Flug wegen Sicherheitskontrolle verpasst: Entschädigung möglich?

14.09.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (916 mal gelesen)
Sicherheitskontrolle,Flughafen,Flug verpasst,Entschädigung Eine Sicherheitskontrolle am Flughafen kann viel Zeit in Anspruch nehmen. © Bu - Anwalt-suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Fluggesellschaft: Eine lang dauernde Sicherheitskontrolle liegt nicht im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft, denn sie ist für diesen Bereich nicht zuständig.

2. Flughafenbetreiber: Der Flughafenbetreiber kann auf Entschädigung haften, z.B., wenn ein Flughafenmitarbeiter den Reisenden an einen Schalter schickt, wo die Kontrolle so lange dauert, dass dieser seinen Flug verpasst.

3. Bund: Die Sicherheitskontrolle wird in Deutschland von der Bundespolizei organisiert. Kommt es zu einer Verdachtskontrolle und hat der Reisende weder die Verdachtsmomente, die dazu führen, noch die daraufhin eintretende Verzögerung zu verantworten, so kann er Entschädigung von der Bundesrepublik Deutschland verlangen.
Mancher Flugreisende hat es schon erlebt: Man kommt pünktlich am Flughafen an, findet aber lange Schlangen an der Sicherheitskontrolle vor. Es geht nur quälend langsam voran, und die Abflugzeit kommt immer näher. Wie ist die Rechtslage, wenn ich als Fluggast wegen der Sicherheitskontrolle meinen Flug verpasse? Und gegen wen richtet sich überhaupt mein möglicher Anspruch?

Flug verpasst: Haben Reisende Ansprüche gegen die Fluggesellschaft?


Haben Sie als Fluggast Ihren Flug nur wegen einer überlangen Sicherheitskontrolle verpasst, können Sie keine Ansprüche gegen die Fluggesellschaft geltend machen. Die Airline hat schließlich nichts mit der Sicherheitskontrolle am Flughafen zu tun. Und es geht ja hier nicht um eine Verspätung oder eine Annullierung des Fluges selbst. Daher müssen sich Reisende mit ihren Ansprüchen in solchen Fällen an die Stelle wenden, die für die Sicherheitskontrolle zuständig ist.

Verdacht auf Bombe im Gepäck: Flug verpasst


Ein Fluggast hatte einen Flug vom Flughafen Frankfurt am Main mit Startzeit 4 Uhr 20 gebucht. Als er die Sicherheitsschleusen passieren wollte, hielt ihn das Sicherheitspersonal auf. Auf dem Röntgenbild seines Rucksacks meinte das Personal, gefährliche Gegenstände zu sehen. Das Sicherheitspersonal informierte daraufhin den Bombenentschärfertrupp der Bundespolizei. Dieser war jedoch nachts nur in Rufbereitschaft und musste zunächst zum Flughafen fahren. Erst nach drei Stunden konnte die Entschärfertruppe den Rucksack schließlich untersuchen. Das Ergebnis: Es waren keine gefährlichen Gegenstände darin, nicht einmal gefährlich aussehende Gegenstände. Eine Überlagerung auf dem Röntgenbild war für den Gefahrenverdacht verantwortlich gewesen. Schlecht für den Fluggast: Sein Flugzeug war inzwischen längst weg. Er und seine Begleitung hatten ihren Flug verpasst, für die Ersatzflüge wurden Kosten von 912 Euro fällig.

Muss die Bundespolizei den Fluggast entschädigen?


Der Reisende verklagte die Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrin der Bundespolizei auf Schadensersatz und bekam recht. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main erklärte, dass der Fluggast wegen der Kontrollmaßnahmen eine Entschädigung nach den sogenannten aufopferungsrechtlichen Grundsätzen fordern könne. Er habe zwar die Untersuchung seines Gepäcks durch die Bombenentschärfungs-Spezialisten im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit hinnehmen müssen. Den infolge dieser Maßnahmen entstandenen zusätzlichen Nachteil – den Verfall der Flugtickets und den notwendigen Erwerb zweier Ersatztickets - müsse er jedoch nicht tragen.

