Vom Hund gebissen: Gibt es Schmerzensgeld und Schadensersatz?

20.02.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 6 Min. (796 mal gelesen)
Hund,Biss,Pferd,Schadensersatz,Schmerzensgeld Wann gibt es Schadensersatz und Schmerzensgeld bei einem Hundebiss? © - freepik

Wer ein Tier hält, ist für Schäden verantwortlich, die dieses verursacht, z.B. einen Hundebiss. Es gibt jedoch Grenzfälle, in denen die Rechtslage nicht eindeutig erscheint. Oft betrifft dies Personen, die Tiere betreuen oder behandeln.

Der klassische Fall der Tierhalterhaftung ist, dass ein Hund beim Gassigehen mit einem Artgenossen in Streit gerät und diesen beißt. Oder, dass eine Person von einem fremden Hund gebissen wird. Auch Pferde verursachen nicht selten Schäden durch Tritte und Abwürfe.

Wann haften Tierhalter für Hundebisse und Pferdetritte?


§ 833 des Bürgerlichen Gesetzbuches enthält dazu eine recht klare Regelung. Danach gilt: Wer ein Tier hält, muss dafür aufkommen, wenn dieses Tier Menschen verletzt oder gar tötet oder deren Eigentum beschädigt. Die Haftung des Tierhalters ist nicht von einem Verschulden des Tierhalters abhängig. Schwierigere Haftungsfragen entstehen oft, wenn eine Person verletzt wird, die sich im Auftrag des Tierhalters mit dem Tier beschäftigt - wie etwa das Nachbarskind, das den Hund ausführt oder der Tierarzt, den die Katze anfällt. Und wer haftet, wenn jemand den Pferdestall offen lässt und das Pferd davonläuft und einen Autounfall verursacht?

Hund reist sich los - Frau stürzt vom Fahrrad


Das OLG Oldenburg hat einen Fall veröffentlicht, in dem die Halterin einer Bordeaux-Dogge zum Schadensersatz verurteilt worden war. Die Dame war mit ihrem Hund auf einem Feldweg unterwegs gewesen. Die Klägerin fuhr auf ihrem Fahrrad den gleichen Weg entlang und führte ihren Hund, einen Labradormischling, rechts von sich an der Leine. Als die Besitzerin die Klägerin und deren Hund entdeckte, wich sie zwar in ein angrenzendes Feld aus, nahm ihren Hund zwischen die Beine und hielt ihn mit beiden Händen am Halsband fest. Das Tier riss sich jedoch los und lief auf die Klägerin und den Labradormischling zu. Die Klägerin stürzte vom Fahrrad und erlitt schwere Knieverletzungen.

Die Richter sahen in diesem Fall sowohl die Voraussetzungen für die Tierhalterhaftung als auch die für eine Verschuldenshaftung als erfüllt an. Die Tatsache, dass die Bordeaux-Dogge möglicherweise durch die bloße Anwesenheit des Labradors zum Angriff verleitet worden sei, begründe keine Mithaftung der Klägerin (Urteil vom 9.10.2015, Az. 5 U 94/15).

Wann greift die Tierhalterhaftung nicht?


Wenn ein Haustier, oft ein Hund oder Pferd, dem Beruf oder dem Lebensunterhalt seines Tierhalters dient, gilt die Tierhalterhaftung nicht. Voraussetzung ist jedoch, dass entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung die übliche Sorgfalt an den Tag gelegt hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Beispiel: Entkommt eine Kuh von einer Weide, die mit einem üblichen, intakten Zaun umgeben ist, haftet der Landwirt nicht für Schäden, die sie anrichtet. Hat er vergessen, das Gatter zu schließen, haftet er.

Rentnerin stürzt vor Schreck: Haftung des Tierhalters?


Auch andere Umstände können dazu führen, dass ein Hundebesitzer nicht haftet: Eine Rentnerin war mit ihrem Mischlingshund Gassi gegangen, als sie am Garten des späteren Beklagten vorbei kam. Dieser war Besitzer eines Schäferhundes, der plötzlich laut bellend in Richtung der alten Dame rannte und gegen den Zaun sprang. Die Rentnerin wusste zwar, dass sich auf dem Grundstück ein großer Hund befand. Sie hatte aber in diesem Moment nicht daran gedacht, wich vor Schreck zurück und stürzte über die Bordsteinkante. Dabei zog sie sich einen Schenkelhalsbruch zu.

