Muss das Jobcenter die Kosten für eine Räumungsklage zahlen?

09.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Räumungsklage,Gerichtskosten,Jobcenter,Mietschulden Räumungsklage nach Leistungsstreichung: Wer zahlt die Kosten? © Bu - Anwalt-Suchservice

Unter bestimmten Voraussetzungen muss das Jobcenter für Bürgergeld-Empfänger die Kosten für Unterkunft und Heizung bezahlen – und manchmal sogar Gerichtskosten, die es selbst verursacht hat.

Stellt das Jobcenter die Bürgergeld-Zahlungen ein, geraten Leistungsempfänger schnell in Existenznot. Dies gilt auch für den Bereich der Wohnkosten. Wer zur Miete wohnt, hat umgehend die Kündigung wegen Mietschulden im Briefkasten. Denn: Sobald ein Mieter mit zwei Monatsmieten in Verzug gerät, ist der Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages berechtigt.

Wann übernimmt das Jobcenter die Miete?


Empfänger von Bürgergeld haben Anspruch auf den Regelsatz. Das Jobcenter übernimmt zusätzlich die Wohnkosten, genauer die Kosten für Unterkunft (Kaltmiete) und Heizung. Hier gibt es jedoch mehrere Einschränkungen. So zahlt die Behörde zwar grundsätzlich die tatsächlich anfallenden Kosten. Dies tut sie aber nur, wenn diese auch angemessen sind. Ebenso muss die Größe der Wohnung angemessen sein.

Aber: Die Angemessenheit der Wohnung fällt nicht sofort ins Gewicht. Das Gesetz sieht eine einjährige Karenzzeit vor, innerhalb welcher der Bedarf für Unterkunft und Heizung in der vollen Höhe der tatsächlichen Kosten anerkannt wird. Diese beginnt mit dem Beginn des Monats, für den erstmals Bürgergeld-Leistungen bezogen werden. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit jeweils um die vollen Monate ohne Leistungsbezug.

Welche Wohnungsgröße und Miete sind angemessen?


Bei einer Einzelperson gelten 45 bis 50 Quadratmeter als angemessen, bei zwei Personen sind es meist 60 Quadratmeter. Die Höhe der angemessenen Miete unterscheidet sich von Stadt zu Stadt. Sie richtet sich natürlich auch nach dem Mietniveau vor Ort. Gibt es keine besonderen Regelungen, kann auch das Wohngeldgesetz zu Rate gezogen werden. Dieses gibt Höchstgrenzen vor, die von der Anzahl der Haushaltsmitglieder und der Mietenstufe abhängen. Überschreitet die tatsächliche Miete diese Beträge, muss das Jobcenter keinen höheren Betrag bezahlen.

Geregelt ist dies in § 22 des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II).

Unter welchen Voraussetzungen zahlt das Jobcenter die Wohnkosten?


Die Kosten für Unterkunft und Heizung übernimmt das Jobcenter für Leistungsempfänger nur, wenn entweder die Voraussetzungen für die Hilfe zum Lebensunterhalt vorliegen oder diejenigen für eine Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Auch sind einige Formalien zu beachten. Beispielsweise müssen Leistungsempfänger vor einem Umzug die Zustimmung des Jobcenters einholen, welches die Wohnkosten übernehmen soll.

Was passiert bei unangemessen hohen Kosten?


Es besteht grundsätzlich durchaus die Möglichkeit, dass das Jobcenter auch Wohnkosten übernimmt, die es eigentlich für unangemessen hoch hält. Möglich ist dies nach Ablauf der Karenzzeit für maximal sechs Monate, wenn der Leistungsempfänger keine Möglichkeit hat, seine Wohnkosten kurzfristig zu verringern. Dies kann zum Beispiel durch den Umzug in eine billigere Wohnung geschehen oder durch die Untervermietung eines Zimmers. Ist ein Umzug wegen Krankheit oder hohen Alters nicht möglich, können die erhöhten Kosten auch für einen längeren Zeitraum gezahlt werden.

Was passiert bei Mietschulden und Stromschulden?


Von Mietschulden spricht man, wenn der Mieter mit Zahlungen schon im Rückstand ist. Häufig bestehen dann auch Zahlungsrückstände bei Versorgungsunternehmen, wie etwa dem Stromanbieter. Wenn der Mieter Bürgergeld erhält, kann das Jobcenter auch Mietschulden oder Stromkosten-Rückstände übernehmen. Voraussetzung ist jedoch, dass dies zur "Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist". Wenn Wohnungslosigkeit einzutreten droht, "soll" die Behörde die Schulden übernehmen (§ 22 Abs. 8 des Zweiten Sozialgesetzbuches, SGB II).

Wann übernimmt das Jobcenter Mietschulden als Darlehen?


Rückständige Zahlungen für Miete und Energiekosten übernimmt das Jobcenter oft in Form eines Darlehens. Die Betroffenen müssen es dann in Raten zurückzahlen. Die rechtliche Grundlage ist § 22 Abs. 8 SGB II. Sobald Mietrückstände vorhanden sind, die den Vermieter zur Kündigung berechtigen, ist das Jobcenter gehalten, die laufenden Wohnkosten in Zukunft direkt an den Vermieter zu überweisen.

Näheres zu diesem Thema finden Sie hier:
Bürgergeld: Welche Kosten für Unterkunft und Heizung übernimmt das Job-Center?

Wann muss das Jobcenter eine Räumungsklage bezahlen?


