Darf der Vermieter dem Mieter den Besitz eines Autos verbieten?
12.12.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Ist ein Verzicht auf Autonutzung im Mietvertrag verbindlich? © - freepik Eine Hamburger Wohnungsgesellschaft möchte Mietern per Mietvertrag die Anschaffung eines Autos verbieten. Dürfen Vermieter in so weitgehender Weise in die Rechte der Mieter eingreifen?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wie erklärt die Hamburger Wohnungsbaugesellschaft ihr Vorgehen? Welche Vorgaben dürfen Vermieter ihren Mietern beim Thema Autostellplätze machen? Was regelt die Hamburger Bauordnung zum Thema Stellplätze? Dürfen Vermieter ihren Mietern verbieten, sich ein Auto anzuschaffen? Welche Folgen hätte ein Verstoß gegen das mietvertragliche Autoverbot? Wie urteilen die Gerichte zum Autoverbot im Mietvertrag? Bindet eine Vereinbarung im Kaufvertrag die Mieter? Gelten Besonderheiten bei autofreien Wohnprojekten? Praxistipp zum Autoverbot im Mietvertrag Wie erklärt die Hamburger Wohnungsbaugesellschaft ihr Vorgehen?
Die SAGA begründet die mietvertragliche Regelung damit, dass in dem Neubaugebiet nur wenige Parkplätze vorhanden seien. Sie selbst plant für die Neubauwohnungen auch keine ein. Für die betreffende Wohnanlage mit 100 Wohnungen, von denen die SAGA 58 vermietet, sind eine Car-Sharing-Station und Stellplätze für 20 Lastenräder und rund 140 Fahrräder in Planung. Die Wohnanlage soll im Februar 2026 fertiggestellt sein. Die SAGA hat Pressevertretern auf Anfrage mitgeteilt, dass sie sich gegenüber der Verkäuferin des Grundstücks verpflichtet habe, den Autoverzicht für Mieter in den Mietvertrag einzubauen. Ursprünglicher Eigentümer der Flächen des Projekts Georgswerder Kirchenwiese war die Stadt Hamburg. Die Projektentwicklung erfolgte durch die IBA Hamburg, eine Stadtentwicklungsgesellschaft in städtischem Besitz.
Welche Vorgaben dürfen Vermieter ihren Mietern beim Thema Autostellplätze machen?
Vermieter dürfen Regelungen in den Mietvertrag aufnehmen, welche die Nutzung von vorhandenen Stellflächen und Stellplätzen auf dem Mietgrundstück betreffen. Dies beruht auf ihrem Hausrecht. So kann zum Beispiel auf einem zum Grundstück gehörenden Parkplatz festgelegt werden, dass die Stellplätze einzeln vermietet oder nur an Mieter bestimmter Wohnungen vergeben werden. Es kann auch auf Flächen ein Parkverbot ausgesprochen werden. Problematisch sind nachträgliche Änderungen, denn Mieter haben ein Anrecht darauf, dass die bei Vertragsabschluss verfügbaren Nutzungsmöglichkeiten der Mietsache auch weiterhin zur Verfügung stehen.
Der Vermieter kann auch die Entscheidung treffen, von Anfang an keine Stellplätze auf seinem Grundstück vorzusehen. Dabei sind dann aber auch baurechtliche Vorgaben zu beachten. Landesbauordnungen und städtische Stellplatzsatzungen sehen oft vor, dass ein Bauherr bei einem neuen Wohngebäude eine bestimmte Anzahl von Stellplätzen schaffen muss. So gibt zum Beispiel die LBO Baden-Württemberg Eigentümern auf, pro Wohnung einen Stellplatz zu schaffen (§ 37).
Was regelt die Hamburger Bauordnung zum Thema Stellplätze?
§ 48 der Hamburger Bauordnung bietet viel Spielraum. Zunächst einmal besteht die Pflicht, Stellplätze bereitzustellen, nur bei Bauten, bei denen „Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist“. Hier könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass dieser eben nicht zu erwarten ist, wenn man den Bewohnern den PKW-Besitz verbietet. Dabei würden freilich Lieferverkehr, Umzugsfahrzeuge und Besucher vernachlässigt.
