Filesharing durch Kinder: Müssen die Eltern Schadensersatz zahlen?

16.02.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Filesharing,Urheberrecht,Kinder,Aufsichtspflicht,Haftung Eltern riskieren eine Haftung, wenn ihre Kinder Tauschbörsen nutzen. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Aufsichtspflicht der Eltern: Eltern entsprechen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, wenn sie das Kind darüber belehren, dass Filesharing rechtswidrig ist, und ihm dies klar verbieten.

2. Haftung der Eltern: Werden die Eltern ihrer Aufsichtspflicht nicht gerecht, weil sie nur allgemeine Regeln zu einem "ordentlichen Verhalten" aufstellen, haften sie für den durch Filesharing entstehenden Schaden.

3. Schweigerecht der Eltern: Zwar müssen die Eltern von mehreren Kindern den Namen des Kindes, das illegal Filesharing betrieben hat, im Gerichtsprozess nicht nennen. Dann haften sie allerdings selbst für den entstandenen Schaden.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Filesharing bestätigt. Danach haften Eltern für illegale Uploads von Musikalben in eine Tauschbörse, wenn sie nicht verraten wollen, welches ihrer drei Kinder dafür verantwortlich ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der letzten Jahre. Der Bundesgerichtshof bestätigte drei Urteile des Oberlandesgerichts Köln, in denen deutschen Tonträgerherstellern Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten wegen Filesharing zugesprochen worden waren. Auch in diesen Fällen war es, wie schon in der sogenannten "BearShare"-Entscheidung aus Januar 2014 (Az. I ZR 169/12), um die Haftung von Eltern bei Urheberrechtsverstößen ihrer Kinder gegangen.

Was ist eigentlich Filesharing?


"Was um Himmels Willen ist denn Filesharing?", wird sich die beklagte Mutter von zwei minderjährigen Kindern in einem der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelten Fälle gedacht haben, als ihr eine Abmahnung mit einer saftigen Rechnung wegen der Teilnahme an einer Internet-Tauschbörse ins Haus flatterte.

Als Filesharing bezeichnet man das Tauschen von Dateien über ein entsprechendes Online-Netzwerk, auch Tauschbörse genannt. Filme, Serien oder Musik werden so vervielfältigt und verbreitet – oft ohne die notwendige Zustimmung des Inhabers des jeweiligen Urheberrechts. Dies kann Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen und ist ein strafbares Vergehen.

Bei einer polizeilichen Vernehmung erklärte die 14-jährige Tochter der Frau, die Musikdateien von einer Tauschbörse heruntergeladen zu haben. Das Gericht machte die Mutter für den von der Tochter verursachten Schaden verantwortlich. Rechtsgrundlage dafür war § 832 Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, die Haftung bei Verletzung der Aufsichtspflicht (BGH, Urteil vom 11.6.2015, Az. I ZR 7/14).

Filesharing: Wie weit geht die Aufsichtspflicht der Eltern?


Die Mutter verteidigte sich vor Gericht damit, ihre Kinder ausreichend belehrt zu haben. Aber: Genügte das?

Schon 2012 hat der BGH im sogenannten "Morpheus-Fall" (eine Tauschbörse) festgestellt: Eltern entsprechen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, schon dadurch, dass sie das Kind darüber belehren, dass die Teilnahme an Internettauschbörsen rechtswidrig ist, und ihm diese klar verbieten. Die Eltern haben jedoch grundsätzlich keine strenge Überwachungspflicht oder eine Pflicht, den Computer des Kindes teilweise zu sperren. Dies müssen Eltern erst dann tun, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind ihr Verbot nicht beachtet und trotzdem auf Tauschbörsen unterwegs ist (BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12).

Im Fall von 2015 war bis zum Schluss nicht zu klären gewesen, ob die Mutter ihre Tochter tatsächlich entsprechend belehrt hatte. Die Karlsruher Richter befanden: Für das Kind nur allgemeine Regeln zu einem "ordentlichen Verhalten" aufzustellen, reiche nicht aus. Daher musste die Mutter letztendlich Schadensersatz zahlen.

Illegale Tauschbörsen: Welche Beweiskraft haben IP-Nummern?


2007 hatte ein Musikunternehmen das Softwareunternehmen proMedia beauftragt, die IP-Adressen der Computer zu ermitteln, über die eine Vielzahl von Musiktiteln zum Herunterladen verfügbar gemacht worden waren. Denn: Wenn man erst einmal die IP-Adresse hat, lässt sich per Gerichtsbeschluss der Internetprovider zwingen, die Identität des Anschlussinhabers preiszugeben.

In einem vor dem BGH verhandelten Fall zweifelte der als Anschlussinhaber verklagte Familienvater daran, dass die so zustande gekommene Auskunft des Internetproviders korrekt war. Er stritt ab, dass er oder ein anderes Familienmitglied die Musikdateien zum Herunterladen angeboten habe. Vor Gericht stellte sich dann jedoch heraus, dass seine Ehefrau nicht über Administratorenrechte verfügte und sein 17-jähriger Sohn das Passwort nicht kannte. Auch ergab sich, dass der Rechner des Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt online war und dass die Musiktitel dort zum Herunterladen bereitgehalten worden waren.

