Schichtarbeit: Schicht mit Zulage oder Schicht im Schacht?

25.05.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (1363 mal gelesen)
Schichtarbeit,Nachtschicht,Nachtzulage,Betriebsrat Bei Schichtarbeit muss der Arbeitgeber sich an einige Regeln halten. © - freepik

Schichtarbeit ist in vielen Branchen in Deutschland üblich. Häufig gibt es jedoch Streit darüber, ob der Arbeitgeber diese verlangen darf, der Arbeitnehmer Anspruch darauf hat, und wann es Zulagen geben muss.

Mit "Schichtarbeit" ist gemeint, dass sich in einem Betrieb Gruppen von Arbeitnehmern zeitlich gestaffelt abwechseln. Im Idealfall ruht dann der Betrieb rund um die Uhr nie. Sie ist in ganz unterschiedlichen Branchen üblich – beispielsweise in der Autoindustrie, der chemischen Industrie, bei Kraftwerken und auch in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, der Polizei und natürlich auch bei den Verkehrsbetrieben. Die Schichtarbeit kann nach verschiedenen Modellen organisiert werden.

Welche Schichtmodelle gibt es?


Beim sogenannten Zweischichtbetrieb folgen zwei achtstündige Schichten aufeinander. Beim Dreischichtbetrieb wird werktäglich der ganze Tag genutzt. Im Vier- und Fünfschichtbetrieb erstreckt sich die betriebliche Arbeitszeit auf sieben Tage in der Woche. Hierfür wird auch der Begriff „Konti-Schicht“ verwendet. In vielen Betrieben nutzt man Wechselschichten, um die Belastung gerecht unter den Beschäftigten zu verteilen. Dabei findet ein regelmäßiger Schichtwechsel der Arbeitnehmer statt. Rollierende Schichten sind zum Teil im Einzelhandel üblich. Bei diesen variieren die Anfangs- und Endzeiten.

Auf welcher rechtlichen Grundlage beruht Schichtarbeit?


Meist ist im jeweiligen Tarifvertrag geregelt, dass in einer Branche Schichtarbeit stattfinden darf. Dies sind zum Beispiel bei Krankenhäusern, Polizei und Feuerwehren in der Regel die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst. Dabei findet sich im Tarifvertrag meist nur eine grundlegende Feststellung, dass Schichtarbeit möglich ist und zum Beispiel, dass bei Nachtschichten Zuschläge gezahlt werden müssen. Die Einzelheiten sind meist in einer Betriebsvereinbarung geregelt, die Arbeitgeber und Betriebsrat miteinander schließen. Zum Teil sind auch in Arbeitsverträgen Regelungen über Schichtarbeit enthalten.

Schichtarbeit und Betriebsrat


Bei Einführung und Aufgabe der Schichtarbeit besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Dies ist in § 87 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) festgelegt. Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen darf der Schichtplan eines Betriebes auch nicht einfach geändert werden, ohne dass der Betriebsrat zustimmt (Urteil vom 29.4.2005, Az. 16 Sa 1330/04). Wenn sich der Chef dabei trotzdem auf sein Direktionsrecht verlässt, können die Beschäftigten durchaus Anspruch auf Vergütung für die ausgefallenen Schichtstunden haben.

Arbeitgeber und Betriebsrat regeln die Einzelheiten des Schichtbetriebs häufig in einer Betriebsvereinbarung. Dabei kann man beispielsweise festlegen, dass eine Änderung des Schichtsystems für eine Gruppe von Arbeitnehmern nur durchgeführt werden darf, wenn dabei eine Ankündigungsfrist gegenüber dem Betriebsrat und den betroffenen Personen beachtet wird (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 26.5.2003, Az. 16 Sa 1455/02).

Welche gesetzliche Regelung gibt es zur Nachtschicht?


Die Nachtarbeit ist in § 6 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) geregelt. Dort ist der Grundsatz festgelegt, dass die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festgelegt werden muss. Die werktägliche Arbeitszeit von Nachtarbeitnehmern darf acht Stunden nicht überschreiten. Auf bis zu zehn Stunden kann sie nur dann verlängert werden, wenn innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen durchschnittlich acht Stunden pro Werktag nicht überschritten werden.

Der Arbeitgeber muss einen Nachtarbeitnehmer auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz versetzen, wenn

- eine weitere Nachtarbeit den Arbeitnehmer gesundheitlich gefährdet oder
- im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht durch eine andere im Haushalt lebende Person betreut werden kann oder
- der Arbeitnehmer einen schwer pflegebedürftigen Angehörigen versorgen muss, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann.

Wann wird eine Schichtzulage gezahlt?


Die Zahlung der Schichtzulage ergibt sich in der Regel aus dem Tarifvertrag. Falls darin keine Regelungen stehen, ist die gesetzliche Regelung maßgeblich: Nach § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz gilt: Der Arbeitgeber hat dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage zu gewähren - oder einen angemessenen Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt.

Urteil: Krankenschwester muss nicht nachts arbeiten


Darf eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung keine Nachtschicht mehr durchführen, darf der Betrieb ihn nicht einfach entlassen oder wegen Arbeitsunfähigkeit nach Hause schicken. So urteilte das Bundesarbeitsgericht im Fall einer Krankenschwester, die nach langjähriger Tätigkeit in einem Krankenhaus in wechselnden Schichten selbst erkrankt war. Diese konnte zwar problemlos ihrer Arbeit nachgehen – allerdings musste sie Medikamente nehmen, die sie müde machten und außerdem einen gleichmäßigen Schlafrhythmus voraussetzten. Daraufhin sah sie der Arbeitgeber als arbeitsunfähig an. Das Bundesarbeitsgericht war anderer Meinung. Es entschied, dass die Frau tagsüber weiterzubeschäftigen sei (Urteil vom 9.4.2014, Az. 10 AZR 637/13).

Urteil: Kein halbierter Nachtzuschlag bei Schichtarbeit


Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Brauereien in Hamburg und Schleswig-Holstein enthielt die Regelung, dass für Arbeit in der Nachtschicht von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr ein Zuschlag von 25 % zum Stundenentgelt gezahlt werden musste. Für Nachtarbeit in demselben Zeitraum ohne Schichtarbeit bestimmte der Tarifvertrag allerdings einen Zuschlag von 50 %.

Ein Brauerei-Mitarbeiter zog dagegen vor Gericht und gewann. Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass Nachtarbeitnehmer und Nachtschichtarbeitnehmer miteinander vergleichbar seien. Es seien keine sachlichen Gründe erkennbar, Nachtschichtarbeiter schlechter zu behandeln. Auch der Tarifvertrag enthalte keine Gründe für eine solche Regelung. Der Kläger könne auch als Nachtschichtmitarbeiter den Zuschlag von 50 % verlangen (Urteil vom 9.12.2020, Az. 10 AZR 334/20).

Praxistipp


Bei Streitigkeiten um das Thema Schichtarbeit zahlt es sich aus, sich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen. Dieser kann die Regelungen in Arbeits- und Tarifverträgen prüfen und die Chancen eines gerichtlichen Vorgehens beurteilen.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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