Das Landessozialgericht in Stuttgart beschäftigte sich mit dem Fall eines psychisch kranken Mieters. Dieser hatte über Jahre ALG II-Leistungen bekommen. Nach sechs Jahren verlangte das Jobcenter von ihm, einen Rentenantrag zu stellen. Als Rentner wäre er kein ALG II-Bezieher mehr gewesen. Um das Ganze zu beschleunigen, forderte die Behörde auch gleich die Deutsche Rentenversicherung auf, die Erwerbsfähigkeit des Mannes zu prüfen, und stellte selbst einen Rentenantrag. Dies führte zur Einleitung des Rentenverfahrens.

Nur kam das Verfahren nicht voran. Daraufhin strich das Jobcenter dem Mann sein ALG II, weil er Formulare für die Rentenversicherung nicht ausgefüllt habe. Wenig überraschend konnte er daher seine Miete nicht mehr bezahlen. Sein Vermieter kündigte ihm den Mietvertrag und erhob Räumungsklage.

Nun schickte der Mann die Rentenformulare doch noch ein. Das Jobcenter überwies wieder ALG II und Miete und der Vermieter zog die Räumungsklage zurück. Das Problem: Auch Gerichte arbeiten nicht kostenlos. Die Gerichtskosten für die Räumungsklage hätte im Normalfall der Mieter zahlen müssen.

Räumungsklage: Wer zahlt die Gerichtskosten und warum?


Will ein Vermieter eine Räumungsklage erheben, muss er zunächst einen Kostenvorschuss bezahlen. Dessen Höhe hängt vom Streitwert ab, hier von der Jahresnettomiete der Wohnung. Wenn der Vermieter verliert, muss er die Kosten selbst tragen. Gewinnt der Vermieter das Verfahren und wird der Mieter zur Räumung der Wohnung verurteilt, muss der Mieter die Gerichtskosten bezahlen.

Die Klage kann bis zur mündlichen Gerichtsverhandlung zurückgenommen werden. Die bis dahin entstandenen Gerichtskosten bezahlt grundsätzlich der Kläger. Hat dieser jedoch die Klage zurückgenommen, weil der Grund für die Klage entfallen ist – zum Beispiel, weil der Mieter im letzten Moment doch noch die Miete gezahlt hat – liegt es im Ermessen des Gerichts, wem es die Kosten auferlegt (§ 269 Abs. 3 S. 3 Zivilprozessordnung). Es muss dabei den Sachstand im jeweiligen Fall berücksichtigen.

Der Mieter kann also zum Bezahlen der Gerichtskosten verpflichtet sein, weil er durch sein Verhalten die Klage herausgefordert hat. So war es hier: Der Mieter sollte 857,68 Euro an Gerichtskosten für die zurückgenommene Räumungsklage an das zuständige Zivilgericht zahlen. Aber: Das Landessozialgericht war anderer Meinung.

Wann muss das Jobcenter die Gerichtskosten bezahlen?


Nach dem Urteil des Landessozialgerichts muss nicht der Mieter, sondern das Jobcenter die Kosten für die zurückgenommene Räumungsklage tragen. Dem Gericht zufolge konnte nämlich nicht geklärt werden, welchen Sinn die vom Mieter nicht ausgefüllten Formulare überhaupt haben sollten. Die Deutsche Rentenversicherung trifft ihre Entscheidung, ob jemand eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bekommt, auf Basis von Gutachten. Hier lief das Rentenverfahren bereits. Von dem arbeitslosen Mieter waren gar keine Rentenantragsformulare mehr auszufüllen. Daher machte es aus Sicht des Gerichts keinerlei Sinn, ihm die Leistungen zu kürzen, weil er sie nicht ausfüllte.

Auch bemängelte das Gericht, dass das Jobcenter nicht geprüft habe, ob der Mann wegen seiner psychischen Erkrankung überhaupt in der Lage war, Behördenformulare auszufüllen. Abgesehen davon, dass unter diesen Umständen gar keine Leistungskürzung hätte stattfinden dürfen, habe der Mann zumindest Anspruch auf eine grundlegende Existenzsicherung gehabt. Es habe keinen vernünftigen Grund gegeben, ihm gleich den gesamten Sozialleistungsbezug ersatzlos zu streichen. Obendrein habe das Jobcenter diese Entscheidung gar nicht begründet.

Die Mietrückstände seien nicht vom Mieter durch sein Verhalten verschuldet worden, sondern allein vom Jobcenter. Daher müsse dieses die Gerichtskosten tragen, und zwar als einen sogenannten "einmaligen Unterkunftsbedarf" (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6.7.2017, Az. L 9 AS 1742/14). Die Revision des Jobcenters beim Bundessozialgericht wurde abgewiesen – wegen mangelhafter Begründung und Fristversäumnissen (Az. B 14 AS 25/17 R).

Praxistipp zur Übernahme von Gerichtskosten durch das Jobcenter


Hier handelt es sich zwar um eine eher ungewöhnliche Fallkonstellation. Sie zeigt aber, dass auch Bürgergeld-Empfänger nicht schutzlos den Ermessensentscheidungen des Jobcenters ausgesetzt sind. Auch ein psychisch kranker Mensch kann einen Prozess durch mehrere Instanzen gewinnen. Werden Leistungen ohne sinnvolle Begründung gestrichen, empfiehlt sich eine Beratung durch einen Fachanwalt für Sozialrecht. Ist das Geld knapp, gibt es die Möglichkeiten der Beratungshilfe und der Prozesskostenhilfe.

(Ma)


 Ulf Matzen
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