Nach Autounfall: Was ist zu empfehlen – Sachverständigengutachten oder Kostenvoranschlag?

27.01.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Unfallauto,Abschleppwagen Die Feststellung der Schadenshöhe nach einem Unfall ist oft nicht einfach. © Bu - Anwalt-Suchservice

Nach einem Autounfall muss die Höhe des Schadens festgestellt werden. Was ist zu empfehlen: Kostenvoranschlag oder Gutachten? Was sind die Unterschiede und was sagen die Versicherungen?

Die Höhe des Schadens ist nach einem Autounfall in der Regel schwer einschätzbar. Beispielsweise ist eine zerkratzte Stoßstange aus Kunststoff oft irreparabel und kann entsprechend teuer werden: Aufwändig ist auch das Beseitigen von Beulen und Lackschäden. Wenn dann Schäden an der Technik hinzukommen, ist die Sache für den Laien endgültig nicht mehr durchschaubar. Aber: Wer bei der gegnerischen Versicherung einen Schadensersatz einfordern will, muss dessen Höhe benennen können – und diese natürlich auch irgendwie nachweisen.

Was muss man zum Kostenvoranschlag wissen?


Ein möglicher Weg für den Schadensnachweis ist der Kostenvoranschlag. Für diesen ist vom Gesetzgeber grundsätzlich keine Extra-Vergütung vorgesehen. Niemand hindert aber die Vertragspartner daran, eine solche zu vereinbaren. Immerhin entsteht dadurch für die Werkstatt zusätzlicher Zeitaufwand. Teilweise werden die Kosten für den Kostenvoranschlag später mit denen der eigentlichen Reparatur verrechnet. Ein Kostenvoranschlag kann unverbindlich oder auch verbindlich sein.

Was bedeutet verbindlich oder unverbindlich?


Über den Kostenvoranschlag oder – wie ihn das Gesetz nennt – den Kostenanschlag gibt es zwei Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch: §§ 649 und 632 Abs. 3 BGB. Danach gilt: Ein unverbindlicher Kostenvoranschlag wird kein fester Vertragsbestandteil. Kann die Autowerkstatt absehen, dass sie die darin veranschlagten Kosten wesentlich überschreiten wird – also um mehr als 20 Prozent – muss sie den Auftraggeber vor Ausführung der Arbeiten um sein Einverständnis bitten. Der Kunde kann dieses erteilen oder verweigern. Verweigert er es, kann er den Werkvertrag - der nun keinen Sinn mehr macht - kündigen und muss der Werkstatt die bis dahin durchgeführten Arbeiten vergüten.
Handelt es sich jedoch ausdrücklich um einen verbindlichen oder garantierten Kostenvoranschlag, muss die Werkstatt sich auch an den angegebenen Preis halten. Dieser wird nämlich Vertragsbestandteil. Wenn der Unternehmer sich böse verrechnet hat, kann er den Vertrag von sich aus anfechten.

Grundlegendes zum Sachverständigengutachten


Der Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung muss generell die Kosten für einen Sachverständigen übernehmen. Dabei sollte sich der Geschädigte nicht auf den Sachverständigen der gegnerischen Versicherung verlassen, sondern darauf bestehen, dass ein unabhängiger Sachverständiger eingeschaltet wird. Bei der Feststellung des Schadens müssen auch Punkte wie die Wertminderung des Fahrzeugs und ein Nutzungsausfall für die Reparaturzeit berücksichtigt werden. Bei einer Kaskoversicherung regelt der Versicherungsvertrag, ob sich der Versicherte den Gutachter frei aussuchen darf. Oft will die Versicherung diesen stellen. Einen unabhängigen Gutachter muss man dann in der Regel selbst bezahlen.

Was kostet ein Sachverständigengutachten?