Weil die Rentnerin von dem Schäferhund in dem umzäunten Garten gewusst hatte, konnte sie laut Landgericht Ansbach keinen Schadensersatz verlangen. Eine Schadensersatzpflicht des Hundebesitzers würde in einem solchen Fall die Grenzen der Tierhalterhaftung sprengen (LG Ansbach, Urteil vom 8.5.1992, Az. 1 S 98/92).

Hundebiss in der Tierpension: Wer haftet?


Die Inhaberin einer Tierpension handelt nicht auf eigene Gefahr, wenn sie einen Pensionshund zum Gassigehen anleint und dabei gebissen wird. In diesem Fall haftet der Tierhalter auf Schadensersatz (z.B. die Behandlungskosten beim Arzt) und Schmerzensgeld. Da die Haftung verschuldensunabhängig ist, interessiert es dabei nicht, dass der Tierhalter, also z.B. der Hundebesitzer, bei dem Vorfall nicht anwesend war. Dies entschied der Bundesgerichtshof (Urteil vom 25.3.2014, Az. VI ZR 372/13).

Wer haftet, wenn der Hund oder das Pferd privat betreut wird?


Nach dem Bundesgerichtshof haften Tierhalter für Schäden und Verletzungen, die ihr Tier anrichtet, in der Regel auch bei Betreuung ihres Tiers durch jemand anderen. Die Tierhalterhaftung gilt auch bei einer längeren Überlassung des Tieres an einen Dritten, wenn der ursprüngliche Tierhalter weiter für die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt. Selbst eine Nutzung von Hund, Katze und Pferd durch die andere Person für eigene Zwecke ändert nichts, solange der Schwerpunkt der Nutzung nicht völlig auf den Dritten verlagert ist.

Im Klartext: Wenn der nette Nachbar mal auf den Hund aufpasst oder eine Freundin auf das Pferd, ist der Hunde- bzw. Pferdebesitzer haftungsmäßig nicht "aus dem Schneider". Auch dann nicht, wenn das Tier während längerer Abwesenheit des Tierhalters betreut wird. Und auch dann nicht, wenn der Nachbar oder die Freundin mit dem Hund Frisbee spielen gehen oder mit dem Pferd ausreiten.

Verletzungen bei der Arbeit: Tierarzt und Hufschmied


Auch wenn der Hund sich beim Tierarzt befindet und der Hundebesitzer keinen Einfluss auf das Tier nehmen kann, haftet er auf Schadenersatz. Dies ist die gängige Ansicht der Gerichte.

Das Oberlandesgericht Celle entschied so in einem Fall, bei dem ein Schäferhund nach dem Aufwachen aus einer Narkose den Tierarzt gebissen hatte. Das Gericht betonte: Ein Tierarzt, der einen fremden Hund behandelt, tut dies nicht auf eigene Gefahr, sondern erfüllt nur seinen Behandlungsvertrag mit dem Tierhalter. Auch ein Hufschmied arbeite nicht auf eigene Gefahr – wenn er vom Pferd getreten werde, müsse dessen Besitzer zahlen.

Ein Mitverschulden sei nur zu berücksichtigen, wenn der Tierarzt sich hinsichtlich des Hundebisses nachweislich falsch verhalten habe. Dies war hier tatsächlich der Fall: Der Tierarzt hatte den Raum erst betreten, nachdem eine andere Tierärztin geschrien und fluchtartig das Zimmer verlassen hatte – sie war in beide Hände gebissen worden. Der Tierarzt hatte jedoch nicht näher nachgefragt, was passiert war, sondern war gleich zu dem liegenden Hund gegangen und hatte sich über diesen gebeugt. Dann war auch er gebissen worden. Das Gericht bewertete sein Mitverschulden daher mit 50 Prozent (Urteil vom 11.06.2012, Az. 20 U 38/11).

Wann haften Hundesitter für einen Hundebiss?


