Teures Arbeitsgerät kaputt: Wann hafte ich als Arbeitnehmer?

28.05.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Schäden,Arbeitsplatz,Haftung,Arbeitnehmer Arbeitnehmer müssen oft für verursachte Schäden aufkommen - zumindest anteilig. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Arbeitnehmerhaftung: Verursachen Arbeitnehmer bei der Arbeit einen Schaden am Eigentum des Arbeitgebers, richtet sich ihre Haftung nach dem Grad ihres Verschuldens.

2. Verschuldensgrad: Maßstab für den Grad des Verschuldens ist, ob der Schaden durch den Arbeitnehmer vorsätzlich, grob oder leicht fahrlässig herbeigefürt wurde.

3. Abgrenzung: Vorsatz bedeutet absichtliches Herbeiführen des Schadens. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer jede vernünftige Sorgfalt vernachlässigt. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer die “verkehrsübliche” Sorgfalt außer Acht lässt. Leichte Fahrlässigkeit ist bei kleinen Unachtsamkeiten, die jedem passieren können, gegeben.
Schneller als gedacht kann es im Arbeitsleben zu einem Sachschaden oder gar zu einem Personenschaden kommen. Vielleicht lässt ein Arbeitnehmer schlicht den betriebseigenen Laptop herunterfallen oder eine Tasse Kaffee kippt um und ergießt sich über die Tastatur des PCs. Deutlich teurer wird es noch, wenn zum Beispiel ein Gabelstapler ein Regal voller Maschinenteile rammt, ein LKW im Graben landet oder eine Fertigungsmaschine aufgrund eines Bedienerfehlers ausfällt. Auch im medizinischen Bereich sind teure Geräte nicht vor Unfällen und unsachgemäßer Bedienung sicher. Denn: Menschen machen Fehler. Wenn so etwas passiert, stellt sich schnell die Frage, inwieweit Arbeitnehmer gegenüber ihrem Chef oder auch den Kollegen haften.

Wann hafte ich als Arbeitnehmer?


Wer einen Schaden verursacht, muss dafür aufkommen. Dieser Grundsatz gilt prinzipiell auch im Arbeitsverhältnis. Wenn es zu einem Schaden gekommen ist, möchten Arbeitgeber natürlich, dass der verantwortliche Arbeitnehmer dafür in möglichst großem Umfang haftet. Schließlich hat er fremdes Eigentum beschädigt. So ganz einfach ist es dann aber doch nicht. Oft sind Arbeitnehmer nämlich finanziell gar nicht in der Lage, größere Schäden am Arbeitsgerät aus eigener Tasche zu bezahlen. Außerdem sind sie auch weisungsabhängig tätig, sie haben also wenig Einfluss auf innerbetriebliche Arbeitsabläufe und mit der Arbeit verbundene Risiken. Deshalb haben die Arbeitsgerichte der Haftung der Arbeitnehmer schon vor langer Zeit Grenzen gesetzt.

Welche Grundsätze gelten bei der Arbeitnehmerhaftung


Verursachen Arbeitnehmer bei der Arbeit einen Schaden, richtet sich ihre Haftung nach dem Grad ihres Verschuldens.

Hat also ein Mitarbeiter einen Schaden vorsätzlich verursacht – beispielsweise in einem Wutanfall Kaffee über die Tastatur des nervenden Kollegen geschüttet oder gegen die dauernd streikende Fotokopiermaschine getreten – haftet er selbst und muss den gesamten Schaden bezahlen. Dies gilt in der Regel auch bei grober Fahrlässigkeit – also dem Außerachtlassen vollkommen selbstverständlicher Vorsichtsmaßnahmen oder Sorgfaltsregeln. Bei dieser gibt es aber eine Ausnahme: Wenn die Höhe des Schadens in einem besonderen Missverhältnis zum Einkommen des Betreffenden steht, kann die Haftung ausnahmsweise begrenzt werden.

Zuletzt ist noch die mittlere oder normale Fahrlässigkeit zu erwähnen, also das Außerachtlassen der normalen, üblichen Sorgfalt. Dies sind in der Praxis die häufigsten Fälle. Hier haftet der Arbeitnehmer nur für einen Teil des Schadens. Kommt der Schaden durch ganz leichte Fahrlässigkeit zustande, zahlt der Arbeitgeber.

Was bedeuten die Stufen der Fahrlässigkeit im Einzelnen?


