Flug verpasst: Entschädigung wegen geänderter Flugzeiten?

03.05.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Flugzeiten,Anzeigetafel,Flughafen Müssen Reiseveranstalter über geänderte Flugzeiten informieren? © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Pauchalreisende: Reiseveranstalter, die Pauschalreisen verkaufen, sind nicht verpflichtet, Urlauber bei oder nach Abschluss des Reisevertrags gesondert auf abweichende Fugzeiten hinzuweisen. Die Angabe der Flugzeiten in den - zumeist nachträglich zugesendeten - Reiseunterlagen ist ausreichend.

2. Mitteilung der Flugzeiten: Ein Reiseveranstalter ist nicht verpflichtet, bereits in der Reisebestätigung (= Buchungsbestätigung) konkrete Flugzeiten anzugeben. Im Reisevertrag kann vereinbart werden, dass die genauen Uhrzeiten für die Flüge erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden.

3. Individualreisende: Für Individualreisende, die ihre Flüge selbst buchen, gilt das gesetzliche Reisevertragsrecht nicht und damit auch nicht dessen Rechte bei einem Reisemangel. Solche Fluggäste müssen selbst besonders darauf achten, ob sich die Flugzeiten nachträglich ändern.
Immer wieder kommt es vor, dass sich Abflugzeiten von Flügen ändern. Im komplizierten Betrieb eines modernen Flughafens ist dies auch gar nicht anders möglich. Allerdings werden viele Reisen immer länger im Voraus gebucht, wofür Reiseveranstalter und Airlines auch gerne Werbung machen. Je mehr Zeit dann zwischen Buchung und Abreise liegt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Fluggesellschaft oder am Flughafen Umstände eintreten, die eine Flugplanänderung erfordern. Manche Reiseveranstalter versuchen dann, sich durch fantasievolle Klauseln in ihren Verträgen abzusichern. Für Reisende sind geänderte Flugzeiten immer ein Ärgernis. Manchmal kommt es zum Prozess.

Haftet der Reiseveranstalter für nachträglich geänderte Flugzeiten?


Bei Pauschalreisen ist der Vertragspartner des Passagiers nicht die Fluggesellschaft, sondern der Reiseveranstalter. Verpflichtet nun der Reisevertrag den Reiseveranstalter, seine Kunden vor der Abreise auf geänderte Flugzeiten hinzuweisen? Oder reicht ein allgemeiner Hinweis aus, dass sich die Zeitpläne ändern können?

Das Amtsgericht München befasste sich mit einem Fall, in dem ein Mann eine Orient-Kreuzfahrt mit Anreise per Flugzeug gebucht hatte. Reisebeginn sollte am 16.12. sein. In seiner Buchungsbestätigung fand sich der Hinweis: "Abflugtag ggf. am Vortag". Die Reisebeschreibung erläuterte auch, dass der Abflug meist am Vortag der eigentlichen Reise erfolge; die endgültigen Flugdaten und die Kabinennummer für das Schiff würden aus den Reiseunterlagen hervorgehen.

Die Unterlagen wurden dem Kunden zugeschickt – einschließlich Flugtickets mit dem Abflugdatum 15.12. und den genauen Flugzeiten. Das Problem: Der Kunde sah sich die Unterlagen erst am 16.12. an, als er abreisen wollte. Da war es für den Antritt seiner Reise schon zu spät. Er verlangte daraufhin vom Reiseveranstalter die Rückerstattung des kompletten Reisepreises, da man ihn nicht mit einem besonderen Schreiben auf die Flugzeiten hingewiesen habe.