Zweitens richtet sich die Zahl und Größe der zu schaffenden Stellplätze „nach Art und Zahl der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge und Fahrräder der ständigen Benutzerinnen und Benutzer und Besucherinnen und Besucher...“. Wohnen nur Mieter ohne Auto in der Anlage, wären demnach keine Stellplätze für ständige Benutzer vorzuhalten. Ob man jedoch einfach davon ausgehen darf, dass auch keine Besucher per Auto kommen, ist zumindest zweifelhaft. Diese werden im Fall der SAGA-Anlage auf Parkplätze an der öffentlichen Straße verwiesen.
Dürfen Vermieter ihren Mietern verbieten, sich ein Auto anzuschaffen?
Vermieter dürfen im Mietvertrag Regelungen treffen, welche die Nutzung der Mietsache, also der Wohnung, betreffen. Dies ist jedoch nur in engen Grenzen zulässig, da die persönliche Lebensführung Sache des Mieters ist. Artikel 2 des Grundgesetzes schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit.
So dürfen Vermieter ihren Mietern zum Beispiel nicht die Haltung von Kleintieren in der Wohnung verbieten oder von einer Erlaubnis abhängig machen. Möglich ist dies nur bei größeren und gefährlichen Tieren wie etwa Kampfhunden. Auch ein pauschales Rauchverbot in der Wohnung ist nicht möglich.
Vermieter dürfen nicht einmal bestimmen, in welcher Farbe der Mieter während des Mietverhältnisses die Wände seiner Wohnung streicht – dies ist Teil der persönlichen Lebensgestaltung des Mieters und kann daher nicht vom Vermieter bestimmt werden (siehe Urteil des Bundesgerichtshofes vom 18.2.2009, Az. VIII ZR 166/08). Allenfalls bei der Rückgabe kann der Vermieter verlangen, dass die Wohnung in neutralen Farbtönen gestrichen wird.
Die Frage, ob der Mieter ein Kraftfahrzeug besitzt oder nicht, hat nichts mit der Nutzung der Mietsache zu tun. Eine Vielzahl von Menschen wohnt zur Miete und parkt ihr Fahrzeug an der Straße oder auf extern gemieteten Stellplätzen, ohne dass dabei eine Nutzung des Mietgrundstücks erfolgt. Zudem hat der Besitz eines Fahrzeugs erheblichen Einfluss auf die persönliche Lebensgestaltung des Mieters. Dazu gehört nicht nur die persönliche Mobilität, sondern auch die Berufswahl. Viele Berufe erfordern ein Auto, und nicht immer ist eine Anfahrt per ÖPNV oder Fahrrad möglich. Eine mietvertragliche Regelung, die in solche Lebensbereiche des Mieters eingreift, ist aller Wahrscheinlichkeit nach unwirksam.
Welche Folgen hätte ein Verstoß gegen das mietvertragliche Autoverbot?
Fraglich ist, was passieren würde, wenn sich ein Mieter nach Unterzeichnung eines Autoverzichts im Mietvertrag dann doch ein Auto kaufen würde – zum Beispiel, weil er dieses nach einem Jobwechsel oder aus familiären Gründen benötigt.
Ein Verstoß gegen eine wirksame Regelung des Mietvertrages könnte zu einer Abmahnung durch den Vermieter und bei Beibehaltung des Autobesitzes zu einer Kündigung des Mietvertrages führen. Immerhin handelt es sich um eine zentrale Regelung des Mietvertrages. Tatsächlich ist deren Wirksamkeit jedoch anzuzweifeln.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Vermieter den Mieter auf Abschaffung des Fahrzeugs verklagt.
Wie urteilen die Gerichte zum Autoverbot im Mietvertrag?
Dazu existiert ein Urteil des Amtsgerichts Münster. Auch in diesem Fall hatte eine Vermietungsgesellschaft von ihren Mietern verlangt, mietvertraglich auf die Anschaffung, den Besitz und jegliche Nutzung eines Autos zu verzichten. Begründet wurde dies damit, dass es sich um ein besonderes Projekt des kfz-freien Wohnens handelte.
Der Mietvertrag enthielt hier auch die Möglichkeit, bei der Vermietungsgesellschaft eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, falls der Mieter etwa durch eine Erkrankung oder Behinderung nicht mehr in der Lage sein sollte, Fahrrad oder ÖPNV zu nutzen. Auch in Härtefällen aus beruflichen oder familiären Gründen war ein solcher Ausnahmeantrag möglich. Es war jedoch ausdrücklich jeder Rechtsanspruch auf eine Ausnahmegenehmigung ausgeschlossen, ein Auto zu besitzen.
