Hohe Heizkosten: Kann mir mein Vermieter kündigen, wenn ich nicht zahlen kann?

30.09.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Heizkosten,Energiekosten,Nachzahlung,Mietvertrag,Kündigung Hohe Heizkosten werden für viele Mieter zum Problem. © - freepik

Viele Mieter machen sich Sorgen, ob ihr Vermieter ihnen kündigen kann, wenn sie die hohen Heizkosten oder Nachzahlungen finanziell nicht mehr schultern können. Ist eine Kündigung aus diesem Grund möglich?

Hohe Heizkosten werden immer mehr zum Problem. So will der Wohnungskonzern Vonovia die Vorauszahlungen für Heizkosten verdoppeln, um den steigenden Energiepreisen gerecht zu werden. Auch mit sehr hohen Nachzahlungen muss gerechnet werden, spätestens bei der Jahresabrechnung 2023 für das laufende Jahr 2022. Während die Politik über eine Kündigungssperre diskutiert, suchen öffentliche und private Vermieter nach eigenen Lösungen.

Wann kann der Vermieter wegen Zahlungsverzug kündigen?


Der Vermieter darf den Mietvertrag fristlos kündigen, wenn der Mieter

- für zwei aufeinander folgende Termine mit der Bezahlung der Miete oder eines erheblichen Teils davon (mehr als eine Monatsmiete) in Verzug ist oder

- in einem Zeitraum, der länger ist als zwei Termine, mit einem Betrag in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Geregelt ist dies in § 543 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Außerdem besteht die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung auch aus einem "wichtigen Grund" nach § 543 Abs.1 BGB, etwa einer Verletzung wichtiger Vertragspflichten.

Eine ordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist kann nach § 573 Abs. 2 BGB ebenfalls erfolgen, wenn der Mieter seine Pflichten aus dem Mietvertrag erheblich verletzt hat. Auch ein Zahlungsverzug kann darunter fallen.

Ist eine Kündigung bei Verzug mit den laufenden Nebenkostenvorauszahlungen möglich?


Ja: Diese fallen nach Ansicht der Gerichte als laufende Zahlungen unter den Begriff "Miete" (OLG Koblenz, 26.7.1984, Az. 4 W-RE 386/84). Erreicht der Verzug also die Höhe von zwei Monatsmieten oder gerät der Mieter in zwei aufeinander folgenden Monaten mit einem Betrag in Höhe von mehr als einer Monatsmiete in Verzug, ist eine fristlose Kündigung möglich.

Ist eine Kündigung bei Verzug mit der Nachzahlung möglich?


Das Landgericht Berlin hat sich mit zwei Fällen befasst, in denen Mieter mit erheblichen Nebenkostennachzahlungen in Verzug geraten waren. Es hat entschieden:

Eine fristlose Kündigung kann auch mit einem "wichtigen Grund" gemäß § 543 Abs. 1 BGB begründet werden. Ein solcher Grund kann vorliegen, wenn der Mieter mit einer Betriebskostennachforderung in Höhe von zwei Monatsmieten länger als einen Monat in Rückstand ist. Dies stellt nämlich eine erhebliche Verletzung mietvertraglicher Pflichten dar.

Gerät der Mieter mit einer Betriebskostennachzahlung in Höhe von mehr als einer Monatsmiete für einen Zeitraum über einen Monat in Verzug, sehen manche Gerichte darin ebenfalls eine erhebliche Pflichtverletzung. Diese berechtigt den Vermieter nicht zur fristlosen, aber durchaus zur ordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Kündigungsfrist (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

(LG Berlin, Urteil vom 20.2.2015, Az. 63 S 202/14 sowie Urteil vom 24.11.2015, Az. 63 S 158/15).

Gibt es eine gesetzliche Kündigungssperre wegen hoher Heizkosten?


Derzeit (Stand Ende September 2022) gibt es keine gesetzliche Kündigungssperre für Mieter, die durch hohe Heizkosten in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Diese wird noch von der Politik diskutiert.
Das Problem dabei ist, dass eine solche Sperre letztlich dazu führen würde, die hohen Heizkosten dem Vermieter aufzubürden. Es gibt jedoch in Deutschland eine große Anzahl kleiner Privatvermieter, die nur ein Haus oder ein oder zwei Wohnungen vermieten und ansonsten keine Großverdiener sind. Diese müssten dann nicht nur ihre eigenen massiv gestiegenen Heizkosten zahlen, sondern auch noch die der Mieter - ggf. zusätzlich zu den Kreditraten der Immobilie. Denn: Der Vermieter muss für die Heizkosten in Vorleistung gehen. Geht der Vermieter insolvent, hat dies für den Mieter keine Vorteile.

