Polizeieinsatz nach Fehlalarm: Wer trägt die Kosten?

22.07.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 6 Min. (29386 mal gelesen)
Schild,Polizeistation Wer einen Fehlalarm verursacht, muss unter Umständen dafür zahlen. © Rh - Anwalt-Suchservice

Nicht immer wird ein Polizeieinsatz tatsächlich durch eine Straftat oder Notlage verursacht. Häufig handelt es sich um einen Fehlalarm. Wann hat der Alarmierende den unnötigen Einsatz zu bezahlen?

Von einem Fehlalarm ist die Rede, wenn Polizei oder Rettungskräfte gerufen werden, ohne dass dafür ein echter Grund existiert. Ein derartiger „falscher Alarm“ kostet Zeit, Personal und Kapazitäten. Diese werden aber unter Umständen dann für einen echten Einsatz benötigt. Bürger, die einen Fehlalarm auslösen, werden jedoch nicht in jedem Fall zur Zahlung der Einsatzkosten herangezogen. Schließlich würde dann wohl niemand mehr im Zweifelsfall die Polizei rufen. In ganz bestimmten Fällen allerdings flattert trotz allem eine Rechnung ins Haus.

Welche Gründe gibt es für einen Fehlalarm?


Häufig lösen Bürger einen Fehlalarm aus, die meinen, eine Straftat oder eine Notlage bemerkt zu haben. Dies kann von einer hilflosen Person auf dem Gehsteig bis zum heulenden Rauchmelder in einer Wohnung reichen. Ein dunkel gekleideter Mensch, der sich verdächtig an einer Haustür zu schaffen macht, mag jedoch nur ein angetrunkener Hausbewohner sein. Merkwürdige Geräusche am Kellerfenster stammen womöglich in Wirklichkeit von einem Igel, der in den Fensterschacht gepurzelt ist. Ein lautstarker Streit unter Betrunkenen hat sich vielleicht längst erledigt, bis die Polizei kommt. Eine reglos in einem Hauseingang liegende Person ist vielleicht nur ein schlafender Obdachloser. Sogar Papageien oder Hilferufe aus dem Fernseher sollen bereits zu Polizeieinsätzen geführt haben. Und es gibt durchaus auch Paare, die sich vom Liebesspiel bei offenem Fenster so mitreißen lassen, dass die ganze nähere Umgebung beschallt wird – auch solche Geräusche werden manchmal falsch ausgelegt. Nicht zuletzt verursachen oft auch Alarmanlagen aus technischen Gründen einen falschen Alarm. Und auch absichtlich ausgelöste Fehlalarme kommen vor.

Wann ist ein Fehlalarm kostenpflichtig?


Hat tatsächlich ein echter Notfall den Einsatz ausgelöst, werden keine Gebühren erhoben. Allerdings sehen die Verwaltungsgebührenordnungen der Bundesländer durchaus Gebühren für einen Einsatz infolge eines Fehlalarms bzw. Falschalarms vor. So werden regelmäßig Gebühren fällig, wenn eine automatische Einbruchs-Alarmanlage einen Fehlalarm produziert.
Zum Beispiel sieht die Gebührenordnung in Nordrhein-Westfalen bei missbräuchlicher Alarmierung oder einer vorgetäuschten Gefahrenlage Gebühren von 50 bis 100.000 Euro vor. Diese Beträge werden verständlich, wenn man sich vorstellt, welche Kosten zum Beispiel eine Personensuche in freier Natur mit Hundertschaften, Hunden und Hubschraubern verursachen kann.
Einsatzkosten können auch dann erhoben werden, wenn ein Nachbar die Polizei ruft, weil nebenan eine Alarmanlage heult. Hier wird allerdings in der Regel nicht der alarmierende Nachbar zur Kasse gebeten, sondern der Eigentümer des Hauses, das durch die Alarmanlage geschützt werden sollte. Dieser trägt nämlich die Verantwortung dafür, dass seine Technik keine Fehlalarme verursacht.

