Arbeitszeugnis: Wie gehe ich vor, wenn ich nicht damit einverstanden bin?

23.05.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (514 mal gelesen)
Arbeitszeugnis,Zeugnissprache,Geheimcodes Wie kann der Arbeitnehmer sein Arbeitszeugnis beanstanden? © Bu - Anwalt-Suchservice

Jeden Tag endet eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen. Auch danach haben Arbeitnehmer jedoch noch Ansprüche gegen den Ex-Arbeitgeber, u. a. den auf ein Arbeitszeugnis. Was sollte man darüber wissen?

Das Arbeitszeugnis markiert das Ende eines alten Arbeitsverhältnisses. In aller Regel ist es die Eintrittskarte in den neuen Job. Unklarheiten oder zweifelhafte Formulierungen haben für Arbeitnehmer schnell erhebliche Folgen. Aber: Arbeitgeber müssen sich bei der Erstellung des Arbeitszeugnisses an feste Regeln halten.
Es ist bereits viel über die Geheimsprache in Zeugnissen geschrieben worden. Es gibt jedoch noch viele weitere Details, die beim Arbeitszeugnis zu beachten sind.

Welchen Sinn und Zweck hat das Arbeitszeugnis


Ein Arbeitszeugnis informiert darüber, welche Tätigkeit ein Arbeitnehmer bei welchem Betrieb wie lange ausgeführt hat, welche Qualifikationen er besitzt, wie er sich gegenüber Chef und Kollegen verhalten hat und ob man insgesamt mit ihm oder ihr zufrieden gewesen ist. Das Arbeitszeugnis ist bei einer Bewerbung das wichtigste Dokument, denn es enthält die entscheidenden Informationen für den Personalchef des neuen Arbeitgebers. Es entscheidet darüber, ob der Bewerber oder die Bewerberin überhaupt die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhält.

Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?


Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um eine Arbeitsstelle in Vollzeit oder Teilzeit, einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag gehandelt hat. Die Rechtsgrundlage dafür ist § 109 der Gewerbeordnung (GewO).

Auszubildende können nach § 16 Berufsbildungsgesetz (BBiG) ein Zeugnis verlangen. Auch Praktikanten haben einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis nach § 26 in Verbindung mit § 16 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Arbeitnehmer können auch im laufenden Arbeitsverhältnis ein Zwischenzeugnis beanspruchen, wenn sie dafür einen guten Grund haben. Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. Möglich ist dies zum Beispiel bei einem Wechsel des Vorgesetzten, bei der Versetzung in eine andere Abteilung oder bei Elternzeit (Landesarbeitsgericht Köln, Az. 10 Sa. 482/07).

Welchen Inhalt muss ein Arbeitszeugnis haben?


Dies hängt davon ab, ob es sich um ein einfaches oder ein qualifiziertes Arbeitszeugnis handelt. Ein einfaches Arbeitszeugnis muss nur Angaben zu den Personalien des Arbeitnehmers (Name, Geburtsdatum, Anschrift) und zur Art und Dauer seiner Tätigkeit enthalten.

Im ausführlicheren qualifizierten Arbeitszeugnis findet man zusätzlich Angaben über Leistung und Verhalten des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmer und Auszubildende haben nach § 109 GewO und § 16 BBiG das Recht, ein qualifiziertes Zeugnis zu verlangen. Der Arbeitgeber muss bei dessen Erstellung die Grundsätze der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit beachten.

Das heißt: Das Zeugnis darf keine Formulierungen enthalten, die eine andere Aussage über den Mitarbeiter treffen, als die äußere Form und der eigentliche Wortlaut. Also keine Geheimcodes und keine versteckten Andeutungen. Auch muss das Zeugnis Leistung und Sozialverhalten des Arbeitnehmers bei wohlwollender Beurteilung zutreffend wiedergeben.

In Arbeitszeugnissen hat sich eine ganze Reihe von Formulierungen eingebürgert, die zum Teil branchenabhängig sind. Wenn eine solche fehlt, kann dies für den Arbeitnehmer schnell negative Folgen bei Bewerbungen haben. Das Weglassen einer solchen Formulierung wird von den Arbeitsgerichten oft als unzulässiges Geheimzeichen betrachtet. Deshalb können Arbeitnehmer eine Ergänzung fordern, wenn es für die Weglassung im Arbeitszeugnis keinen sachlichen Grund gibt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.8.2008, Az. 9 AZR 632/07).

Was versteht man unter der Zeugnissprache?


Zwar sind Geheimcodes und -zeichen im Arbeitszeugnis eigentlich unzulässig. Trotzdem gibt es eine Reihe von Formulierungen, aus denen der mögliche neue Chef einige Schlüsse ziehen kann. So deutet die Formulierung "seine Geselligkeit trug zur Verbesserung des Betriebsklimas bei" auf ein ausgeprägtes Alkoholproblem hin. Ein Mitarbeiter, der "gutes Einfühlungsvermögen" gezeigt hat, war ständig nur am Flirten, und wer "seine eigene Meinung vertritt", kann keine Kritik vertragen.

In jedem Arbeitszeugnis wird üblicherweise das Thema "Zufriedenheit" angesprochen. An der genauen Formulierung kann man schulnotenartig eine Bewertung des Arbeitnehmers ablesen. So bedeutet "Stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" ein "sehr gut", "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" bedeutet "gut", "zu unserer vollen Zufriedenheit" steht für die Note 3, "zu unserer Zufriedenheit" ist ein "ausreichend" und "insgesamt zu unserer Zufriedenheit" ist eine 5. Sämtliche Formulierungen, die das Wort "bemüht" enthalten, deuten auf einen recht nutzlosen Arbeitnehmer hin. Übrigens: Wenn ein Chef seine Unterschrift gewohnheitsmäßig immer mit einem lachenden Smiley verziert, darf er im Arbeitszeugnis keinen traurigen Smiley verwenden. Dann besteht Anspruch auf Nachbesserung (Arbeitsgericht Kiel, Az. 5 Ca 80b/13).

Näheres zu diesem Thema und weitere Formulierungen finden Sie in diesem Beitrag:
Arbeitszeugnis: Was bedeutet die Geheimsprache der Arbeitgeber?

Wann bekomme ich mein Arbeitszeugnis?


Ein Anspruch auf die Erteilung eines Arbeitszeugnisses entsteht mit Ablauf der Kündigungsfrist oder bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit deren Schluss. Der Arbeitgeber muss ein qualifiziertes Arbeitszeugnis nur dann erteilen, wenn der Arbeitnehmer dies verlangt. Man darf sich dafür jedoch nicht beliebig viel Zeit lassen.

Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses ist gesetzlich nach drei Jahren verjährt. Wichtig: Die Gerichte sehen den Anspruch auf Zeugniserteilung schon nach einigen Monaten als verwirkt an. Ein Anspruch auf Berichtigung des Zeugnisses kann sogar schon nach vier Wochen verfallen sein. Daher gilt hier grundsätzlich: Schnell handeln. Dazu kommt: In vielen Arbeits- und Tarifverträgen lauern Ausschlussfristen. Solche Klauseln müssen sich nicht speziell auf das konkrete Arbeitszeugnis beziehen, sondern können auch einen allgemeinen Bezug haben (= "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis"). Wenn der Arbeitgeber nicht auf die Bitte um Erstellung eines Arbeitszeugnisses reagiert, können Arbeitnehmer ihm mit höflicher Formulierung eine Frist setzen, etwa von zwei Wochen.

Wie beanstande ich mein Arbeitszeugnis?


Wenn man als Arbeitnehmer in seinem Arbeitszeugnis eine Formulierung entdeckt, die man so nicht stehenlassen will oder kann, sollte man zunächst freundlich das Gespräch mit dem Chef suchen. Häufig ist es nämlich auch für die Vorgesetzten gar nicht so einfach, die Zeugnissprache richtig umzusetzen. Vielleicht steckt gar keine böse Absicht hinter einer zweifelhaften Formulierung?

Schlägt man selbst Alternativen vor, sollte man darauf achten, dass diese erstens rechtssicher sind und dass das Arbeitszeugnis zweitens danach immer noch wirkt, als sei es "aus einem Guss." Vermeiden sollte man Widersprüche und nicht zueinander passende Sätze.

Zeigt sich der Arbeitgeber allerdings unwillig und fühlt man sich als Arbeitnehmer durch das Arbeitszeugnis schlecht bewertet, sollte eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden. Arbeitnehmer können sowohl auf Erteilung als auch auf Korrektur eines Arbeitszeugnisses vor dem Arbeitsgericht klagen.

Praxistipp zum Arbeitszeugnis


Das Arbeitszeugnis ist eine wichtige Grundlage für das folgende Arbeitsverhältnis. Fühlt sich der Arbeitnehmer schlecht bewertet oder kann er den Inhalt nicht richtig deuten, ist fachkundige Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht sehr zu empfehlen. Allzu leicht können missverständliche Formulierungen später zu Absagen bei Bewerbungen führen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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