Reiseunterlagen: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil


Dazu entschied das Amtsgericht München: Ein Reiseunternehmen ist nicht verpflichtet, den Reisenden in einem gesonderten Schreiben zusätzlich zu den Reiseunterlagen auf die Flugzeiten hinzuweisen. Hier hätten sich in der Buchungsbestätigung und der Reisebeschreibung klare und verständliche Hinweise auf den Abflug am Vortag der Kreuzfahrt befunden. Nichts lasse darauf schließen, dass sich die Reisenden darauf verlassen könnten, erst am 16.12. vom Flughafen zu starten. Es sei einem Reisenden durchaus zuzumuten, die ihm rechtzeitig zugeschickten Reiseunterlagen dann auch zu lesen (Urteil vom 3.5.2013, Az. 281 C 3666/13).

Was dürfen Reiseveranstalter in ihren AGB regeln?


Der Bundesgerichtshof entschied 2013 zu den Klauseln in manchen Reiseverträgen. Konkret hieß es in diesem Fall:

"Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen."
und:
"Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich."

Beide Klauseln erklärte der BGH für unwirksam. Die erste Klausel mache ein Hauptversprechen des Reisevertrages frei abänderbar - und das auch bei von Anfang an fest vereinbarten Flugzeiten. "Voraussichtliche" Flugzeiten müssten zwar nicht zwingend eingehalten werden. Allerdings dürften diese auch nicht ohne vernünftigen Grund geändert werden. Der Reisende könne erwarten, dass keine Änderungen ohne guten Grund vorgenommen würden und dass nicht der vorgesehene Zeitrahmen für die Reise komplett abgeändert werde. Die erste Klausel ermögliche dem Reiseveranstalter aber genau das: willkürliche Änderungen ohne guten Grund und ohne Einschränkung. Dies sei Reisenden nicht zumutbar.

Nach der zweiten Klausel sei es dem Reiseveranstalter möglich, sich einer vertraglichen Bindung zu entziehen, die dadurch entsteht, dass das Reisebüro dem Kunden Zeiten mitteilt. Dies sei ebenfalls eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers (Urteil vom 10.12.2013, Az. X ZR 24/13).

Dieses Urteil bezieht sich auf den Fall, dass Flugzeiten angegeben werden - feste oder voraussichtliche. Diese dürfen dann nicht durch den Reisevertrag frei abänderbar sein. Eine andere Frage ist aber, ob der Veranstalter bei der Reisebuchung überhaupt Zeiten angeben muss.

Muss der Reiseveranstalter in der Reisebestätigung genaue Flugzeiten mitteilen?


Viele Reisende buchen heute so lange im Voraus, dass die genauen Flugzeiten noch gar nicht feststehen. Daher verzichten einige Reiseveranstalter in der Reisebestätigung - also der Bestätigung der Buchung - auf eine genaue Angabe. Diese erfolgt erst in den vor der Reise zugeschickten Reiseunterlagen.

Auf die Klage eines Verbraucherschutzverbandes hin musste sich der Bundesgerichtshof auch mit einer Angabe in der Reisebestätigung befassen, die lautete: "Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt". Daneben standen die Tage des Hin- und Rückfluges. Dies hielten die Verbraucherschützer für unzulässig.

Hier war der BGH anderer Meinung. In einem Reisevertrag könne vereinbart werden, dass die genauen Zeitpunkte für die Hin- und Rückreise, besonders die genauen Uhrzeiten, erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt würden. Wenn die Vertragspartner des Reisevertrags bei dessen Abschluss nur das Datum und nicht die Uhrzeit vereinbarten, müssten auch aus der Reisebestätigung keine weiteren Angaben hervorgehen.

Auch nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 der BGB-InfoV (BGB-Informationspflichten-Verordnung) sei der Reiseveranstalter nur dazu verpflichtet, seine Kunden über die Vereinbarungen zum Thema Flugzeiten im Reisevertrag zu informieren. Die Vorschrift verpflichte ihn nicht dazu, schon beim Vertragsabschluss exakte Flugzeiten anzugeben. Die Angabe "Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt!" gebe in solchen Fällen nur zutreffend wieder, was der Inhalt des Reisevertrages sei (Urteil vom 16.9.2014, Az. X ZR 1/14).