Wer muss zahlen?


In manchen Fällen ist unklar, wer zahlen muss. Bei Falschalarmen durch eine Überfall- oder Einbruchmeldeanlage wird dies zum Teil davon abhängig gemacht, ob die Anlage über eine externe Zentrale betrieben wird. Wenn ja, muss das Unternehmen zahlen, das die Meldezentrale betreibt. Ohne Zentrale zahlt der Betreiber der Anlage. Bei kombinierten Anlagen wird das Unternehmen zur Zahlung herangezogen, welches die Zentrale betreibt, falls durch sie die erste Meldung an die Polizei geht – sonst ist wieder der Betreiber in der Pflicht. So wurde es lange in NRW gehandhabt. Von Bürgern wurde für Fehlalarme eine Gebühr von 110 Euro verlangt.

Aber: Seit Mitte 2016 verzichtet die Polizei in NRW darauf, von privaten Hausbesitzern Gebühren für Fehlalarme zu erheben. Moderne Sicherheitstechnik ist ein wichtiges Abwehrmittel gegen Einbrecher. Den Bürger durch Gebühren für Fehlalarme von der Anschaffung einer Alarmanlage oder vom Anruf bei der Notrufnummer 110 abzuschrecken, ist nicht Sinn der Sache.

Rückt die Polizei aufgrund einer missbräuchlichen Alarmierung durch einen Menschen oder wegen einer vorgetäuschten Gefahrenlage an, können in NRW nach wie vor mindestens 50 Euro und höchstens 100.000 Euro erhoben werden. Hier steht nicht klar in der Vorschrift, von wem. Man kann aber davon ausgehen, dass es die Person sein wird, die in irgendeiner Form vorsätzlich den Polizeieinsatz ausgelöst hat.

Alarm durch missverständliches Verhalten


Grenzfälle stellen Falschalarme durch missverständliches Verhalten dar. So hatte zum Beispiel ein Mann, der gerade keine Lust auf ein Treffen mit seiner Ex-Freundin hatte, dieser gesimst, dass er gerade überfallen und zusammengeschlagen worden wäre. Die Frau rief die Polizei, welche ihn unbeschadet zu Hause antraf. Der Mann erhielt einen Gebührenbescheid über 148 Euro. Das Verwaltungsgericht Arnsberg entschied jedoch, dass er die Gebühr nicht zahlen müsse. Schließlich habe er mit seiner SMS nicht die Absicht verfolgt, einen Polizeieinsatz auszulösen – er habe sich nur vor dem Date mit der Ex drücken wollen (Urteil vom 16. März 2010, Az. 11 K 2004/09).

Polizeieinsatz durch zu lauten Sex?


Manchmal vergnügt sich ein Paar derartig laut, dass dies auch außerhalb der eigenen vier Wände bis auf die Straße zu hören ist. Es soll schon vorgekommen sein, dass besorgte Nachbarn die Geräusche falsch ausgelegt und die Polizei gerufen haben, weil sie eine Straftat vermuteten. Wer bezahlt dann den Einsatz?

Nach dem oben Gesagten wird das Paar meist nicht die Einsatzkosten zahlen müssen. Immerhin kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Betreffenden eine Notlage vortäuschen oder etwa einen Polizeieinsatz verursachen wollten. Auch der besorgte Anrufer wird höchstens dann zur Kasse gebeten, wenn der Eindruck entsteht, dass er die Situation mit voller Absicht fälschlicherweise als Notlage dargestellt hat. Im Allgemeinen ist zu lauter Sex eher ein Grund für Beschwerden wegen Ruhestörung. Hilft ein freundlicher Hinweis an die Nachbarn nicht und ist die Nachtruhe nicht nur im Einzelfall, sondern auf Dauer gestört, können Nachbarn hier durchaus die Polizei rufen – dann aber natürlich direkt wegen Ruhestörung und nicht mit der Begründung, dass nebenan ein Verbrechen geschieht.

Übrigens: Es kommt recht oft vor, dass die Polizei wegen lauten Stöhn- und Schnaufgeräuschen gerufen wird, die jemand nachts aus seinem Garten hört – weil sich dort zwei Igel vergnügen. Auch in diesen Fällen ist nichts von einer Gebührenberechnung bekannt.

Der verlassene Koffer am Bahnsteig


Unerwartet teuer kann es werden, wenn man seinen Koffer am Bahnhof vergisst oder einfach am Bahnsteig stehen lässt. Da man heutzutage immer mit Anschlägen rechnen muss, ist das Personal der Bahn gehalten, in solchen Fällen stets die Bundespolizei zu alarmieren. Diese erhebt zwar vom Besitzer eines schließlich als harmlos erkannten Gepäckstücks bisher keine Gebühren. Aber: Muss der Bahnsteig oder der komplette Bahnhof gesperrt werden und kann der Zug nicht abfahren, weil erst die Sprengstoffspezialisten mit Hunden und Robotern anrücken müssen, um den Koffer zu untersuchen, kann die Bahn vom Kofferbesitzer Schadensersatz verlangen. Dies wird sie in der Regel auch tun.

Wann kommt der Steuerzahler für den Fehlalarm auf?


Dies ist der Fall, wenn es keinen Verantwortlichen gibt, dem man nach den oben dargestellten Regeln die Gebühren für den Einsatz berechnen kann. Hat eine bestimmte Person mit dem Vorsatz gehandelt, einen grundlosen Polizeieinsatz auszulösen, trägt diese Kosten auch der Schuldige und nicht der Steuerzahler.

Wann macht man sich strafbar?


Nach § 145 des Strafgesetzbuches (StGB) - „Missbrauch von Notrufen“ - machen sich Personen strafbar, die Notrufe oder Notzeichen missbrauchen oder vortäuschen, dass andere Hilfe brauchen. Hier droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Aber: Dies gilt nur, wenn es absichtlich oder wissentlich geschieht. Strafbar macht sich also nur, wer in dem Wissen, dass kein Notfall vorliegt, einen Notruf absetzt oder Notzeichen missbraucht. Mit einem Notruf ist hier das Anrufen der Telefonnummern 110 oder 112 gemeint, oder auch das Betätigen von Feuermeldern oder anderen Alarmeinrichtungen.

Ein mündlicher Hilferuf gilt als Notruf, wenn die Umstände nahelegen, dass fremde Hilfe dringend nötig ist. Ein Hilferuf bei einem harmlosen häuslichen Streit soll in der Regel nicht als Notruf gelten, für den man sich strafbar macht – hier kommt es aber auf die Umstände an.

Notzeichen sind allgemein anerkannte Notsignale. Dazu gehören zum Beispiel der SOS-Morsecode oder Leuchtkugeln bzw. entsprechende Tonsignale auf See oder im Gebirge. Auch diese darf man also nicht ohne Not benutzen. Ausführlich erläutert hat dies zum Beispiel das Oberlandesgericht Bamberg in seinem Beschluss vom 9.3.2011, Az. 3 Ss 20/11.

Praxistipp


Wenn ein teurer Gebührenbescheid im Briefkasten liegt, ist es anzuraten, diesen von einem auf das Verwaltungsrecht spezialisierten Anwalt auf seine Rechtmäßigkeit hin prüfen zu lassen. Wer eine Vorladung der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erhält, sollte sich mit einem Fachanwalt für Strafrecht in Verbindung setzen.

(Ma)


Sie benötigen Hilfe bei Ihrer Suche nach dem richtigen Anwalt? Dann schreiben Sie uns über unser Kontaktformular. Wir helfen Ihnen kostenlos und unverbindlich.


 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion
 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion