Das Berliner Testament – was versteht man darunter?

29.12.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (2145 mal gelesen)
Berliner Testament,gemeinsames Testament,Ehepartner,Vererben Ein Berliner Testament bietet Ehegatten erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten © Rh - Anwalt-Suchservice

Viele Ehegatten wünschen sich ein gemeinsames Testament. Hier bietet sich das sogenannte Berliner Testament an. Dabei sollten jedoch mehrere wichtige Details beachtet werden.

Das Berliner Testament stellt die wohl beliebteste Variante des gemeinschaftlichen Testaments dar. Es ist in § 2269 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gesetzlich geregelt. Es kann von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern gemeinsam aufgesetzt werden. Im Berliner Testament wird grundsätzlich festgelegt, dass beide Ehepartner sich gegenseitig allein beerben. Die Kinder gehen beim ersten Erbfall daher leer aus. Wenn der zweite Partner stirbt, erben die Kinder den gesamten Nachlass des Paares.

Wozu erstellt man ein Berliner Testament?


Sein Hauptzweck ist, den Partner abzusichern, besonders gegen den Verkauf der gemeinsamen Immobilie, in der dieser weiterhin wohnen möchte. Eine Aufteilung des Nachlasses nach Erbquoten zwischen dem Ehepartner und anderen Erben macht üblicherweise einen Verkauf der Immobilie nötig.
Es gibt dabei aber ein großes Problem: Die Kinder haben trotz Testament schon beim ersten Erbfall ein Anrecht auf ihren gesetzlichen Pflichtteil. Häufig fordern sie diesen nicht ein, weil sie ja die Gewissheit der späteren Erbschaft haben. Es gibt jedoch immer wieder Ausnahmen.

Was bewirken Pflichtteils-Strafklauseln?


Man kann mit Hilfe besonderer Formulierungen die Gefahr reduzieren, dass die Kinder schon zu Lebzeiten des zweiten Partners auf ihrem Pflichtteil bestehen und deshalb das Elternhaus verkauft werden muss, um diesen zu bezahlen.
Dies erreicht man mit sogenannten Pflichtteils-Strafklauseln im Testament. Danach erhält ein Kind, das schon beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil fordert, auch beim zweiten nur den Pflichtteil. Praktisch wird es also enterbt.

Eine Steigerung davon ist die "Jastrowsche Formel". Die Pflichtteile beider Erbfälle können durchaus zusammen einen Betrag erreichen, mit dem das enterbte Kind besser da steht, als seine Geschwister, die geduldig auf den zweiten Erbfall gewartet haben. Mit Hilfe der “Jastrowschen Formel” erhöht man den Betrag, den das geduldige Kind erhält, mit Hilfe eines Vermächtnisses und verringert gleichzeitig den Gesamtnachlass und somit den Pflichtteil des “ungeduldigen” Kindes. Bei solchen Konstruktionen ist anwaltliche Beratung dringend zu empfehlen.

Welche Formalien gibt es beim Berliner Testament?


Das Berliner Testament kann, wie jedes andere Testament, in notarieller Form oder als eigenhändiges Testament erstellt werden. Ein eigenhändiges Testament muss vom Erblasser vollständig eigenhändig handschriftlich verfasst und unterzeichnet werden. Nicht fehlen sollten Ort und Datum. Nach § 2267 BGB muss ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament von einem der beiden Ehegatten handschriftlich verfasst und von beiden unterschrieben werden. Der Ehegatte, welcher das Testament nicht selbst geschrieben hat, soll dabei angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort er das Testament unterschrieben hat.

Nur "Berliner Testament" reicht nicht


Testamentsverfasser sollten von allzu knappen Formulierungen Abstand nehmen. Als Erbeinsetzung reicht es nicht aus, wenn ein Ehegatte das Testament einfach alleine aufsetzt und darin schreibt, dass dafür die Regeln des "Berliner Testaments" gelten sollen. Eine derartige Festlegung ist viel zu unbestimmt. Es müssen schon genauere inhaltliche Aussagen gemacht werden, damit jeder weiß, was im Einzelnen gemeint ist. Unentbehrlich ist natürlich die Unterschrift der Ehefrau mit Ort und Datum. Dies zeigt sich auch an einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 22.7.2014 (Az. 15 W 98/14): Die Ehefrau aus zweiter Ehe erbte nichts, da die Kinder aus erster Ehe mit Erfolg das Testament anfochten.

Was sind Einheits- und Trennungslösung?


Die Einheits- und die Trennungslösung sind die zwei Varianten des Berliner-Testaments. Wählt man die Einheitslösung, wird ein Ehegatte Alleinerbe des anderen. Stirbt dann der zweite Ehegatte, erben die Kinder von diesem.

Bei der Trennungslösung setzten sich beide Ehepartner gegenseitig zu sogenannten Vorerben ein und die Kinder ihren Nacherben.

Der wichtige Unterschied: Bei der Einheitslösung hat der überlebende Ehegatte oder Partner die freie Verfügungsmöglichkeit über das komplette Vermögen. Er kann also beispielsweise die Kinder auch enterben. Bei der Trennungslösung darf er als Vorerbe ausschließlich über sein ursprüngliches eigenes Vermögen selbst entscheiden. Jede Maßnahme, die das Erbe der Nacherben beeinträchtigt, ist nicht zulässig und rechtlich unwirksam.
Weitere Unterschiede gibt es bei der Erbschaftssteuer.

Was kann bei internationalen Erbfällen Probleme bereiten?


Es gibt seit 17.8.2015 eine Europäische Erbrechtsverordnung. Danach werden Erbschaftsangelegenheiten immer nach dem nationalen Recht des Staates geregelt, in dem der Erblasser zuletzt gelebt hat.
Dummerweise sind in mehreren europäischen Ländern gemeinschaftliche Testamente von Ehegatten vollkommen unzulässig und unwirksam. Davon betroffen sind auch die beliebten Auswanderungsziele und Altersruhesitze Spanien, Italien und Frankreich.
Verfasst nun also jemand, der dort seinen Ruhestand verbringt, ein gemeinschaftliches Testament, gilt dies nach dortigem Recht als ungültig. Damit kommt die ausländische gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. Deren Regelungen unterscheiden sich jedoch von den deutschen, weshalb unerwünschte Ergebnisse vorprogrammiert sind.
Vermeiden kann man dieses Problem durch eine Rechtswahl im Testament. Dafür muss man handschriftlich und mit Unterschrift, Ort und Datum im Testament vermerken, dass auf das Testament und den Erbfall deutsches Recht angewendet werden soll.

Was ist eine Wiederverheiratungsklausel?


Einige Berliner Testamente enthalten eine sogenannte Wiederverheiratungsklausel. Mit ihr soll der überlebende Ehegatte im Fall einer neuen Eheschließung oder Verpartnerung abgestraft werden. Teilweise wird er für diesen Fall nur zum Vorerben gemacht, zum Teil aber auch gleich enterbt. Auch von dieser Klausel gibt es mehrere Varianten.
Unabhängig davon, welche Variante verwendet wird, können diese eine Angriffsfläche für eine Anfechtung des Testaments bilden. Begründen könnte man dessen Anfechtung zum Beispiel mit einer Beeinträchtigung der durch Art. 6 Grundgesetz geschützten Eheschließungsfreiheit oder mit Sittenwidrigkeit. Natürlich kommt es immer auf die Formulierung im Testament an. Hier ist wieder fachkundige Beratung erforderlich.

Praxistipp zum Berliner Testament


Problematisch kann es sein, wenn die schlussendlich erbenden Kinder Empfänger von Sozialleistungen sind. Das Sozialgericht Mainz hat entschieden, dass das Jobcenter einen Leistungsbezieher dazu zwingen kann, beim ersten Erbfall seiner Eltern seinen Pflichtteil einzufordern. Allerdings soll dies nur möglich sein, wenn im Nachlass ausreichend Geld vorhanden ist, damit der überlebende Elternteil zumindest während der nächsten paar Jahre nicht sein Haus veräußern muss (Urteil vom 23.8.2016, Az. S 4 AS 921/15). Generell ist bei der Erstellung eines Berliner Testaments immer die Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht zu empfehlen.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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