Wenn die Kinder zahlen müssen – Elternunterhalt

06.03.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 8 Min. (5416 mal gelesen)
Elternunterhalt,Geld Elternunterhalt: Nur noch wenige müssen zahlen. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Bedürftigkeit der Eltern: Kinder können zur Zahlung von Elternunterhalt verpflichtet sein, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten und auf Sozialleistungen angewiesen sind.

2. Ausreichendes Einkommen: Die Unterhaltspflicht kommt in Frage, wenn das Einkommen der Kinder ausreicht, um den Unterhalt der bedürftigen Eltern zu gewährleisten. Hierbei wird die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kinder berücksichtigt.

3. Zumutbarkeit: Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Unterhaltszahlungen an die Eltern, wird die finanzielle Situation der Kinder und ihrer eigenen Verpflichtungen berücksichtigt.
Kaum jemals verklagen Eltern ihre eigenen Kinder auf die Zahlung von Unterhalt - obwohl sie dies rechtlich gesehen könnten. Allerdings sehen die Sozialbehörden dies nicht so eng. Pflege und Unterbringung von Senioren sind teuer. Viele Pflegebedürftige können die Kosten nicht bezahlen. Dann springt die Sozialbehörde ein. Aber: In manchen Fällen verlangen die Sozialämter das gezahlte Geld von den erwachsenen Kindern zurück. Diese trifft es oft hart, da sie nicht mit einer derartigen Ausgabe gerechnet haben. Oft sind sie gerade in einer Lebensphase, in der sie selbst finanzielle Belastungen etwa durch Immobilienkredite oder den Aufbau einer eigenen Altersvorsorge stemmen müssen. Um erwachsene Kinder zu entlasten, gab es zum 1.1.2020 jedoch eine wichtige Gesetzesänderung.

Elternunterhalt: Was gilt seit 1.1.2020?


Seit diesem Datum werden nur noch erwachsene Kinder zur Unterhaltszahlung herangezogen, die ein Gesamteinkommen von mehr als 100.000 Euro im Jahr haben. Es zählt der Bruttolohn. Etwa 90 Prozent der bisher Unterhaltspflichtigen müssen damit nicht mehr zahlen. Wer bis zu 100.000 Euro brutto im Jahr verdient, kann die Zahlungen einstellen.

Erwachsene Kinder, die vor der Gesetzesänderung gerichtlich zur Zahlung verurteilt wurden, sollten sich mit dem Sozialamt in Verbindung setzen, um einen entsprechenden Bescheid zu erhalten, damit rechtlich klare Verhältnisse herrschen. Dies gilt auch für Kinder, die über der Grenze liegen. Auch die Richtlinien für die Unterhaltsberechnung haben sich nämlich geändert. So wurde der Selbstbehalt für ledige Kinder zunächst von 1.800 Euro auf 2.000 Euro im Monat erhöht. Seit 2021 legt die Düsseldorfer Tabelle keinen festen Selbstbehalt beim Elternunterhalt mehr fest. Diese Tabelle enthält von Sachverständigen und Gerichten festgelegte Richtlinien für die Unterhaltsberechnung. Dort heißt es heute nur noch, dass dem Unterhaltspflichtigen der "angemessene Betrag" zu belassen ist. Über diesen kann man mangels Gerichtsurteilen bisher nur nur mit Sicherheit sagen, dass er über 2.000 Euro liegen sollte. Eine Neuberechnung kann bewirken, dass weniger Unterhalt fällig wird.

Das Gesetz gilt nicht rückwirkend, es kann also kein Unterhalt aus der Zeit vor 2020 zurückverlangt werden.

Was versteht man eigentlich unter dem Elternunterhalt?


Eltern haben gegen ihre Kinder per Gesetz Anspruch auf Unterhalt. Dies beruht auf § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der besagt, dass Verwandte in gerader Linie einander Unterhalt zahlen müssen. Darauf basiert auch der Unterhaltsanspruch von Kindern gegen ihre Eltern.
Allerdings ist ein Unterhaltsanspruch immer an weitere Voraussetzungen geknüpft. Dazu gehört die Unterhaltsbedürftigkeit des Betreffenden. Diese ist gegeben, wenn er oder sie nicht in der Lage ist, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.

Was kostet die Pflege der Eltern?


