Vorschäden beim Autounfall: Was muss ich beachten?

02.02.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (745 mal gelesen)
Auto,Unfallschaden Das Verschweigen von alten Unfallschäden kann teuer werden. © Bu - Anwalt-Suchservice

Häufig wird nach einem Verkehrsunfall intensiv um die Schuldfrage gestritten. Vorschäden am Auto werden beim Geltendmachen des Schadens gern verschwiegen. Dies kann jedoch teuer werden.

Nicht selten folgt auf einen Autounfall erst ein Streit um die Schuldfrage und dann ein Rechtsstreit. Denn: Wer schuld am Unfall war, zahlt auch den Schaden. Solche Streitigkeiten enden vor Gericht allerdings oft damit, dass jeder der Beteiligten einen Teil des Schadens tragen muss. In sehr vielen Fällen ist nicht eine Partei allein schuld am Unfall. Und auch die sogenannte Betriebsgefahr eines Fahrzeugs wird oft mit in die Erwägung einbezogen - das ist die Gefahr, die theoretisch entsteht, nur weil ein Fahrzeug überhaupt am Straßenverkehr teilnimmt. Die Höhe des Schadens ermittelt meist ein KfZ-Sachverständiger. Dieser kann leicht feststellen, ob ein Geschädigter versucht, einen zu hohen Schaden geltend zu machen. Besonders oft werden Vorschäden am Unfallfahrzeug verschwiegen. Die Folge kann jedoch sein, dass der Geschädigte vor Gericht jeglichen Anspruch auf Schadensersatz verliert.

Fall vor Gericht: Unfallträchtige Kreuzung


Das Landgericht Münster hat sich mit einem Fall beschäftigt, der Richtern und Versicherung merkwürdig vorkam. Ein PKW-Fahrer hatte vorfahrtsberechtigt eine Kreuzung überquert. Allerdings wich er dabei wegen eines im Kreuzungsbereich auf seiner Fahrbahn geparkten Autos auf die Gegenfahrbahn aus. In diesem Augenblick kam von links ein anderes Auto, missachtete das Stoppschild und rammte ihn auf der Fahrerseite. Dessen Fahrer unterschrieb ein Schuldanerkenntnis. Nun verlangte der Geschädigte von der gegnerischen Versicherung, ihm beide Türen auf der linken Fahrzeugseite zu ersetzen. Für Stirnrunzeln bei der Gegenseite sorgte allerdings, dass dies nicht sein erster Unfall auf ebendieser Kreuzung war. Ihm war schon mehrmals Ähnliches passiert, zuletzt erst vor wenigen Wochen. Die Fahrer- und Fondtür auf der linken Seite waren schon bei einem vorherigen Unfall beschädigt und dann nur provisorisch repariert worden. Hier ging die gegnerische Versicherung davon aus, dass er den Unfall absichtlich herbeigeführt habe, um Schadenersatz zu kassieren. Sie zahlte den verlangten Betrag nicht und es kam zum Prozess.

Die Schuldfrage


Vor Gericht beharrte der Geschädigte darauf, dass die linke Seite seines Autos keine nicht reparierten Vorschäden aufgewiesen habe. Er konnte aber keine Rechnungen über erfolgte Reparaturen vorzeigen. Das Landgericht Lüneburg sah die Alleinschuld beim Unfallgegner, da dieser die Vorfahrt missachtet hatte. Der Geschädigte habe den Unfall nicht verhindern können. Ein absichtliches Verursachen des Unfalls nahm das Gericht nicht an, da die Gegenseite dies nicht beweisen konnte. Obendrein habe der andere Autofahrer durch seine Missachtung der Verkehrsregeln den Unfall verursacht. Nach dem Gericht sei eine Serie von Unfällen – auch wenn sie auf der gleichen Kreuzung passieren – nicht ausreichend, um von Absicht auszugehen. Dafür müssten schon konkrete Beweise vorliegen.

Provozierter Unfall?


Das Gericht erläuterte allgemein die Voraussetzungen, unter denen von einem provozierten Unfall auszugehen ist. Dies sei dann der Fall, wenn der Geschädigte mit Vorsatz einen Unfall verursache, um den nicht eingeweihten und meistens schuldlosen oder zumindest nicht vorsätzlich handelnden Unfallgegner auf Schadensersatz in Anspruch nehmen zu können. Dabei komme es dem angeblich Geschädigten gerade darauf an, dass sein eigenes Fahrzeug beschädigt werde. Weil er damit einverstanden sei und dies selbst herbeiführe, finde kein rechtswidriger Eingriff in sein Eigentum statt. Die Beweislast für eine solche Situation liege beim Unfallgegner und dessen Versicherung. Dabei sei der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten ausreichend.