Der Mietvertrag verwies außerdem auf einen städtebaulichen Vertrag zwischen der Vermieterin und der Stadt Münster, in dem die Autofreiheit der Wohnsiedlung vereinbart sei.
Nun hatten sich jedoch Mieter trotzdem ein Fahrzeug der Marke VW zugelegt, um zur Arbeit zu fahren. Die Vermietungsgesellschaft verklagte sie: Sie sollten das Auto abschaffen und auf jegliche Kfz-Nutzung verzichten. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung sollte das Gericht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro festsetzen oder ersatzweise Ordnungshaft verhängen.
Das Amtsgericht Münster wies die Klage ab. Es erklärte, dass die Vermietungsgesellschaft die Abschaffung des Fahrzeugs nicht fordern könne. Bei einer Abwägung der gegenseitigen Interessen im Sinne der §§ 307 ff. BGB sei festzustellen, dass hier eine unangemessene Benachteiligung der Mieter vorliege.
Das Verbot, ein Auto zu halten, gelte nach dem Vertragsinhalt auch für Behinderte und Rollstuhlfahrer. Es gelte auch für Mieter, die vielleicht irgendwo anders eine Zweitwohnung hätten und dort ein Auto vorhalten wollten. Ein Mieter, der ein Auto erben würde, würde sich vertragsbrüchig verhalten. Das Verbot gelte ebenso für Mieter, auf deren Namen ein Auto angemeldet sei, welches auswärts studierende oder in Ausbildung befindliche Kinder nutzten. Durch den Ausschluss jeden Rechtsanspruchs auf eine Ausnahmegenehmigung seien alle diese Fälle hier von dem Verbot erfasst. Die Vertragsklausel ginge weit über das legitime Ziel hinaus, die Einhaltung des städtebaulichen Vertrages zu gewährleisten.
Der erzwungene Verzicht auf ein Auto werde hier auch nicht durch andere Vorteile kompensiert. Eine solche Kompensation könne nur durch Vorteile erfolgen, die in direkter Wechselwirkung zu der den Mietern auferlegten Einschränkung stünden. Bei der laut Vermietungsgesellschaft besonders günstigen Miete sei dies nicht der Fall.
Letztendlich sei der mietvertragliche Verzicht auf ein Auto und jegliche Autonutzung wegen unangemessener Benachteiligung der Mieter unwirksam (Urteil vom 19.2.2014, Az. 8 C 2524/13).
Bindet eine Vereinbarung im Kaufvertrag die Mieter?
Eine Vereinbarung im Kaufvertrag zwischen der Stadt und der Wohnungsgesellschaft bindet nur diese beiden Vertragsparteien. Allerdings wird bei der Frage, ob eine Mietvertragsklausel den Mieter unangemessen benachteiligt, eine Interessenabwägung zwischen Mieter und Vermieter vorgenommen. Dabei spielt eine Rolle, wozu sich der Vermieter vertraglich gegenüber der Stadt verpflichtet hat. In aller Regel wird dieses Interesse des Vermieters jedoch nicht ausreichen, um erhebliche Eingriffe in die persönliche Lebensgestaltung des Mieters zu rechtfertigen. Denn schließlich geht es bei dieser um ein Grundrecht.
Gelten Besonderheiten bei autofreien Wohnprojekten?
Nein. Eine Verpflichtung des Vermieters gegenüber der Stadt, für ein autofreies Wohnviertel zu sorgen, spielt allenfalls im Rahmen der Interessenabwägung zwischen Mieter und Vermieter eine Rolle und wiegt in der Regel keinen Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung auf.
Praxistipp zum Autoverbot im Mietvertrag
Möchte Ihr Vermieter Ihnen Vertragsklauseln aufdrängen, die ungewöhnlich sind und in Ihre private Lebensführung eingreifen? Dann empfiehlt sich eine Beratung bei einem Fachanwalt für Mietrecht. Dieser kann Ihnen vor Gericht und außerhalb davon zu Ihrem Recht verhelfen.
(Ma)