Wer ist schuld daran, dass der Fluggast seinen Flug verpasst?


Das Gericht erklärte, dass der Kläger weder die Verdachtsmomente noch die Verzögerung der Kontrolle zu verantworten habe. Er könne für die Überlagerungen auf dem Röntgenbild nicht verantwortlich gemacht werden. Ursache der Verzögerung sei nur die lange Anfahrt des Entschärfungstrupps der Bundespolizei gewesen.

Anders als die Vorinstanz begründete das Oberlandesgericht seine Entscheidung zu Gunsten des Reisenden nicht mit einem organisatorischen Verschulden der Bundespolizei, also mit ineffektiven Dienstplänen. Das Oberlandesgericht erläuterte, dass dem Fluggast hier ein Nachteil entstanden sei, den andere Fluggäste bei Sicherheitskontrollen im regulären Tagesbetrieb in der Regel nicht hätten. Daher stelle dieser Nachteil – entgegen der Auffassung der Beklagtenseite - also des Bundes als Träger der Bundespolizei - auch kein allgemeines Lebensrisiko dar. Der Kläger sei vielmehr mit einem sogenannten Sonderopfer belastet worden, für das er eine Entschädigung fordern könne (Urteil vom 12.8.2013, Az. 1 U 276/12).

Was versteht man unter einem Sonderopfer?


Von einem Sonderopfer ist die Rede, wenn jemand ohne jegliches eigenes Verschulden in staatliche bzw. polizeiliche Maßnahmen hineingerät, die er zwar im Interesse der Allgemeinheit zu dulden hat, durch die er aber einen Schaden erleidet. Der Staat muss diesen Schaden dann ersetzen. Abgeleitet wird dies noch aus dem preußischen Allgemeinen Landrecht, heute ist dieser Grundsatz gewohnheitsrechtlich anerkannt.

In welchen Fällen hat der Fluggast einen Anspruch gegen den Bund?


Grundsätzlich ist für die Sicherheitskontrollen an Flughäfen die Bundespolizei zuständig, welche diese oft an private Sicherheitsfirmen vergibt. Als Träger der Bundespolizei ist der Bund also in der Verantwortung, wenn etwas schiefgeht.

Das Landgericht Köln entschied jedoch 2023 gegen eine Haftung des Bundes. In diesem Fall war es um einen Flug nach Portugal gegangen. Der Flughafen hatte allgemein empfohlen, zur Öffnung des Check-ins am Flughafen zu sein, in diesem Fall 2,5 bis 3 Stunden vor dem Abflug. Der Fluggast war jedoch etwas später am Check-in eingetroffen und hatte anschließend noch Zeit gebraucht, um Sperrgepäck aufzugeben. Aus Sicht des Gerichts war es hier seine Schuld, dass er infolge der Sicherheitskontrolle den Flug verpasste - obwohl nicht alle Kontrollschalter geöffnet waren.

Das Gericht betonte: Komme ein Fluggast zu spät an der Sicherheitskontrolle an, weil der Check-In-Schalter erst spät öffne, müsse er seine Ansprüche gegen die Fluggesellschaft richten. Denn dies sei deren Verantwortungsbereich (Landgericht Köln, Urteil vom 25.4.2023, Az. 5 O 250/22).

Wann haben Reisende Ansprüche gegen den Flughafenbetreiber?


Fluggäste können auch gegen den Betreiber des Flughafens Ansprüche haben. Dies bestätigte das Amtsgericht Erding in einem Fall, in dem eine Familie ihren Flug von München in die Türkei verpasst hatte. Auch hier waren die Warteschlangen an der Sicherheitskontrolle sehr lang gewesen. Ein Mitarbeiter des Flughafens befürchtete, dass die Familie ihren Flug verpassen könnte, und forderte sie auf, sich an einem anderen Kontrollschalter anzustellen. Dort dauerte es aber noch länger, und die Reisenden verpassten nun tatsächlich ihren Flug. Die Umbuchung auf einen anderen Flug kostete rund 600 Euro.