Wie wird mit Vorschäden generell verfahren?


Das Gericht gestand dem Geschädigten letztlich keinen Schadensersatz zu. Er habe gegen seine Pflicht aus § 138 Absatz 1 der Zivilprozessordnung verstoßen, wahrheitsgemäße Angaben zum Schaden zu machen. Er habe die Vorschäden bereits nach deren erstmaliger Entstehung durch einen Sachverständigen begutachten lassen, um Schadensersatz zu fordern. Dabei seien an beiden linken Türen Schäden erkannt und die Kosten für deren Austausch ermittelt worden - der aber nie stattgefunden habe. Zwar bleibe es dem Kläger selbst überlassen, ob er eine Entschädigung tatsächlich dafür verwende, die Türen auszutauschen. Wenn er die Türen aber so lasse, könne er nicht nach einem zweiten Unfall wieder die volle Entschädigung für deren Austausch verlangen.
Auch habe der Kläger zu den Vorschäden im gesamten Verfahren keine klaren Angaben gemacht. Aus Sicht des Gerichts habe er vorsätzlich versucht, vollkommen überhöhte Reparaturkosten in Ansatz zu bringen. Ihm sei nach § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Grundsatz von Treu und Glauben) kein Schadensersatz zu gewähren (Landgericht Münster, Urteil vom 8.8.2014, Az. 011 O 279/11).

Weiterer Fall: Vorschäden am Volvo


In Düsseldorf war ein Autofahrer 2016 beim rückwärts Ausparken mit einem vorbeifahrenden Volvo V70 Baujahr 2002 kollidiert. Dieser wurde auf der linken Seite beschädigt, unter anderem durch die Anhängerkupplung des Unfallgegners. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers überwies rund 730 Euro. Sie ging von einem wirtschaftlichen Totalschaden aus und sah dies als den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs an. Der Volvofahrer war jedoch anderer Meinung: Der Wiederbeschaffungswert seines Autos liege wegen des guten Zustands und verschiedener Aufarbeitungen bei rund 6.500 Euro. Er wollte nicht den Wiederbeschaffungswert, sondern die Reparaturkosten ersetzt haben - nach Kostenvoranschlag rund 3.100 Euro plus 96 Euro für den Voranschlag. Vor Gericht sagte er aus, dass die Vorschäden von einem weiteren Unfall ein Jahr zuvor sachgerecht repariert worden seien und es danach keinen weiteren Unfall gegeben habe - bis zu dem nun verhandelten.

Bei Begutachtung durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen ergab sich allerdings, dass sich die Vorschäden von dem früheren Unfall zum Teil mit den neuen Schäden überlappten - was der Halter weit von sich gewiesen hatte. Auch waren weitere Schäden zu erkennen, die sich weder mit dem bekannten Vorschaden, noch mit dem neuen Unfall in Einklang bringen ließen. Allenfalls Schäden im Wert von 1.800 Euro seien wirklich auf den neuen Unfall zurückzuführen.

Im Ergebnis bekam der Kläger aber: Nichts. Das Gericht ging davon aus, dass er erhebliche nicht reparierte Vorschäden verschwiegen hatte. Dies stelle einen Treueverstoß dar, sodass ihm auch nach dem Grundgedanken des § 28 Versicherungsvertragsgesetz - Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit des Versicherungsnehmers - kein Schaden zu ersetzen sei. Er bekam nicht einmal die Kosten des Kostenvoranschlages erstattet, da dieser insgesamt nicht zu verwenden sei (AG Düsseldorf, Urteil vom 22.5.2018, Az. 55 C 240/16).

Praxistipp


Nach einem Verkehrsunfall sollte man Vorschäden akribisch auflisten und mitteilen. Andernfalls ergeben sich für die Gegenseite gute Argumente, um jegliche Zahlung von Schadensersatz zu vermeiden. Bei einem Streit um Unfallschäden ist ein Rechtsanwalt für Zivilrecht der beste Ansprechpartner.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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