Wie reagieren Großvermieter auf die Situation?


Der Berliner Senat hat im September 2022 beschlossen, dass die städtischen Wohnungsgesellschaften ihren Mietern zunächst nicht kündigen werden, wenn diese wegen gestiegener Energiekosten in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Dieses Kündigungsmoratorium soll ab Oktober 2022 sechs Monate lang gelten und gilt für private und für gewerbliche Mieter.

Die Regelung gilt damit für 360.000 Wohnungen in Berlin und für rund 700.000 Mieterinnen und Mieter. Der Berliner Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel hat auch die privaten Vermieter in Berlin dazu aufgefordert, diesem Beispiel zu folgen.

Das private Wohnungsunternehmen Vonovia hat ebenfalls angekündigt, Mietern nicht wegen Zahlungsproblemen bei den Heizkosten zu kündigen. Um entsprechende Fälle kümmere man sich intensiv, es könnten Ratenzahlungen vereinbart werden. Das Unternehmen helfe seinen Mietern auch bei der Suche nach staatlichen Unterstützungsangeboten.

Die Agentur Reuters hat allerdings Dokumente von einem Investorentag ausgewertet, nachdem sich Vonovia durchaus die Möglichkeit offen hält, Mietern zu kündigen, wenn die Zahlungsrückstände sich auf die Höhe von zwei Monatsmieten aufsummieren. Das Unternehmen besitzt 565.000 Wohnungen, überwiegend in Deutschland.

Widerspruch gegen die Kündigung: Handelt es sich um einen Härtefall?


Ein Härtefall schützt vor Kündigung - so will es die sogenannte Sozialklausel im Mietrecht, § 574 BGB. Aber: Als Härtefälle sind bisher von der Rechtsprechung nur ganz bestimmte Fälle anerkannt, wie etwa eine Erkrankung, die den Umzug verhindert, hohes Alter zusammen mit einer Verwurzelung in einem gewohnten Wohnumfeld, eine Schwangerschaft, Prüfungsvorbereitungen etc.
Zahlungsschwierigkeiten sind in der Regel kein Härtefall. Auch gilt die Sozialklausel nicht bei einer fristlosen Kündigung, sondern nur bei einer ordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist.
Immerhin kann ein Härtefall vorliegen, wenn es dem Mieter absehbar nicht gelingen wird, sich angemessenen Ersatzwohnraum zu verschaffen. Dieses Argument könnte in der derzeitigen Situation einen zweiten Blick wert sein.

Damit die Härtefallregelung greift, muss der Mieter der Kündigung ausdrücklich widersprechen - und zwar schriftlich (Papier, Unterschrift) und spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mietverhältnisses. Auf Verlangen des Vermieters muss er eine Begründung liefern (am besten gleich im Widerspruch).

Der Vermieter muss den Mieter rechtzeitig vor Ablauf der Widerspruchsfrist auf die Möglichkeit des Widerspruchs sowie auf dessen Form und Frist hinweisen. Sonst kann der Mieter den Widerspruch noch im ersten Gerichtstermin des Räumungsrechtsstreits erklären.

Wie sollten Mieter sich verhalten?


Mieter sollten - soweit möglich - ein Geldpolster für die Heizkostennachzahlung für das Jahr 2022 anlegen. Diese kommt im Jahr 2023 und wird unvermeidlich eine sehr hohe Nachzahlung vorsehen.

Im Falle hoher Zahlungsausfälle in Höhe von zwei Monatsmieten droht Mietern nach bisheriger Rechtslage die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Es ist wichtig, es nicht so weit kommen zu lassen. Ggf. sollten bei erheblichen Nachzahlungen Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Vermieter getroffen werden.

Eine fristlose Kündigung wird unwirksam, wenn der Mieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs die ausstehende Summe zahlt oder sich eine öffentliche Stelle zur Zahlung verpflichtet. Dies kann einen letzten Ausweg darstellen.

Praxistipp zur Kündigung wegen Zahlungsrückstands bei den Heizkosten


Inwieweit die Ende September beschlossenen Maßnahmen gegen hohe Energiepreise helfen werden, bleibt abzuwarten. Mieter müssen sich auf hohe Nachzahlungen und erhöhte Vorauszahlungen einstellen. Bei einem Rechtsstreit mit dem Vermieter empfiehlt sich eine Beratung durch einen Rechtsanwalt für Mietrecht.

(Bu)


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 Stephan Buch
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