Unfall mit Einparkassistent: Haftet der Autofahrer trotzdem?

04.05.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Auto,Beule Wer haftet, wenn die Einparkhilfe versagt? © Bu - Anwalt-Suchservice

Bei engen Parklücken erleichtern Einparkhilfen das Autofahren sehr. Doch: Dürfen sich Autofahrer allein auf den Einparkassistenten verlassen? Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn es zu einem Unfall kommt?

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein schönes, neues Auto mit vielen Assistenzsystemen. Dazu gehört auch ein Einparkassistent. Sie müssen nur noch Gas geben oder bremsen, alles andere erledigt das Auto von selbst. Prima, denken Sie sich, und fahren zum Baumarkt. Beim rückwärts Einparken lassen Sie dem Assistenten freie Hand. Und rrrums! Zwischen Ihrem Auto und dem Fahrzeug dahinter stand der neue Rasenmäher, den der andere Fahrer gerade einladen wollte. Ihre schöne neue Heckklappe ist eingedellt. 2.000 Euro veranschlagt der Gutachter - und berechnet Ihnen nochmal 500 Euro für seine Arbeit. Und der wutentbrannte Unfallgegner möchte einen neuen Rasenmäher. Wer zahlt nun den Schaden? Sie allein? Oder durften Sie sich auf den Einparkassistenten verlassen?

Welche Einparkhilfen gibt es?


Derzeit sind ganz unterschiedliche Arten von Einparkhilfen in Gebrauch. Verbreitet sind zum Beispiel Parksensoren, die bei der Annäherung an ein Hindernis einen mit abnehmender Entfernung immer eindringlicheren Warnton von sich geben. Beliebt sind auch Rückfahrkameras. Und dann gibt es noch sogenannte aktive Systeme, die eine Lenkunterstützung bieten. Bei ihnen übernimmt der elektronische Parkassistent mit Hilfe von Sensordaten das Lenken während des Einparkens. Der Fahrer gibt allerdings selbst Gas oder tritt auf die Bremse. Wer haftet nun, wenn es bei Nutzung solcher hilfreichen Systeme zu einem Unfall kommt?

Fall: Mietwagen mit akustischer Einparkhilfe


Vor einigen Jahren hat sich das Amtsgericht München mit einem Unfall bei der Nutzung einer akustischen Einparkhilfe beschäftigt. Ein Autofahrer hatte bei einer Autovermietung einen PKW gemietet. Der Mietvertrag sah für den Fall eines vom Fahrer verursachten Schadens eine Eigenbeteiligung von 750 Euro vor. Als Einparkhilfe besaß das Auto ein sogenanntes "PDC-System". Dieses warnt beim Rückwärtsfahren durch akustische Signale vor Hindernissen.

Beim Zurückgeben des Fahrzeugs wollte der Mieter dieses auf dem Parkplatz der Autovermietung in eine Parkgarage stellen. Er parkte rückwärts ein und verließ sich dabei auf die Einparkhilfe. Nun befand sich jedoch an der rückwärtigen Begrenzung des Parkplatzes in Höhe des Abtaststrahls des PDC ein Hohlraum. Der Abtaststrahl erfasste daher nicht die höher gelegene Begrenzung des Stellplatzes. Der Hohlraum unterhalb der Begrenzung war sichtbar. Das Auto kollidierte mit der Rückwand. Es entstand ein Schaden am Fahrzeug in Höhe von 788 Euro. Die Autovermietung forderte vom Mieter Schadensersatz in Höhe der Eigenbeteiligung, weil er sich schuldhaft allein auf die Einparkhilfe verlassen habe.

Wie entschied das Gericht zur akustischen Einparkhilfe?


Das Gericht gestand der Autovermietung den Betrag zu. Der Fahrer habe den Schaden fahrlässig verursacht. Fahrlässig handele, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse, wenn der Eintritt eines Schadens vorhersehbar und auch vermeidbar sei. Erforderlich sei dabei das Ausmaß an Umsicht und Sorgfalt, das ein besonnener und gewissenhafter Verkehrsteilnehmer normalerweise an den Tag lege.

Ein Autofahrer dürfe sich bei der Verwendung einer Einparkhilfe nicht darauf verlassen, dass diese zuverlässig in jedem Fall und bei jedem Hindernis ein Warnsignal gebe. Gerade beim Rückwärtsfahren seien an die erforderliche Sorgfalt des Autofahrers hohe Anforderungen zu stellen. Er müsse sich trotz Einparkhilfe immer zusätzlich durch eigene Beobachtungen per Blick in den Rückspiegel, durch Umschauen, gegebenenfalls durch Aussteigen aus dem Auto vergewissern, wie weit ein sicheres Rückwärtsfahren möglich sei. Daher musste der Fahrer des Mietwagens hier in Höhe der Eigenbeteiligung haften (Amtsgericht München, Urteil vom 19.7.2007, Az. 275 C 15658/07).