Oft reichen die vorhandene Pflegeversicherung und die Rente der Eltern nicht aus, um die Pflegekosten zu bezahlen. Wie hoch die Kosten im Einzelfall sind, richtet sich seit 2017 nach dem sogenannten Pflegegrad. Daran kann man die Fähigkeit des Pflegebedürftigen ablesen, seinen Alltag noch selbst zu bewältigen. Dies betrifft etwa ganz normale Haushaltsarbeiten sowie das Waschen und Anziehen ohne fremde Hilfe. Für ein Pflegeheim entstehen heute oft Kosten von über 3.000 Euro im Monat. Pflegebedürftige müssen unabhängig vom Pflegegrad immer einen Eigenanteil leisten. Dieser liegt im bundesweiten Durchschnitt bei 1.500 Euro monatlich.

Wer zahlt für die Pflege der Eltern?


Die Pflegekosten trägt zum Teil die Pflegeversicherung. Pflegebedürftige müssen jedoch ihren Eigenanteil selbst bezahlen. Haben sie keine größeren Ersparnisse, wird der Eigenanteil oft vom Sozialversicherungsträger übernommen. Dann forscht das Sozialamt allerdings auch nach, ob es Personen gibt, die dem Pflegebedürftigen gegenüber gesetzlich zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sind. Erst, wenn dies nicht der Fall ist, bewilligt es endgültig Sozialhilfe als "Hilfe zur Pflege".

Übernimmt die Gemeinde als Sozialhilfeträger den Eigenanteil eines Pflegebedürftigen, gehen die Unterhaltsansprüche des Bedürftigen per Gesetz auf die Gemeinde bzw. das Sozialamt über. Diesen Anspruch kann die Gemeinde eigenständig vor Gericht einklagen. Der Elternteil selbst hat damit nichts zu tun. Ob die erwachsenen Kinder dann tatsächlich zahlen müssen, hängt von ihrer Leistungsfähigkeit ab. Entscheidend sind also das Einkommen der Kinder und bestimmte finanzielle Belastungen, die davon abgezogen werden.

Wer muss heute Elternunterhalt zahlen?


Bis zum 31.12.2019 galt: Erwachsene Kinder mussten ihren Eltern Unterhalt leisten, soweit sie damit nicht ihren eigenen angemessenen Lebensunterhalt in Gefahr brachten. Nun gilt die 100.000-Euro-Grenze. Zahlen muss nur, wer mindestens 100.001 Euro verdient.

Zum Gesamteinkommen für die Berechnung der 100.000-Euro-Grenze zählen der Bruttolohn von Arbeitnehmern, aber auch Einnahmen etwa aus Vermietung und Verpachtung oder Wertpapierhandel. Vermögen allerdings zählt nicht mit. Steuerlich können Werbungskosten in Abzug gebracht werden.

Welche Rolle spielt das Einkommen des Ehepartners?


Bei der 100.000-Euro-Grenze wird das Einkommen des Ehepartners nicht berücksichtigt. Zunächst geht es hier nur um das Einkommen des unterhaltspflichtigen erwachsenen Kindes selbst.

Das Einkommen des Partners spielt aber eine Rolle bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Hier wird das Partner-Einkommen einbezogen. Ehegatten müssen sich nämlich gegenseitig Unterhalt leisten. Der Mindestselbstbehalt für Ehepaare lag bis 2020 bei 3.600 Euro, aufgeteilt in 2.000 Euro für den Unterhaltspflichtigen und 1.600 Euro für den Ehepartner. Seit 2021 gilt, dass Unterhaltspflichtigen der angemessene Selbstbehalt zu lassen ist (keine genaue Bezifferung).

Woher weiß die Behörde, wie viel die Kinder verdienen?


Bis 2020 sandte die Sozialbehörde den erwachsenen Kindern Fragebögen zu. Nun gilt aber eine gesetzliche Vermutung, dass die 100.000 Euro-Grenze nicht überschritten ist. Davon wird also grundsätzlich ausgegangen. Die Behörde kann diese Vermutung widerlegen, indem sie Auskünfte bei den Leistungsberechtigten, also den Eltern, einholt. Diese müssen nach bestem Wissen Auskunft geben. Gibt es Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Einkommensgrenze, kann die Behörde auch von den Kindern Auskunft fordern. Diese sind dann auskunftspflichtig.
Dringend ist von Falschauskünften abzuraten: Damit kann man sich wegen versuchten Betruges strafbar machen. Auch die Verletzung einer Unterhaltspflicht ist eine Straftat (§ 170 Strafgesetzbuch, drei Jahre oder Geldstrafe).

Wann müssen die Kinder keinen Elternunterhalt zahlen?


Haben die Eltern eigenes Einkommen oder Vermögen, welches die Pflegekosten abdeckt, müssen die Kinder nicht zahlen. Ebenso werden sie nach der Neuregelung nicht in Anspruch genommen, wenn sie bis zu 100.000 Euro im Jahr an Bruttoeinkommen haben.

Bei Bestehen einer Unterhaltspflicht werden jedoch Prioritäten gesetzt. Hat jemand Unterhaltspflichten gegenüber seinen eigenen Kindern und seinem Ehepartner, gehen diese der Unterhaltspflicht für die eigenen Eltern vor.

Auch gibt es mehrere Ausnahmefälle. So können schwere frühere Verfehlungen der nun pflegebedürftigen Eltern gegen ihre Kinder den Unterhaltsanspruch erlöschen lassen. Ob eine solche schwere Verfehlung gegenüber den Kindern vorliegt, entscheidet das Gericht im Einzelfall.

Welche Verfehlungen führen zum Erlöschen des Anspruchs auf Elternunterhalt?


Viele Ehen werden geschieden, und die Zahl der Patchworkfamilien wächst. Es kommt auch immer wieder vor, dass Eltern und Kinder ihren Kontakt zueinander abbrechen. Dies kann Auswirkungen auf eine spätere Unterhaltspflicht der erwachsenen Kinder haben.

Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Kontaktabbruch durch den unterhaltsberechtigten Elternteil den Unterhaltsanspruch nur dann erlöschen lässt, wenn noch weitere, erschwerende Dinge hinzukommen. So reichte es im konkreten Fall nicht aus, dass ein Vater seinen Sohn nach der Scheidung von dessen Mutter nicht mehr sehen wollte. Der Vater hatte trotz Kontaktversuchen des Sohnes 42 Jahre lang jeglichen Kontakt mit diesem verweigert und den Sohn enterbt.

Dem BGH zufolge hatte sich der Vater jedoch tatsächlich in der entscheidenden Phase des Aufwachsens des Sohnes – bis zu dessen 18. Lebensjahr – um ihn gekümmert. Die Enterbung des Sohnes stelle keine Verfehlung dar. Vielmehr habe der Vater nur von einer gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht. Daher musste der Sohn Elternunterhalt bezahlen (Beschluss vom 12. Februar 2014, Az. XII ZB 607/12).

Der Bundesgerichtshof entschied 2004, dass eine Frau keinen Elternunterhalt für ihre Mutter zahlen musste. Hier hatte die Mutter ihre Tochter im Alter von einem Jahr bei den Großeltern abgegeben und sich danach kaum noch um sie gekümmert (Az. XII ZR 304/02). Das Oberlandesgericht Oldenburg lehnte einen Anspruch auf Elternunterhalt in einem Fall ab, in dem ein Vater bei der Trennung von seiner Frau den Kontakt zu seiner alten Familie per Einschreiben abgebrochen hatte. Er hatte sich danach geweigert, der bedürftigen Tochter Unterhalt zu leisten (Beschluss vom 4.1.2017, Az. 4 UF 166/15).

Der Bundesgerichtshof entschied auch, dass eine psychische Erkrankung des Elternteils (auch eine Suchtkrankheit) die Unterhaltspflicht nicht automatisch wegfallen lässt (15.9.2010, Az. XII ZR 148/09).

Wann entfällt die Pflicht der Kinder zur Zahlung von Elternunterhalt?


Dem Oberlandesgericht Oldenburg nach gibt es keinen Anspruch auf Elternunterhalt, wenn Rente, Pflegegeld und Zahlungen aus einer privaten Altersvorsorge zwar reichen würden, um die Pflegekosten der Eltern zu tragen, dieses Geld aber durch unkluge finanzielle Maßnahmen der Sozialbehörde nicht mehr zur Verfügung steht. Hier hatte sich die Behörde den Kapitalisierungsbetrag einer privaten Rentenversicherung der pflegebedürftigen Person auszahlen lassen. Dies hatte aber zur Folge, dass die Frau keine monatliche Zusatzrente mehr erhielt und somit das Geld erneut nicht reichte (Urteil vom 25.10.2012, Az. 14 UF 82/12).