Dies reichte für das Gericht aus, um den Mann auf Schadensersatz haften zu lassen. Die rein theoretische Möglichkeit, dass bei Ermittlungen Fehler passieren könnten, spreche nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im konkreten Fall kein Fehler nachweisbar sei. Da schadet nicht einmal – wie beim beklagten Vater – ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle des Internetproviders (BGH, Az. I ZR 19/14).

Wann wird beim Filesharing eine Täterschaft vermutet?


In einem Fall hatte ein beklagter Familienvater behauptet, er wäre im fraglichen Zeitraum mit seiner Familien im Spanien-Urlaub gewesen. Vor dem Urlaub habe man Router und Computer ausgeschaltet. Das Landgericht glaubte ihm diese Version noch, das Oberlandesgericht Köln nicht mehr. Das OLG entschied, dass er als Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzungen einstehen müsse. Dies bestätigte auch der Bundesgerichtshof. Schließlich könne der Familienvater nicht beweisen, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter infrage kamen. In einem solchen Fall könne die Täterschaft des Anschlussinhabers auch einfach vermutet werden, so die Richter (Az. I ZR 75/14).

Wie wird der Schaden durch Filesharing berechnet?


Im oben besprochenen Fall war der Schadensersatz für die Urheberrechtsverletzung in Form fiktiver Lizenzgebühren berechnet worden. Herausgekommen waren 200 Euro für jeden der in die Schadensberechnung einbezogenen Musiktitel. Laut Bundesgerichtshof war diese Rechnung angebracht. Zusätzlich bestand nach dem Gericht auch ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten. Dieser Betrag wurde auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet, das die Gebühren für Rechtsanwälte festlegt.

Dabei richten sich die Rechtsanwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert, der bei Filesharing gemäß § 97a Urheberrechtsgesetz auf 1.000 Euro gedeckelt ist. Das heißt, dass die Anwaltsgebühr für eine Abmahnung nicht über 150 Euro liegen kann – außer, es sind besondere Umstände und ein besonderer Aufwand des Anwalts nachweisbar. Hinzukommen können jedoch Kosten für Ermittlungen durch besondere Dienstleister.

Welches Kind war in der Tauschbörse aktiv? Sage ich nicht!


2019 verhandelte sogar das Bundesverfassungsgericht einen Fall, in dem ein Kind ohne Wissen seiner Eltern illegales Filesharing betrieben hatte. Allerdings handelte es sich hier um ein erwachsenes Kind - trotzdem ging es um die Haftung der Eltern. Diese gaben vor Gericht zu, zu wissen, welches ihrer drei erwachsenen Kinder das Rihanna-Album zum Tausch hochgeladen hatte. Sie wollten den Namen des Kindes jedoch nicht nennen, um das Kind nicht zu belasten.

Der Bundesgerichtshof hatte die Eltern dazu verurteilt, als Anschlussinhaber über 3.500 Euro Schadensersatz und Abmahnkosten zu zahlen. Zwar räumte der BGH ein, dass die Eltern das Recht hätten, zu schweigen und ihre Angehörigen nicht zu belasten. Dann müssten aber sie selbst als Anschlussinhaber die Folgen tragen.

Gegen dieses Urteil zogen die Eltern vor das Bundesverfassungsgericht und beriefen sich auf den Schutz der Familie. Dieser sei immerhin im Grundgesetz festgeschrieben. Auch das Bundesverfassungsgericht betonte, dass man Familienmitglieder nicht belasten müsse. Aber: Auch das geistige Eigentum des Inhabers des Urheberrechts sei vom Grundgesetz geschützt. Dass die Eltern über die Identität des verantwortlichen Kindes schweigen dürften, schließe nicht aus, dass sie selbst haften müssten. Der Sinn des im Grundgesetz verankerten Schutzes der Familie sei nicht, "sich aus taktischen Erwägungen der eigenen Haftung für die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums zu entziehen". Ergebnis: Die Eltern mussten trotz allem zahlen (Beschluss vom 18.2.2019, Az. 1 BvR 2556/17).

Praxistipp zum Filesharing durch Kinder


Wenn eine Abmahnung wegen Verstößen gegen das Urheberrecht ins Haus flattert, ist es entscheidend, sich schnell rechtlich beraten zu lassen. Der Grund: Die Fristen in diesem Bereich sind kurz, und eine voreilige Unterschrift unter die beiliegende Unterlassungserklärung kann später zu weiteren Kosten führen. Ein Rechtsanwalt kann überhöhte Forderungen herunterdrücken und die Unterlassungserklärung sinnvoll abändern. Am besten aufgehoben sind Sie in diesem Fall bei einem Fachanwalt für Urheberrecht.

(Ma)


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