Fall: Was gilt bei einem Unfall mit Einparkassistent?


Auch bei einer Einparkhilfe, die automatisch lenkt, kann es zu einem Unfall kommen. Mit einem solchen Fall beschäftigte sich das Amtsgericht Gelsenkirchen. Ein Autofahrer hatte die in seinem Wagen verbaute Einparkautomatik verwendet, um rückwärts in eine Parklücke zwischen anderen PKW zu fahren. Die Parklücke lag parallel zur Fahrbahn. Er kollidierte mit dem dahinter stehenden Fahrzeug. Allerdings glaubte er sich im Recht, weil er ja eine Einparkhilfe genutzt hatte. Daher verklagte er den anderen Autofahrer auf Schadensersatz. Dieser hatte dafür wenig Verständnis: Er hatte zum Unfallzeitpunkt in seinem stehenden Fahrzeug gesessen und sah nicht ein, warum er nun für den Schaden aufkommen sollte.

Wie hat das Gericht zum Einparkassistenten entschieden?


Das Amtsgericht hatte ebenfalls für diese Argumentation wenig Verständnis und wies die Klage des Einparkhilfen-Nutzers ab. Hier deute überhaupt nichts auf ein Verschulden des Unfallgegners hin. Dessen Auto habe zum Unfallzeitpunkt gestanden und sei - auf zulässige Weise - geparkt gewesen. Der einparkende Autofahrer habe das andere Auto obendrein gut sehen können.

Stattdessen habe der Kläger selbst gegen § 9 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen. Nach dieser Regelung muss man beim Rückwärtsfahren besondere Vorsicht walten lassen. Als Autofahrer muss man sich dabei so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Notfalls muss man sogar aussteigen und sich einweisen lassen. All dies habe der Kläger aber nicht getan und sich stattdessen blind auf seine Einparkhilfe verlassen. Das dürfe er jedoch nicht: Jeder Autofahrer sei verpflichtet, selbst aufzupassen, dass es beim Rückwärtsfahren nicht zu einem Unfall kommt.

Hier sprach auch der sogenannte Anscheinsbeweis gegen den Kläger. Das bedeutet: Bei einem Unfall beim Rückwärtsfahren geht man zunächst davon aus, dass der Rückwärtsfahrende unaufmerksam war. Dieser darf dann gerne versuchen, das Gegenteil zu beweisen. Hier waren jedoch keinerlei Beweise für eine Schuld des anderen Fahrers vorhanden. Daher musste der Autofahrer, der die Einparkhilfe benutzt hatte, allein für den Schaden aufkommen (Urteil vom 3.5.2016, Az. 427 C 74/15).

Trotz Parksensor gegen die Mauer - wer zahlt?


Das Amtsgericht Hamburg musste sich mit einem weiteren Mietwagenfall befassen. Hier war ein Fahrzeugmieter beim Rückwärts-Einparken gegen eine Mauer gefahren. Er hatte sich beim Rangieren auf den akustischen Warnton der Einparkhilfe verlassen. Diese blieb jedoch stumm. Der Fahrzeugmieter meinte, dass wohl ein Sensor defekt gewesen sein müsse. Daher wollte er den Schaden nicht zahlen.

Aus Sicht des Gerichts kam es jedoch überhaupt nicht darauf an, ob die Sensoren intakt oder defekt waren. Ein Parksensor sei ein reines technisches Hilfsmittel, auf das sich der Fahrer nicht verlassen dürfe. Als Autofahrer müsse man bedenken, dass ein solcher Sensor immer nur einen Ausschnitt des hinter dem Auto liegenden Bereiches erfassen kann. Bei einem Bordstein oder einer kleineren Mauer könne es durchaus zu einem Kontakt des Fahrzeugs mit einem Hindernis kommen, das der Sensor nicht erfasst habe. Die Straßenverkehrsordnung jedenfalls verpflichte Fahrer dazu, beim Rückwärtsfahren nach hinten zu schauen und sich zu vergewissern, dass dort kein Hindernis sei. Auch in diesem Fall musste der Fahrer in Höhe seiner Eigenbeteiligung für den Schaden haften (AG Hamburg, Urteil vom 24.2.2016, Az. 49 C 299/15).

Praxistipp zur Einparkhilfe


Automatische Assistenzsysteme befreien den Fahrer nicht aus seiner Verantwortung. Wenn sie versagen, haftet er, notfalls auch allein, für den Schaden. Trotz derartiger Systeme muss der Fahrer immer noch selbst sicherstellen, dass kein Unfall passiert. Rat und Hilfe bei einem Rechtsstreit um einen Verkehrsunfall finden Sie bei einem Fachanwalt für Verkehrsrecht.

(Bu)


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 Stephan Buch
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