Wie berechnet man den Elternunterhalt?


Die Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen wird mit Hilfe des sogenannten bereinigten Nettoeinkommens berechnet. Das Nettoeinkommen schließt beispielsweise Einkünfte aus angestellter Arbeit sowie Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit, Kapitalerträgen und Vermietung ein.

Wer in seiner eigenen Immobilie wohnt, muss sich häufig die eingesparte Miete als fiktives Einkommen und damit als sogenannten Wohnvorteil anrechnen lassen. Somit behandelt ihn die Sozialbehörde bei der Berechnung des zu zahlenden Unterhalts so, als ob er mehr verdienen würde, als dies tatsächlich der Fall ist. Allerdings darf sie einem erwachsenen Kind nicht den Wohnvorteil allein als Einkommen anrechnen, wenn es sonst kein Einkommen hat.

Vom Nettoeinkommen werden auch Beträge abgezogen, etwa vorrangige Unterhaltsansprüche gegenüber eigenen Kindern, Pflege- und Krankenversicherung, Haftpflichtversicherung und Kreditraten. Vom so ermittelten bereinigten Nettoeinkommen wird noch einmal der Selbstbehalt in Abzug gebracht, um schließlich das für den Unterhalt einsetzbare Einkommen zu berechnen.

Elternunterhalt: Was ist das Schonvermögen?


Nicht nur mit ihrem laufenden Einkommen müssen erwachsene Kinder für die Pflegekosten ihrer Eltern aufkommen. Sie müssen grundsätzlich auch ihre Ersparnisse, also ihr Vermögen, dafür verwenden. Zwar wird dieses nicht bei der 100.000-Euro-Grenze berücksichtigt, wohl aber bei der Unterhaltsberechnung.

Immerhin gestehen die Gerichte den Kindern ein sogenanntes Schonvermögen zu – ein Teil des Vermögens darf also nicht angetastet werden. Folge ist, dass der Unterhaltspflichtige auch fünf Prozent seines monatlichen Bruttoeinkommens zur Sicherung seiner Altersvorsorge behalten darf (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.8.2006, Az. XII ZR 98/04). Zusätzlich gesteht man ihm ein Vermögen in der Höhe zu, in der er es hätte ansparen können, wenn er in seinem bisherigen Arbeitsleben jeden Monat fünf Prozent gespart und dafür die üblichen Sparzinsen erhalten hätte.

Müssen unterhaltspflichtige Kinder ihre Immobilie verkaufen?


Ein selbst genutztes Eigenheim gehört zum Schonvermögen - solange es den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Betreffenden angemessen ist. Dabei berücksichtigt die Behörde zum Beispiel, ob der Unterhaltspflichtige in einer größeren oder luxuriöseren Immobilie lebt, als sie es für notwendig ansieht. Wenn dies der Fall ist, kann ausnahmsweise auch Immobilienvermögen angetastet werden. Der Wert einer angemessenen selbst genutzten Immobilie soll jedoch grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, wenn dem Betreffenden die Verwertung nicht zugemutet werden kann (Urteil vom 28.08.2013, Az. XII ZB 269/12).

Beispiel: Als angemessen gelten für eine vierköpfige Familie bis zu 130 m² Wohnfläche bei einem Einfamilienhaus und bis 120 m² Wohnfläche bei einer Eigentumswohnung. Manche Gerichte setzen die Quadratmetergrenze geringer an.

Wenn die Eltern ihrem Kind das Familienheim geschenkt haben, kann das Sozialamt unter Umständen den Wert dieser Schenkung zurückfordern. Voraussetzung ist, dass die Übertragung des Eigentums noch keine zehn Jahre zurückliegt. Dafür ist das Datum der Grundbucheintragung maßgeblich.

Praxistipp zum Elternunterhalt


Vielen Menschen kommen die 2020 geschaffenen Neuregelungen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes zum Elternunterhalt zugute. Bei erwachsenen Kindern mit einem Einkommen über 100.000 Euro sind jedoch nach wie vor Streitigkeiten mit der Sozialbehörde über die Einkommensberechnung oder um den Unterhaltsanspruch möglich. Hier kann ein versierter Anwalt für Sozialrecht prüfen, ob die Ansprüche in der geforderten Höhe berechtigt sind und welche Verteidigungsmöglichkeiten Sie haben.

(Bu)


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 Stephan Buch
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