Darf der Chef Sonderzahlungen einfach kürzen oder streichen?

10.12.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Gratifikation,Bonus,Sonderzahlung,betriebliche Übung Können sich Arbeitnehmer auf regelmäßige Sonderzahlungen immer verlassen? © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Anspruch: Arbeitnehmer haben nur dann einen Anspruch auf eine Sonderzahlung, wenn sie vereinbart ist, z. B. im Arbeitsvertrag, in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung.

2. Betriebliche Übung: Zahlt der Arbeitgeber eine bestimmte Sonderzahlung, z.B. das Weihnachtsgeld, in gleicher Höhe mehrere Jahre hintereinander ohne Vorbehalt, entsteht daraus ebenfalls ein Anspruch des Arbeitnehmers in der Zukunft.

3. Freiwilligkeit: Ist eine Sonderzahlung, z.B. das Urlaubsgeld, nicht vertraglich geregelt und gibt es auch keine diesbezügliche betriebliche Übung, so ist die Zahlung durch den Arbeitgeber freiwillig. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch darauf.
Jedem Arbeitnehmer sind zusätzliche Zahlungen zum Gehalt sehr willkommen. Aber: Besteht darauf ein Anspruch, oder zahlt der Chef nur freiwillig? Und: Kann eine Sonderzahlung gekürzt oder ganz gestrichen werden?

Was ist ein Bonus und was eine Gratifikation?


Bonus und Gratifikation unterscheiden sich hauptsächlich in ihrem Verwendungszweck und der Regelmäßigkeit der Zahlungen.

Bonus
Ein Bonus wird meist als Belohnung für bestimmte Leistungen oder Ziele gezahlt. Dies kann zum Beispiel das Erreichen von Umsatzzielen oder besonderen Projekterfolgen sein. Oft handelt es sich um eine einmalige, leistungsabhängige Sonderzahlung.

Gratifikation
Eine Gratifikation ist eine freiwillige oder vertraglich vereinbarte Sonderzahlung des Arbeitgebers, die aus bestimmten Anlässen wie Weihnachten (Weihnachtsgeld) oder Urlaub (Urlaubsgeld) gezahlt wird. Sie erfolgt regelmäßig in bestimmten Zeitabständen oder zu besonderen Anlässen und ist meist unabhängig von der individuellen Leistung des Mitarbeiters.

Zusammengefasst: Ein Bonus belohnt individuelle Leistungen, während eine Gratifikation in der Regel an einen speziellen Anlass gebunden ist.

Wann habe ich Anspruch auf eine Sonderzahlung?


Ein Arbeitgeber kann schlicht freiwillig eine Prämie für gute Leistungen, ein Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld zahlen. Seine Arbeitnehmer haben darauf nur dann einen Rechtsanspruch, wenn eine wirksame Vereinbarung besteht. Diese kann im Arbeitsvertrag, in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung niedergelegt sein. Sogar eine mündliche Vereinbarung wäre wirksam. Allerdings ist sie im Streitfall schwer zu beweisen.

Ein Anspruch auf einen Bonus oder eine Gratifikation kann auch aus einer sogenannten betrieblichen Übung entstehen. Damit ist ein über längere Zeit gewohnheitsmäßig durchgeführtes Vorgehen im Betrieb gemeint. Ein Arbeitnehmer kann auch einen Anspruch aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes haben, weil andere, vergleichbare Mitarbeiter eine Sonderzahlung bekommen, er selbst aber ohne ersichtlichen Grund leer ausgeht.

Wann ist eine betriebliche Übung Anspruchsgrundlage einer Sonderzahlung?


Auch eine sogenannte betriebliche Übung kann Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf eine Sonderzahlung geben. Ein solches Gewohnheitsrecht entsteht, wenn der Arbeitgeber die Gratifikation über mehrere Jahre hinweg immer in gleicher Höhe ohne Vorbehalt gezahlt hat. Den Arbeitsgerichten zufolge reichen drei Jahre aus, um eine solche betriebliche Übung entstehen zu lassen. Eine Gratifikation, die im Rahmen einer betrieblichen Übung gezahlt wird, kann der Arbeitgeber nicht einfach einseitig wieder einstellen (Arbeitsgericht Bonn, Az. 5 Sa 604/10).

Kann der Arbeitgeber per Brief das Weihnachtsgeld abschaffen?


