Arbeitszeugnis: Was bedeutet die Geheimsprache der Arbeitgeber?

09.05.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (2660 mal gelesen)
Arbeitszeugnis,Geheimsprache,Code,Jobsuche Nicht alle Bemerkungen im Arbeitszeugnis sind so freundlich, wie sie klingen. © Bu - Anwalt-Suchservice

Einige Bemerkungen in Arbeitszeugnissen sagen mehr aus, als man beim oberflächlichen Lesen glauben würde. Hier kommt eine kleine Übersetzungshilfe zur inoffiziellen Geheimsprache der Arbeitgeber.

Es gibt keine Geheimsprache im Arbeitszeugnis. Das wird jedenfalls immer wieder gern behauptet, meist von Arbeitgeberseite. Aber: Lesen Sie sich doch einmal Ihr letztes Arbeitszeugnis durch. Was ist eigentlich mit der "vollen Zufriedenheit" über Ihre Tätigkeit gemeint? Hätte es nicht vielleicht "vollste Zufriedenheit" heißen müssen? Wurden Sie vielleicht als "besonders einfühlsam gegenüber Kollegen" bezeichnet? Auweia. Und was ist mit diesem Satz: "Sein Verhalten gegenüber Kunden, Kollegen und Vorgesetzten war stets einwandfrei"?

Was steht im Arbeitszeugnis?


Grundsätzlich unterscheidet man das einfache und das qualifizierte Arbeitszeugnis. Ein einfaches Arbeitszeugnis enthält die Personalien des Arbeitnehmers und informiert den Leser darüber, worin dessen Tätigkeit bestand und wann diese begonnen hat und beendet wurde. Eine Bewertung von Leistungen findet jedoch nicht statt. Für Geheimsprache ist hier kaum Platz. Beim qualifizierten Arbeitszeugnis ist dies anders. Hier wird die Arbeitsleistung tatsächlich vom Chef bewertet und auch über das persönliche Verhalten des Arbeitnehmers und seine Qualifikation für den Job wird berichtet.

Sind Geheimcodes im Arbeitszeugnis nicht verboten?


Doch, das sind sie. Die Gewerbeordnung untersagt sogenannte Geheimcodes im Arbeitszeugnis. § 109 Absatz 2 GewO legt fest, dass Zeugnisse klar und verständlich formuliert sein müssen. Sie dürfen keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, deren Zweck es ist, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Der Haken: Nicht alle Formulierungen mit möglicherweise verstecktem Inhalt fallen unter dieses Verbot einer Geheimsprache im Arbeitszeugnis.

Wie wird das Notensystem berücksichtigt?


Die Nutzung des sogenannten Notensystems, an dem man eine Abstufung nach Schulnoten von Eins bis Sechs durchführen kann, ist im Arbeitszeugnis erlaubt. Und hier kommen wir zu den verschiedenen Abstufungen der "Zufriedenheit" mit Beschäftigten.

"Er / sie hat stets zu unserer vollsten Zufriedenheit gearbeitet" steht für die Schulnote Eins. Heißt es, der oder die Betreffende habe "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" oder "zu unserer vollsten Zufriedenheit" gearbeitet, handelt es sich um die Note Zwei, "stets zu unserer Zufriedenheit" oder "zu unserer vollen Zufriedenheit" sind eine Drei und "zu unserer Zufriedenheit" bedeutet eine Vier.

Dann wird es eng. Wer aus Sicht des Arbeitgebers die ihm "übertragenen Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt" hat, hat mit der Note Fünf eine mangelhafte Bewertung bekommen. Dies gilt auch für den Satz "er / sie hat sich bemüht, die übertragenen Aufgaben zu erfüllen". Sich nur zu bemühen, reicht halt nicht aus.

Als unzulässig gelten Formulierungen, aus denen man auf die Note Sechs schließen kann. Denn: Ein Zeugnis muss immer wohlwollend abgefasst sein. Beispiele für solche Formulierungen sind: "... hat anfangs gute Arbeit geleistet", "... im Rahmen ihrer / seiner Möglichkeiten", "... zeigte Verständnis für ihre / seine Aufgaben". Tauchen solche Formulierungen im Arbeitszeugnis auf, werden neue Arbeitgeber vor einer Einstellung des Bewerbers gewarnt. Ein Geheimcode also, und zwar ein unzulässiger. Als Arbeitnehmer sollten Sie in diesem Fall auf einer Änderung bestehen.

Darf das Arbeitszeugnis den Kündigungsgrund enthalten?


Es ist nicht erlaubt, den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ins Zeugnis aufzunehmen. Ebenso unzulässig ist es, die Art der Kündigung zu erwähnen (z. B. fristlos). Solche Angaben darf der Arbeitgeber höchstens ausnahmsweise mit Zustimmung des Arbeitnehmers machen. Auch der Hinweis, dass der Arbeitsvertrag in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst wurde, hat im Arbeitszeugnis normalerweise nichts verloren.

