – zum Beispiel, weil der Mieter im letzten Moment doch noch die Miete gezahlt hat – liegt es im Ermessen des Gerichts, wem es die Kosten auferlegt (§ 269 Abs. 3 S. 3 Zivilprozessordnung). Dabei muss es den Sachstand im jeweiligen Fall berücksichtigen. Hat der Mieter also aus Sicht des Gerichts das Verfahren provoziert, wird er sehr wahrscheinlich die Kosten tragen müssen.
Der Mieter kann also zum Bezahlen der Gerichtskosten verpflichtet sein, weil er durch sein Verhalten die Klage herausgefordert hat. Genauso war es im Stuttgarter Fall: Der Mieter sollte 857,68 Euro an Gerichtskosten für die zurückgenommene Räumungsklage an das zuständige Zivilgericht zahlen. Das Landessozialgericht war jedoch anderer Meinung.
Wann muss das Jobcenter die Gerichtskosten bezahlen?
Laut Urteil des Landessozialgerichts musste in diesem Fall nicht der Mieter, sondern das Jobcenter die Kosten für die zurückgenommene Räumungsklage übernehmen. Hauptargument gegen den Mieter war hier ja gewesen, dass dieser seine Rentenformulare nicht eingereicht und damit die Streichung seiner Sozialleistungen provoziert habe. Aber: Laut Gericht konnte nicht geklärt werden, welchen Sinn die vom Mieter nicht ausgefüllten Formulare überhaupt haben sollten. Die Deutsche Rentenversicherung trifft ihre Entscheidung, ob jemand eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bekommt, nämlich auf Basis von Gutachten. Das Rentenverfahren lief ja bereits. Von dem arbeitslosen Mieter waren also gar keine Rentenantragsformulare mehr auszufüllen. Aus Sicht des Gerichts machte es daher keinerlei Sinn, ihm die Leistungen zu kürzen, weil er diese nicht ausfüllte.
Das Gericht bemängelte außerdem, dass das Jobcenter gar nicht geprüft habe, ob der Mann wegen seiner psychischen Erkrankung überhaupt in der Lage war, Behördenformulare auszufüllen. Abgesehen davon, dass unter diesen Umständen gar keine Leistungskürzung hätte stattfinden dürfen, habe der Mann zumindest Anspruch auf eine grundlegende Existenzsicherung gehabt. Es habe keinen vernünftigen Grund gegeben, ihm gleich den kompletten Sozialleistungsbezug ersatzlos zu streichen. Das Jobcenter habe diese Entscheidung nicht einmal begründet.
Daher seien die Mietrückstände nicht vom Mieter durch sein Verhalten verschuldet worden, sondern allein vom Jobcenter. Aus diesem Grund müsse das Jobcenter die Gerichtskosten tragen, und zwar als einen sogenannten "einmaligen Unterkunftsbedarf" (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6.7.2017, Az. L 9 AS 1742/14). Die Revision des Jobcenters beim Bundessozialgericht wurde abgewiesen – wegen mangelhafter Begründung und Fristversäumnissen (Az. B 14 AS 25/17 R).
Praxistipp zur Übernahme von Gerichtskosten durch das Jobcenter
Hier handelt es sich zwar um eine eher ungewöhnliche Fallkonstellation. Sie zeigt aber, dass auch Bürgergeld-Empfänger nicht schutzlos den Ermessensentscheidungen des Jobcenters ausgesetzt sind. Auch ein psychisch kranker Mensch kann einen Prozess durch mehrere Instanzen gewinnen. Wenn Bürgergeld oder andere Leistungen ohne sinnvolle Begründung gestrichen werden, empfiehlt sich eine Beratung durch einen Fachanwalt für Sozialrecht. Ist das Geld knapp, gibt es die Möglichkeiten der Beratungshilfe und der Prozesskostenhilfe.
(Ma)