Meist rechnen Sachverständige auf der Basis der Höhe des festgestellten Schadens ab. Heißt: Je höher der Schaden, desto höher die Vergütung. Nach dem Bundesverband der KfZ-Sachverständigen BVSK liegt der Preis für ein Schadengutachten bei einem Schaden von 2.500 Euro abhängig von Aufwand und regionalen Gegebenheiten zwischen 405 und 470 Euro (Umfrage unter Mitgliedern Stand 2018). Nebenkosten wie Fahrtkosten, Porto/ Telefon und Fotokosten sind zusätzlich zu bezahlen. Eine offizielle Gebührentabelle oder gesetzliche Regelung dazu gibt es nicht.
Nach einem älteren Urteil des Landgerichts Saarbrücken standen einem KfZ-Sachverständigen zwar 291 Euro für eine Begutachtung zu, aber nicht die geforderten 259 Euro für “Nebenleistungen.” Zumindest dieses Gericht hielt 2012 alle Nebenkosten, die 100 Euro überschreiten, für überhöht (Urteil vom 22.06.2012, Az. 13 S 37/12).

Kostenanschlag oder Gutachten - wann ist eine Wahl zu treffen?


Eine Entscheidung zwischen Kostenvoranschlag und Gutachten ist immer dann zu treffen, wenn es sich um einen relativ geringen Schaden handelt. Die Versicherungen bezahlen bei geringen Schäden nämlich kein teures Sachverständigengutachten.

Um einen solchen Fall ging es beispielsweise vor dem Amtsgericht Kiel: Ein Autofahrer hatte auf dem Parkplatz einer Kita rückwärts aus einer Parklücke ausgeparkt und dabei einen anderen PKW gestreift. Vom Unfallgegner wurde ein Sachverständiger mit der Schadensfeststellung beauftragt. Dafür verlangte dieser 323 Euro. Allerdings weigerte sich die Versicherung des Verursachers, diese Summe zu bezahlen: Der Schaden am Fahrzeug sei mit rund 1.054 Euro inklusive Mehrwertsteuer zu niedrig, um solche Sachverständigenkosten zu rechtfertigen. Durch die Beauftragung des Sachverständigen habe der Geschädigte gegen seine Pflicht verstoßen, den zu ersetzenden Schaden insgesamt gering zu halten.

Grundsätzlich gehen die Gerichte bei kleineren Schäden von einer Bagatellgrenze von 700 bis 1.000 Euro aus. Wenn der Unfallschaden diesen Betrag überschreitet, muss die Versicherung die Kosten für den Sachverständigen erstatten. Dementsprechend entschied auch das Kieler Gericht: Bei einem Schaden von 1.054 Euro müsse die Versicherung die Sachverständigenkosten übernehmen (Urteil vom 30.11.2011, Az. 113 C 145/11). Allerdings erklärte das Gericht auch, dass nicht nur die Beträge entscheidend seien, die der Geschädigte ja vor der Beauftragung eines Gutachters gar nicht kenne. Ob ein Gutachter beauftragt werden dürfe, hänge ebenfalls davon ab, ob der Schaden auch durch einen Laien ohne Weiteres als Bagatellschaden erkannt werden könne. Gerade dies sei heute aufgrund der immer komplizierteren Fahrzeugtechnik immer seltener der Fall.

Pro und Contra Kostenvoranschlag


Wenn damit gerechnet werden muss, dass die gegnerische Versicherung die Kosten für ein Sachverständigengutachten nicht erstattet, muss ein Kostenvoranschlag der Werkstatt ausreichen. Vor Gericht wird diesem allerdings meist ein geringerer Beweiswert beigemessen. Denn: Ein Kostenanschlag enthält weniger Informationen als ein Gutachten. Bei einem Rechtsstreit wird das Gericht unter Umständen von sich aus einen Sachverständigen beauftragen. Geschädigte sollten sich auch darüber im Klaren sein, dass eine KFZ-Werkstatt nur die Reparaturkosten ermittelt, den möglichen Wertverlust und den Nutzungsausfall aber außer Acht lässt.

Praxistipp


Ob nach einem Unfall ein Gutachter beauftragt oder ein Kostenvoranschlag eingeholt wird, sollte gut überlegt sein. Im Streitfall hilft Ihnen ein im Zivilrecht versierter Anwalt dabei, Ihren Schaden beim Unfallgegner und seiner Versicherung geltend zu machen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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