Ein Tieraufseher ist nach § 834 BGB jemand, der für eine andere Person auf Basis eines Vertrages deren Tier beaufsichtigt. Gemeint sind damit zum Beispiel die Inhaber von Tierpensionen, die Betreiber von Pferde-Einstellboxen oder auch bezahlte Hundesitter. Auch diese sogenannten Tieraufseher haften, wenn das fremde Tier in ihrer Obhut einem Dritten Schaden zufügt – wenn also etwa der Pensionshund beim Ausführen einen Spaziergänger beißt oder das Pferd jemanden tritt grundsätzlich auf auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Diese Haftung entfällt jedoch, wenn der Tieraufseher die übliche Sorgfalt beachtet hat oder wenn der Schaden trotz Beachtung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.

Was gilt, wenn sich der Hundesitter übernimmt?


Zwar haftet grundsätzlich der Hundebesitzer, wenn eine fremde Person mit dem Hund privat Gassi geht und dabei etwas passiert. Aber: Unter Umständen kann auch der "Gassigeher" oder Hundesitter haften, auch neben dem Tierhalter.

Denn: Auch der Hundesitter muss den Hund korrekt beaufsichtigen. Tut er das nicht, kann er sich ebenfalls einem Schadensersatzanspruch aussetzen. So verurteilte das Oberlandesgericht Hamm eine Frau zur Zahlung von mehreren tausend Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld, die drei große Hunde gleichzeitig ausgeführt hatte, darunter den "Cane Corso" eines Bekannten. Das Tier sprang eine Spaziergängerin an und verletzte diese. Das Gericht sah in dem "Rudelausführen" eine durch die Frau geschaffene Gefahrensituation, da sie die drei großen Hunde kräftemäßig im Notfall überhaupt nicht kontrollieren konnte (Urteil vom 3. Februar 2015, Az. 9 U 91/14).

Wer haftet, wenn ein Mensch sich beim "Dazwischengehen" verletzt?


Es kommt durchaus vor, dass eine Person verletzt wird, die versucht, zwei kämpfende Hunde oder auch Hund und Katze zu trennen. Hier kommt es sehr auf den Einzelfall an.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied in einem Fall, in dem eine Frau sich bei einem Sturz auf vereistem Boden verletzt hatte, als sie versuchte, ihren Kater vor den Bissen des Nachbarshundes zu beschützen. Beide Parteien hatten gleichzeitig Schnee von ihren Grundstücken geräumt. Dabei lief der Hütehund des Nachbarn auf das Grundstück der Frau und geriet mit deren Kater aneinander. Zwar hatte sich die Frau zuvor durchaus gut mit dem Hund verstanden und auch mit ihm gespielt. Nun versuchte die Katzenhalterin jedoch, die Kontrahenten mit einem Besen zu trennen. Dabei stürzte sie und verletzte sich am Hand- und -Kniegelenk. Sie verklagte ihren Nachbarn auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das Oberlandesgericht gab ihr Recht: Auch Schäden beim "helfenden Eingreifen" seien von der Tierhalterhaftung umfasst. Der Tierhalter hafte unabhängig von einem eigenen Verschulden immer dann, wenn der Schaden auf ein Verhalten seines Tiers, hier des Nachbarhundes, zurückzuführen sei. Dazu müsse das Tier nicht die andere Person direkt angreifen. Anlass für das Eingreifen der Frau sei hier der Angriff des Hundes auf ihren Kater gewesen. Ihre Reaktion habe trotz Eis und Schnee nahegelegen. Damit hafte der Hundebesitzer (Urteil vom 18.1.2023, Az. 4 U 249/21).

Praxistipp zur Tierhalterhaftung bei Hundebiss etc.


Schäden durch ein Haustier, zum Beispiel dem um sich beißenden Hund, können teuer werden - zumal die Haftung des Tierhalters unabhängig vom eigenen Verschulden ist. Hat Ihr Pferd jemanden getreten, Ihr Hund jemanden gebissen oder Ihre Katze jemanden ernsthaft gekratzt, empfiehlt sich eine Beratung durch einen Rechtsanwalt für Zivilrecht. Eine Tierhalterhaftpflichtversicherung schützt vor den oben Haftungsrisiken.

(Bu)


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 Stephan Buch
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