Ist eine Flugzeitänderung sechs Wochen vorher zulässig?


Auch vor dem Landgericht Hannover wurde um eine Flugplanänderung gestritten. Dort ging es um eine junge Mutter, die mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Kleinkind einen Urlaub auf Mallorca gebucht hatte. Der Rückflug von Palma nach Frankfurt sollte um 13:40 Uhr starten. Der Reiseveranstalter teilte ihr sechs Wochen vor Reisebeginn mit, dass sich die Rückflugzeit geändert habe: Der Rückflug starte nun um 19:25 Uhr mit einer anderen Fluggesellschaft.

Die junge Frau freuten die zusätzlichen Stunden auf Mallorca nicht. Denn nun würde sie mit ihrem Kleinkind erst spätnachts zu Hause ankommen. Als der Veranstalter erklärte, an den Flugzeiten nichts ändern zu können, buchte sie für 13:15 Uhr die Rückflüge mit Lufthansa und forderte vom Reiseveranstalter die Erstattung von etwa 600 Euro Kosten für die zusätzlichen Flugtickets.

Wann liegt ein Reisemangel wegen geänderter Flugzeiten vor?


Dies verweigerte der Reiseveranstalter mit dem Argument, dass eine derartige Selbsthilfe allenfalls bei einem erheblichen Mangel der vertraglich vereinbarten Reiseleistung in Frage komme. Hier sei die Reise aber durch die verschobene Abflugzeit gar nicht beeinträchtigt worden. Stattdessen habe sich ihr Urlaub sogar verlängert.

Das Landgericht Hannover war anderer Meinung: Zwar müssten Reisende eine gewisse Verschiebung der Abflugzeit hinnehmen. Eine Verschiebung um mehr als vier Stunden sei jedoch nicht mehr zumutbar und stelle einen Reisemangel dar. Gerade wegen des Kleinkindes sei es hier eine Einhaltung der zunächst mitgeteilten Flugzeiten besonders wichtig gewesen. Die Lufthansa-Tickets seien daher vom Reiseveranstalter zu ersetzen (Urteil vom 27. April 2017, Az. 8 S 46/16).

Eine andere Frage ist, ob die Entscheidung ohne Kleinkind genauso ausgefallen wäre. Generell dürften die Chancen auf Schadensersatz für die Ticketkosten eines Ersatzfluges höher sein, wenn der Reisende einen guten Grund hat, pünktlich den Rückflug anzutreten. Hier erkennt man gut, dass die jeweilige Fallkonstellation großen Einfluss auf das Urteil hat.

Was gilt bei der Änderung der Flugzeiten von individuell gebuchten Flügen?


In den geschilderten Urteilen ging es um Fälle aus dem Reisevertragsrecht, also um Pflichten von Reiseveranstaltern und Entschädigungsansprüche wegen Reisemängeln. Individualreisende, die ihren Flug selbst buchen, haben keinen Reiseveranstalter und keinen Reisevertrag. Sie können solche Ansprüche also nicht geltend machen. Ansprüche können sich höchstens aus dem Beförderungsvertrag mit der Fluggesellschaft ergeben. Hier gelten jedoch die gesetzlichen Regeln über Reisemängel nicht. Daher sollten Individualreisende besonders darauf achten, ob sich Reisedaten kurz vor dem Flug ändern, und die Flugdaten ggf. noch einmal eigenständig überprüfen.

Praxistipp zu geänderten Flugzeiten


Flugreisende sollten generell vor ihrem Abflug noch einmal prüfen, ob es tatsächlich bei den zunächst genannten Zeiten geblieben ist. Ein rechtzeitiger Blick in die Reiseunterlagen ist sehr zu empfehlen. Wenn es zum Streit mit dem Reiseveranstalter kommt, empfiehlt sich eine Beratung durch einen auf das Zivilrecht oder das Reiserecht spezialisierten Rechtsanwalt.

(Ma)


 Ulf Matzen
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