Das Gericht gestand der Familie 80 Prozent der Umbuchungskosten als Schadensersatz zu. Hier sei der Flughafen verantwortlich, weil dessen Mitarbeiter die Familie zu der neuen Anstellschlange geschickt habe. Das Gericht sah dies als eine Verletzung vertraglicher Pflichten an. Zwar bestünde kein Vertrag zwischen Flughafen und Passagier. Es existiere jedoch ein Vertrag zwischen Flughafen und Fluggesellschaft, der wiederum den Passagier schütze (AG Erding, Urteil vom 23.8.2016, Az. 8 C 1143/16).

Die Fluggäste mussten hier jedoch 20 Prozent des Schadens wegen eines Mitverschuldens selbst tragen. Laut Gericht war ihnen zuzumuten, in einem solchen Fall nach vorn zum Schalter zu gehen und das Personal darauf aufmerksam zu machen, dass sie demnächst ihren Flug verpassen würden.

Wer haftet, wenn das Reisegepäck beschlagnahmt wird?


Der Bundesgerichtshof entschied in einem Fall, in dem das Sicherheitspersonal in Abwesenheit des Fluggastes seinen abgegebenen Koffer kontrolliert und eine kleine Tauch-Pressluftflasche (sogenannte Pony-Flasche) gefunden hatte. Diese stellte aus Sicht des Sicherheitspersonals einen gefährlichen Gegenstand dar und wurde beschlagnahmt. Der Fluggast stellte das Fehlen der Flasche erst am Urlaubsort fest. Er konnte mit seiner Frau keine Tauchgänge unternehmen und verklagte die Fluggesellschaft auf über 4.800 Euro Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Zwar wiesen zwei Gerichtsinstanzen die Klage ab: Schließlich könne die Fluggesellschaft nichts für das Handeln der Gefahrgutbeauftragten, die hier in hoheitlichem Auftrag, also als für den Staat handelnde Person, tätig geworden sei. Der Bundesgerichtshof hob jedoch das letzte Urteil auf und verwies den Fall an die Vorinstanz zurück. Zwar bestünden keine Ansprüche nach dem Montrealer Abkommen gegen die Fluggesellschaft. Möglich sei jedoch ein Schadenersatzanspruch aus dem mit dem Kläger geschlossenen Beförderungsvertrag.

Zwischen dem Aussortieren der Flasche und dem Abflug seien anderthalb Stunden Zeit vergangen. Dies hätte ausgereicht, um den Kläger über Lautsprecher auszurufen und ihn auf das Problem hinzuweisen. Dann hätte der Fluggast die Fluggesellschaft darauf hinweisen können, dass die Pressluftflasche geöffnet und leer gewesen sei, weshalb er sie dann wohl hätte mitnehmen dürfen. Da die Fluggesellschaft diese Aufklärung nicht durchgeführt habe, sei sie grundsätzlich schadenersatzpflichtig (BGH, Az. X ZR 126/14).

Praxistipp zur Sicherheitskontrolle am Flughafen


Wenn Ihnen zusätzliche Kosten entstanden sind, weil Sie wegen überlanger Sicherheitskontrollen Ihren Flug verpasst haben, sollten Sie einen auf das Reiserecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuziehen. Dieser kann im Einzelfall beurteilen, gegen wen ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden kann und welche Erfolgsaussichten es gibt.

(Bu)


Sie benötigen Hilfe bei Ihrer Suche nach dem richtigen Anwalt? Dann schreiben Sie uns über unser Kontaktformular. Wir helfen Ihnen kostenlos und unverbindlich.


 Stephan Buch
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion
 Stephan Buch
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion