Flug verpasst wegen Sicherheitskontrolle- Entschädigung!

10.04.2018, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (712 mal gelesen)
Flug verpasst wegen Sicherheitskontrolle- Entschädigung! © Bu - Anwalt-suchservice

Flugreisende müssen am Flughafen oft umfangreiche und lang andauernde Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen. Gelegentlich verpassen Fluggäste deshalb sogar ihren gebuchten Flug.

Mancher Flugreisende hat es schon erlebt: Da kommt man pünktlich zum Flughafen, findet aber lange Schlangen an der Sicherheitskontrolle vor. Quälend langsam geht es voran, und die Abflugzeit rückt immer näher. Wie ist nun die Rechtslage, wenn Reisende ihren Flug verpassen? Und gegen wen richten sich überhaupt ihre möglichen Ansprüche?

Haben Reisende Ansprüche gegen die Fluggesellschaft?


Ansprüche gegen die Fluggesellschaft scheiden in diesem Fall aus. Denn diese hat nichts mit der Sicherheitskontrolle am Flughafen zu tun. Und es geht ja hier nicht um eine Verspätung oder eine Annullierung des Fluges selbst. Reisende müssen sich mit ihren Ansprüchen in solchen Fällen vielmehr an die Stelle wenden, die für die Sicherheitskontrolle zuständig ist.

Was bei Verdachtsfällen passieren kann


Ein Fluggast hatte einen Flug vom Flughafen Frankfurt am Main mit Startzeit 4 Uhr 20 gebucht. Als er die Sicherheitsschleusen passieren wollte, wurde er vom Sicherheitspersonal aufgehalten. Auf dem Röntgenbild seines Rucksacks waren aus Sicht des Personals möglicherweise gefährliche Gegenstände zu sehen. Das Sicherheitspersonal informierte nun den Entschärfertrupp der Bundespolizei. Allerdings war dieser nachts lediglich in Rufbereitschaft und musste erst einmal zum Flughafen fahren. Es dauerte drei Stunden, bis die Entschärfertruppe den Rucksack schließlich untersuchte. Das Ergebnis: Es waren keine gefährlichen Gegenstände vorhanden, noch nicht einmal gefährlich aussehende Gegenstände. Lediglich eine Überlagerung auf dem Röntgenbild war für den Gefahrenverdacht verantwortlich gewesen. Nachteil für den Reisenden: Sein Flugzeug war inzwischen weg. Er und seine Begleitung hatten ihren Flug verpasst, für die Ersatzflüge fielen Kosten in Höhe von 912 Euro an.

Schadensersatz von der Bundespolizei?


Der Reisende verklagte schließlich die Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrin der Bundespolizei auf Schadensersatz. Und er bekam Recht: Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellte fest, dass der Fluggast wegen der Kontrollmaßnahmen eine Entschädigung nach den sogenannten aufopferungsrechtlichen Grundsätzen verlangen konnte. Zwar habe er die Untersuchung durch die Entschärfungs-Spezialisten im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit hinnehmen müssen. Man könne ihm aber nicht zumuten, den infolge dieser Maßnahmen entstandenen zusätzlichen Nachteil – den Verfall der Flugtickets und den notwendigen Erwerb zweier Ersatztickets - zu tragen.

Wie begründete das Gericht sein Urteil?


Das Gericht erklärte, dass der Kläger weder die Verdachtsmomente noch die zeitliche Verzögerung der Kontrolle selbst zu verantworten habe. Für die Überlagerungen auf dem Röntgenbild sei er nicht verantwortlich zu machen. Zu der Verzögerung sei es nur durch die lange Anfahrt des Entschärfungstrupps der Bundespolizei gekommen.
Anders als die Vorinstanz begründete das Oberlandesgericht seine Entscheidung zu Gunsten des Reisenden nicht mit einem organisatorischen Verschulden der Bundespolizei, also mit uneffektiven Dienstplänen. Das Oberlandesgericht erläuterte, dass dem Fluggast hier ein Nachteil entstanden sei, der anderen Fluggästen bei Sicherheitskontrollen im regulären Tagesbetrieb in der Regel nicht entstehe. Dieser Nachteil stelle deshalb – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch kein allgemeines Lebensrisiko dar. Vielmehr sei der Kläger mit einem sogenannten Sonderopfer belastet worden, für das er eine Entschädigung verlangen könne (Urteil vom 12.8.2013, Az. 1 U 276/12).

Was versteht man unter einem Sonderopfer?


Von einem Sonderopfer ist die Rede, wenn jemand ohne jegliches eigene Verschulden in staatliche bzw. polizeiliche Maßnahmen hineingerät, die er zwar im Interesse der Allgemeinheit dulden muss, durch die er aber einen Schaden erleidet. Diesen Schaden muss der Staat dann ersetzen. Abgeleitet wird dies noch aus dem preußischen Allgemeinen Landrecht, heute gilt dieser Grundsatz als gewohnheitsrechtlich anerkannt.

Wann haben Reisende Ansprüche gegen den Flughafenbetreiber?


Auch gegen den Betreiber des Flughafens können Fluggäste Ansprüche haben. Dies bestätigte das Amtsgericht Erding in einem Fall, in dem eine Familie ihren Flug von München in die Türkei verpasst hatte. An der Sicherheitskontrolle waren die Warteschlangen sehr lang gewesen. Ein Mitarbeiter des Flughafens befürchtete, dass die Familie ihren Flug verpassen könnte, und forderte sie auf, sich an einem anderen Kontrollschalter anzustellen. Hier dauerte es aber noch länger, und nun verpassten die Reisenden tatsächlich ihren Flug. Die Umbuchung auf einen anderen Flug kostete die Familie rund 600 Euro. Das Gericht gestand der Familie 80 Prozent der Umbuchungskosten als Schadensersatz zu. Verantwortlich sei hier der Flughafen, dessen Mitarbeiter die Familie zu der neuen Anstellschlange geschickt habe. Das Gericht begründete dies mit einer Verletzung vertraglicher Pflichten. Zwar bestünde hier kein Vertrag zwischen Flughafen und Passagier. Es existiere jedoch ein Vertrag zwischen Flughafen und Fluggesellschaft. Und dieser Vertrag schütze auch den Passagier (AG Erding, Urteil vom 23.8.2016, Az. 8 C 1143/16).
Allerdings mussten die Reisenden hier 20 Prozent des Schadens wegen eines Mitverschuldens selbst tragen. Denn es sei ihnen zuzumuten, in einem solchen Fall nach vorne zum Schalter zu gehen und das Personal darauf aufmerksam zu machen, dass sie demnächst ihren Flug verpassen würden.

Was passiert, wenn Reisegepäck beschlagnahmt wird?


In einem vor dem Bundesgerichtshof verhandelten Fall hatte das Sicherheitspersonal in Abwesenheit des Fluggastes seinen abgegebenen Koffer kontrolliert und eine kleine Tauch-Pressluftflasche (sogenannte Pony-Flasche) als potentiell gefährlichen Gegenstand daraus entnommen. Der Fluggast erfuhr davon nichts und stellte das Fehlen der Flasche erst am Urlaubsort fest. Er konnte mit seiner Frau daher keine Tauchgänge unternehmen und verklagte die Fluggesellschaft auf über 4.800 Euro Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Bestehen in eine solchen Fall Ansprüche gegen die Airline?


Zwar wiesen zwei Gerichtsinstanzen die Klage ab. Denn die Fluggesellschaft könne nichts für das Handeln der Gefahrgutbeauftragten, die hier in hoheitlichem Auftrag, also als für den Staat handelnde Person, tätig geworden sei. Der Bundesgerichtshof war jedoch anderer Ansicht, hob das letzte Urteil auf und verwies den Fall an die Vorinstanz zurück. Zwar bestünden keine Ansprüche nach dem Montrealer Abkommen gegen die Fluggesellschaft. Es sei jedoch ein Schadenersatzanspruch aus dem mit dem Kläger geschlossenen Beförderungsvertrag möglich. Zwischen dem Aussortieren der Flasche und dem Abflug seien anderthalb Stunden Zeit vergangen. Dies hätte ausgereicht, um den Kläger über Lautsprecher auszurufen und ihn auf das Problem hinzuweisen. In diesem Fall hätte der Fluggast die Fluggesellschaft darauf hinweisen können, dass die Pressluftflasche geöffnet und leer gewesen sei, weshalb er sie dann wohl hätte mitnehmen dürfen. Da die Fluggesellschaft diese mögliche Aufklärung nicht durchgeführt habe, sei sie grundsätzlich schadenersatzpflichtig (BGH, Az. X ZR 126/14).

Praxistipp


Sind Ihnen zusätzliche Kosten entstanden, weil Sie wegen überlanger Sicherheitskontrollen Ihren Flug verpasst haben, sollten Sie einen auf das Reiserecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuziehen. Dieser kann am Besten beurteilen, gegen wen im Einzelfall ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden kann und welche Erfolgsaussichten bestehen.

(Bu)


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