Es kommt vor, dass in einem Betrieb jahrelang ohne Vorbehalt eine Gratifikation gezahlt wird – zum Beispiel Weihnachtsgeld. Eines Tages bekommen die Arbeitnehmer dann zusammen mit der Gehaltsabrechnung ein Schreiben, welches die Zahlung unter den Vorbehalt stellt, dass es dem Betrieb finanziell gut geht.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass ein Arbeitgeber eine Extrazahlung nicht einfach per Brief zurücknehmen kann, wenn er zuvor über drei Jahre lang die Gratifikation ohne Vorbehalt gezahlt hat. Auch hier ist also eine betriebliche Übung entstanden, sodass die Arbeitnehmer Anspruch auf die Zahlung haben (Urteil vom 7.4.2011, Az. 5 Sa 604/10).

Wird allerdings eine solche Einschränkung zum Beispiel per Brief von Anfang an gemacht, kann sie wirksam sein. Das Arbeitsgericht Köln wies die Klage der Betriebsrentner eines Unternehmens auf ein Weihnachtsgeld und eine Marzipantorte ab. Diese Vergünstigungen hatte der Arbeitgeber von Anfang an brieflich unter Vorbehalt gestellt und nur für das jeweilige Jahr zugesagt. Hinzu kam, dass nie alle Rentner diesen Bonus erhalten hatten (Urteil vom 24.11.2016, Az. 11 Ca 3589/16).

Wann kann der Arbeitgeber eine Sonderzahlung widerrufen?


Wenn die Zahlung einer bestimmten Gratifikation im Arbeitsvertrag vereinbart ist, kann der Arbeitgeber sie nicht einfach widerrufen. Auch dann nicht, wenn es dem Unternehmen schlecht geht. Viele Arbeitgeber verbinden daher die Zusage im Vertrag mit einem Vorbehalt, nach dem die Zusage von Bonus oder Gratifikation freiwillig ist. Oft wird dabei die Floskel verwendet „freiwillig und jederzeit widerruflich“. Ist dies rechtswirksam?

Tatsächlich haben die Arbeitsgerichte verschiedene von Arbeitgebern genutzte Klauseln für unwirksam erklärt. Dazu gehört auch die Floskel „freiwillig und jederzeit widerruflich“. Denn: Wenn etwas freiwillig ist, kann gar nicht erst ein Rechtsanspruch darauf entstehen. Ein Widerruf würde aber voraussetzen, dass ein Anspruch besteht, der widerrufen werden kann. Zumindest hat das Bundesarbeitsgericht diese Begründung aus dem Reich der Logik verwendet, um die Unwirksamkeit der Formulierung zu begründen (14.9.2011, Az. 10 AZR 526/10).

Das Bundesarbeitsgericht sieht generell arbeitsvertragliche Klauseln als unwirksam an, die Beschäftigten auf der einen Seite eine Gratifikation zusichern und diese andererseits gleichzeitig als freiwillig bezeichnen. Der Grund: Man kann nicht jemandem einen Rechtsanspruch auf etwas einräumen und gleichzeitig erklären, dass man sich an seine eigene Zusage nicht zu halten braucht (Urteil vom 20.2.2013, Az. 10 AZR 177/12).

Wichtig: Dies gilt nur für Regelungen im Arbeitsvertrag und nicht für Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge.

Wann ist ein Bonusversprechen per Brief verbindlich?


Manchmal versprechen Arbeitgeber im Arbeitsvertrag lediglich allgemein die Zahlung eines Bonus, jeweils unter Berücksichtigung der Leistungen des Arbeitnehmers und der Wirtschaftslage des Unternehmens. Die eigentliche Bonuszusage erfolgt dann im Einzelfall in einem unverbindlichen Schreiben. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass das Unternehmen in diesem Fall den Bonus kürzen darf, wenn sich seine Wirtschaftslage verschlechtert (Urteil vom 12.10.2011, 10 AZR 198/11).

Muss ich meine Sonderzahlung nach einer Kündigung zurückzahlen?


Eine gewährte Gratifikation kann der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres zurückfordern, wenn der Arbeitnehmer wenig später kündigt oder ihm gekündigt wird. Eine solche Rückzahlung im Kündigungsfall kann jedoch im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Auch hier ist jedoch nicht jede Klausel wirksam. Rechtlich angreifbar sind insbesondere Vereinbarungen, die eine Rückzahlungspflicht für eine rein arbeitgeberseitige und nicht vom Arbeitnehmer verschuldete Kündigung festlegen.

Praxistipp zu Sonderzahlungen


Zwar können Arbeitgeber die Zahlung einer alljährlichen Gratifikation in manchen Fällen auch wieder einstellen. Dabei müssen sie jedoch rechtliche Vorgaben beachten. Oft werden dabei Fehler gemacht. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann die Rechtslage in Ihrem Fall für Sie prüfen.

(Bu)


 Stephan Buch
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Juristische Redaktion
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