Eine fristlose Kündigung kann sich jedoch auch aus dem Austrittsdatum ergeben. Reguläre, fristgemäße Kündigungen finden nämlich meist zur Mitte des Monats oder zum Monatsende statt. Ein Austrittsdatum während des laufenden Monats bedeutet oft eine fristlose Kündigung. Aber: Die Angabe eines solchen Austrittsdatums ist erlaubt (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 1.10.1987, Az. 9 CA 2774/87). Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ganz regulär an einem "krummen" Datum endet – zum Beispiel wegen eines befristeten Arbeitsvertrages – sollten zur Vermeidung von Missverständnissen darauf drängen, dass der Grund für dieses Enddatum in ihrem Arbeitszeugnis steht.

Was sagen bewusste Lücken im Arbeitszeugnis aus?


Sehr negativ für den Arbeitnehmer kann es auch sein, wenn Themen ganz aus dem Arbeitszeugnis herausgelassen werden, zu denen im Normalfall etwas gesagt wird. Fehlen zum Beispiel Angaben zur Qualifikation des Mitarbeiters, ist dies ein Problem. Auch sein soziales Verhalten im Betrieb und seine Arbeitsleistung sollten nicht schweigend übergangen werden - das heißt dann nichts Gutes.

Bei der Beurteilung des sozialen Verhaltens des Mitarbeiters muss der Vorgesetzte immer an erster Stelle genannt werden. Zum Beispiel: „Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets einwandfrei.“ Sobald die Personen in einer anderen Reihenfolge erwähnt werden, ist dies wieder ein Code. Und dieser besagt: Im Verhältnis zu den Vorgesetzten hat etwas nicht gestimmt.

Beim sozialen Verhalten gibt es weitere Möglichkeiten für versteckte Formulierungen. So kann der Satz "für die Belange der Belegschaft bewies er immer Einfühlungsvermögen" darauf hinweisen, dass der Betreffende auffällig an sexuellen Kontakten zu Kollegen interessiert war. Fast schon ein Jobkiller ist der Satz "er hat mit seiner geselligen Art zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen". Denn: Dies bedeutet übermäßigen Alkoholkonsum. Noch schlimmer ist "er stand stets voll hinter uns". Hier ist "voll" wörtlich zu nehmen: Der Mitarbeiter war nie nüchtern.

Darf Gewerkschaftstätigkeit erwähnt werden?


Im Arbeitszeugnis darf nicht erwähnt werden, ob der Beschäftigte Mitglied einer Gewerkschaft ist. Manchmal wird dies unzulässigerweise umgangen durch Formulierungen wie "er zeigte stets Engagement für Arbeitnehmerinteressen außerhalb des Betriebs" (= nahm an Streiks teil) oder "er trat sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens engagiert für die Interessen der Arbeitnehmer ein" (= Gewerkschaftstätigkeit). Der Hinweis auf "engagiertes Eintreten für die Interessen der Kollegen" steht für eine Tätigkeit im Betriebsrat. Aus Sicht des neuen Arbeitgebers heißt das: Hier holt man sich möglichen Ärger ins Haus.

Was gilt für Unregelmäßigkeiten im Arbeitsverhältnis?


Wenn im Zeugnis steht, "er/sie hat alle Aufgaben zu seinem und im Interesse der Firma gelöst", darf sich niemand über eine Absage bei der nächsten Bewerbung wundern. Denn: Diese Formulierung weist auf den Diebstahl von Firmeneigentum hin. Haben Sie den halben Tag im langweiligen Job damit verbracht, auf Kosten des Chefs private Telefongespräche zu führen? Dann finden Sie vielleicht in Ihrem Arbeitszeugnis den Satz: "Ihre umfangreiche Bildung machte sie zu einer gesuchten Gesprächspartnerin". Überhaupt kein Geheimcode, natürlich.

Danksagung am Zeugnisende: Lauern auch hier Zeugniscodes?


Am Ende des Arbeitszeugnisses findet man häufig Dank und gute Wünsche für die Zukunft. Dies sind freiwillige Angaben. Auch das Bundesarbeitsgericht hat dies bestätigt (Urteil vom 11.12.2012, Az. 9 AZR 227/11). Aber: Auch dabei kommt es auf die genaue Formulierung an: So bedeutet "wir bedauern den Verlust von .... und bedanken uns für die stets sehr gute und produktive Zusammenarbeit" eine Note Eins. Ein "wir danken für die gute Zusammenarbeit", steht für die Note Vier und "für das stete Interesse an der Zusammenarbeit bedanken wir uns", ist eine Fünf und bewertet die Zusammenarbeit als "mangelhaft".

Praxistipp zur Geheimsprache im Arbeitszeugnis


Beim Arbeitszeugnis lohnt sich genaueres Hinschauen. Wer hier als Arbeitnehmer zweifelhafte Formulierungen findet, kann sich kompetenten Rat bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht holen. Nicht selten lassen sich derartige Formulierungen im Nachhinein noch aus dem Zeugnis entfernen, wenn ein Anwalt auf den Plan tritt.

(Bu)


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 Stephan Buch
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