Man geht von grober Fahrlässigkeit aus, wenn Arbeitnehmer jede vernünftige Sorgfalt vernachlässigen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn jemand zum Beispiel Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen hat, die in dieser Situation jedem hätten einleuchten müssen. Regelmäßig geht man von grober Fahrlässigkeit aus, wenn Schäden unter Alkoholeinfluss verursacht werden. Ebenfalls grob fahrlässig ist die Beschäftigung mit dem Smartphone, während man eine Maschine bedient, einen LKW steuert oder eine Diesellok fährt.

Von mittlerer Fahrlässigkeit ist die Rede, wenn ein Arbeitnehmer die “verkehrsübliche” Sorgfalt außer Acht lässt, also die in dieser Situation üblichen und ganz normalen Sorgfaltsregeln ignoriert. Dabei teilt man zwar meist die Haftung zwischen Betrieb und Mitarbeiter auf, man kann jedoch nicht automatisch davon ausgehen, dass diese 50/50 geteilt wird. Die Gerichte beurteilen jeden Fall sehr genau nach dem, was passiert ist: Wie gefahrenträchtig war die Arbeit, welche Anweisungen und Sicherheitsvorschriften gab es, hätte der Arbeitgeber womöglich den Schaden durch den Abschluss einer Versicherung abdecken können? Hier spielen auch soziale Aspekte eine Rolle: zum Beispiel die Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers im Betrieb, dessen Alter, seine Stellung im Betrieb.

Bei kleinen Unachtsamkeiten, die jedem passieren können, handelt es sich um leichte Fahrlässigkeit. Diese liegt zum Beispiel vor, wenn einem überlasteten Arbeitnehmer im Terminstress etwas herunterfällt. Sie gilt als Ausnahmefall und ist das Gegenstück zur groben Fahrlässigkeit.

Urteil: Reinigungskraft drückt den großen roten Knopf


Die Reinigungskraft einer radiologischen Praxis war nach Feierabend zufällig an der Praxistür vorbeigekommen. Drinnen hatte sie einen Alarm gehört und ihren Schlüssel genutzt, um nachzusehen. In bester Absicht, nämlich, um Schäden von ihrem Arbeitgeber abzuwenden. Der Alarmton kam vom MRT-Gerät. Dieses hatte vier blaue Knöpfen, einer davon trug die Aufschrift "alarm silence". Außerdem existierte noch ein großer roter Knopf unter einer durchsichtigen Plastikhaube mit der Aufschrift "magnet stop". Die Reinigungskraft entschied sich für den großen roten Knopf. Dies führte zur Notabschaltung des MRT. Das enthaltene Helium wurde ins Freie abgeleitet. Dadurch brach das elektromagnetische Feld des Geräts zusammen und es entstand ein Schaden von 30.000 Euro. Hinzu kamen Einnahmeausfälle in fünfstelliger Höhe, weil es einige Zeit dauerte, bis das Gerät wieder einsatzfähig war. Diese Ausfälle waren nicht versichert. Der Arbeitgeber verklagte daraufhin die Reinigungskraft. Sie verdiente jedoch nur 320 Euro brutto im Monat.

Der Fall ging bis vor das Bundesarbeitsgericht. Dieses bewertete das Handeln der Frau zwar als gut gemeint, letztlich aber doch als grob fahrlässig. Sie habe wahllos einen Knopf gedrückt, der offensichtlich gefahrenträchtig war. Dieser Gedanke hätte sich ihr schon aufdrängen müssen, weil über dem Knopf eine Plexiglashaube angebracht gewesen sei. Hier betrage jedoch allein der Schaden am Gerät schon mehr als das Hundertfache ihres Monatslohns. Daher sei ihre Haftung trotz grober Fahrlässigkeit zu beschränken. Am Ende musste sie mit einem Jahresgehalt haften, also mit 3.840 Euro (Urteil vom 28.10.2010, Az. 8 AZR 418/09).

Urteil: Benzin statt Diesel im LKW


Viele Haftungsfälle gibt es im Speditionsgewerbe. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz sah auch das Verhalten eines LKW-Aushilfsfahrers als grob fahrlässig an. Dieser hatte nämlich in den Tank eines 7,5-Tonners keinen Diesel, sondern Benzin eingefüllt. Ergebnis war ein Motorschaden, dessen Behebung 4.800 Euro kostete. Nun war der Fahrer ein Rentner mit Führerscheinklasse 3, der sich nur etwas dazu verdienen wollte. Auch hier beschränkte das Gericht trotz grober Fahrlässigkeit die Haftung des Arbeitnehmers und ließ ihn für 2/3 des Schadens einstehen (Urteil vom 7.7.2003, Az. 7 Sa 631/03).

Urteil: Alkoholunfall im LKW


Auf einer Autobahn war ein Sattelzug mit Anhänger rechts von der Fahrbahn abgekommen und beim Versuch, wieder mit allen Rädern auf die Straße zu kommen, über die gesamte Autobahnbreite geschleudert und umgefallen. Ergebnis: Ein erheblich beschädigter LKW und eine Autobahn voll verlorener Ladung. Die Polizei stellte beim Fahrer 0,94 Promille Blutalkohol fest. Dessen Arbeitgeber hatte ihn schriftlich auf ein striktes Alkoholverbot am Arbeitsplatz hingewiesen. Der LKW war weder vollkaskoversichert, noch hatte die Spedition einen Bergungsschutzbrief abgeschlossen. Sie verlangte von dem angestellten Fahrer rund 17.000 Euro Schadensersatz.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts war das Verhalten des Fahrers grob fahrlässig. Zwar habe er noch keine 1,1 Promille und damit noch nicht die absolute Fahruntüchtigkeit erreicht. Er habe aber Ausfallerscheinungen gezeigt. Ein solcher Unfall bei trockener Straße sei nicht anders zu erklären als eben durch den Einfluss von Alkohol. In dem Verfahren wurde auch darüber gestritten, ob bei grober Fahrlässigkeit die Haftung des Arbeitnehmers standardmäßig auf drei Bruttogehälter zu beschränken sei. Das Bundesarbeitsgericht wollte dies jedoch nicht zur allgemein gültigen Faustregel erklären. Es verwies den Fall zur individuellen Beurteilung der Haftungsquote an die Vorinstanz zurück (Urteil vom 15.11.2012, 8 AZR 705/11).

Wann hafte ich für Schäden eines Kollegen?


§ 105 Abs. 1 des 7. Sozialgesetzbuches (SGB VII) enthält dazu eine wichtige Regel: Wenn ein Arbeitnehmer einen Personenschaden bei einem anderen Arbeitnehmer des Betriebes verursacht – also eine körperliche Verletzung – haftet er nicht. In diesem Fall haftet die gesetzliche Unfallversicherung. Ausnahmen gibt es bei Vorsatz und Wegeunfällen. Beschäftigte haften allerdings durchaus, wenn sie einem Kollegen einen Sachschaden zufügen, zum Beispiel, wenn sich jemand im Pausenraum auf die Brille eines Kollegen setzt. Arbeitnehmer können in bestimmten Fällen vom Chef verlangen, von solchen Haftungsansprüchen freigestellt zu werden.

Was ist der Freistellungsanspruch?


Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Arbeitnehmer, der einen Kollegen geschädigt hat, vom Arbeitgeber verlangen, dass ihn dieser von der Haftung freistellt. Das bedeutet, dass der Schaden vom Arbeitgeber bezahlt wird. Ein derartiger Freistellungsanspruch besteht allerdings nur, wenn der Arbeitnehmer den Schaden

- bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit und
- weder grob fahrlässig noch vorsätzlich
verursacht hat.

Dabei sind dann wieder die oben erklärten Abstufungen des Verschuldens maßgeblich. Bei grober Fahrlässigkeit besteht kein Recht auf Freistellung, bei mittlerer Fahrlässigkeit bezahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Schadensbetrag anteilig und bei leichter Fahrlässigkeit kann der Beschäftigte vom Arbeitgeber eine vollständige Freistellung von der Haftung fordern.

Eine Ausnahme gibt es jedoch: Der Chef muss nur dann zahlen, wenn er kann. Falls der Schaden die finanziellen Möglichkeiten des Arbeitgebers übersteigt, braucht er den Arbeitnehmer nicht freizustellen. Dies kann insbesondere der Fall sein bei der Beschädigung von teuren Arbeitsmitteln wie Maschinen und Fahrzeugen, die gar nicht dem Arbeitgeber gehören, sondern der Bank oder einem Leasinggeber. Wenn dem Arbeitgeber das Geld fehlt. um den Schaden zu decken, kann der fremde Eigentümer der beschädigten Sache den vollen Betrag vom Arbeitnehmer verlangen.

Praxistipp zur Haftung des Arbeitnehmers


Wenn sie bei Ihrem Arbeitgeber oder einem Kollegen einen Schaden verursacht haben, empfiehlt sich eine Beratung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Welchen Anteil am Schaden Sie als Arbeitnehmer tragen müssen, richtet sich immer nach dem Einzelfall. Unter Umständen kann Ihre Haftung mit einer guten Argumentation reduziert werden.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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