Was bedeutet das Hinweisgeberschutzgesetz für Arbeitnehmer?

29.07.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Hinweisgeber,flüstert,Kollegin,zu Wer Rechtsverstöße seines Arbeitgebers meldet, wird geschützt © - freepik

Das Hinweisgeberschutzgesetz soll klare Regeln für Whistleblower in Unternehmen und Behörden schaffen. Ein geregeltes Meldestellensystem soll Hinweise auf Missstände in geordnete Bahnen lenken. Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

Sogenannte Whistleblower - hierzulande werden sie Hinweisgeber genannt - machen immer wieder von sich reden. Oft wenden sie sich an die Presse und spielen vertrauliche Informationen über Missstände oder Rechtsverletzungen innerhalb von großen Unternehmen, staatlichen Behörden oder gar dem Militär den Medien zu. Häufig geht es um Missstände bei ihren Arbeitgebern. Nicht immer sind die entsprechenden Organisationen darüber begeistert. Daher müssen Whistleblower persönliche Nachteile und Repressionen fürchten. Am 27.7.2022 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes verabschiedet. Welche Auswirkungen hat dieses Gesetz auf Arbeitnehmer?

Was bezweckt das Hinweisgeberschutzgesetz?


Mit diesem Gesetz soll eine EU-Richtlinie umgesetzt werden. Das Gesetz sieht sogenannte Hinweisgeber als wichtig für die Gesellschaft an, da durch sie Missstände bekannt werden und Probleme gelöst werden können. Das Gesetz soll Vorgaben schaffen, um solcherlei Hinweisgeber vor Repressalien und arbeitsrechtlichen Folgen zu schützen. Arbeitnehmer, die also Unregelmäßigkeiten bei ihren Arbeitgebern aufdecken, sollen zum Beispiel vor Mobbing oder Kündigung geschützt werden. Gleichzeitig soll es dafür sorgen, dass sich Tippgeber nicht als Erstes an die Medien wenden und damit bei ihren Arbeitgebern Schäden anrichten. Dies soll durch die Einführung von internen Meldesystemen (Meldestellen) für Verstöße und Missstände bei den jeweiligen Arbeitgebern erreicht werden.

Wen betrifft das Hinweisgeberschutzgesetz?


Das Gesetz betrifft alle Hinweisgeber, die im Zuge ihrer Berufstätigkeit Informationen über Verstöße erhalten haben - also Arbeitnehmer, Beamte oder auch Selbstständige, aber auch Beschäftigte bei Lieferanten des jeweiligen Unternehmens oder dessen Anteilseigner sowie Soldaten.

Welche Verstöße umfasst das Hinweisgeberschutzgesetz?


Natürlich stellt sich die Frage, welche Art von "Verstößen" der Gesetzgeber hier meint. Das neue Hinweisgeberschutzgesetz betrifft Hinweise über Verstöße gegen Gesetze, die strafbar sind oder zumindest eine bußgeldpflichtige Ordnungswidrigkeit darstellen. Bei den Ordnungswidrigkeiten muss es sich um Verstöße gegen Gesetze handeln, die dem Schutz von Leben, Leib und Gesundheit dienen oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane, also etwa der Betriebsräte. Allerdings gilt das Gesetz auch für Verstöße gegen weitere Rechtsvorschriften des Bundes, der Länder und der EU zum Beispiel in den Bereichen

- Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
- Produktsicherheit,
- Sicherheit im Straßenverkehr, in Tunneln, beim Güterkraftverkehr und Omnibusverkehr,
- Betriebssicherheit des Bahnverkehrs,
- Sicherheit im Luftverkehr und in der Seeschifffahrt,
- Gefahrguttransporte,
- Umweltschutz,
- Reaktorsicherheit und Strahlenschutz,
- Erneuerbare Energien und Energieeffizienz,
- Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit.

Wie soll das Meldesystem in Unternehmen funktionieren?


Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit haben, ihre vertraulichen Hinweise wahlweise an betriebsinterne oder an externe Meldestellen zu geben. Es soll ein System aufgebaut werden, das beides vorsieht. Beide Arten von Meldestellen sollen die jeweiligen Vorwürfe prüfen, entsprechende Maßnahmen einleiten und dem Tippgeber innerhalb einer bestimmten Frist mitteilen, was passiert ist.

Arbeitgeber mit mindestens 50 Beschäftigten - private wie auch öffentliche - müssen künftig eine betriebsinterne Meldestelle für Gesetzesverstöße einrichten. Unternehmen, die bis zu 249 Beschäftigte haben, haben dafür bis 17.12.2023 Zeit. Diese Unternehmen können auch mit anderen eine gemeinsame Meldestelle einrichten. Alle größeren Unternehmen sind dagegen sofort in der Pflicht. Es können auch Dritte, etwa Dienstleister, als Meldestelle für Verstöße beauftragt werden oder diese kann zentral bei der Konzernmutter eingerichtet werden.

Beim Bundesamt für Justiz (BfJ) soll eine zentrale externe Meldestelle eingerichtet werden, an die sich Whistleblower wenden können. Diese soll Hinweise aus dem öffentlichen und privatwirtschaftlichen Bereich annehmen. Dort können sich potentielle Hinweisgeber auch vorher beraten lassen. Hinzu kommen Meldestellen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFIN) und beim Bundeskartellamt. Die Bundesländer dürfen eigene Meldestellen für Angelegenheiten der Landes- und Kommunalbehörden einrichten.

Wie sollen Hinweisgeber geschützt werden?


Das Gesetz schreibt vor, dass die Identität der Tippgeber nur den unmittelbar mit dem Fall betrauten Personen bei der Meldestelle bekannt sein darf. Nur im Ausnahmefall darf die Identität von Hinweisgebern oder von Personen, zu denen Hinweise gegeben wurden, nach außen dringen - zum Beispiel auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden.

Die Meldestellen dürfen zwar auch anonyme Meldungen bearbeiten, sind dazu aber nicht verpflichtet. Meldungen von einer identifizierbaren Person haben immer Vorrang. Eine Pflicht zur Einrichtung eines Systems für anonyme Meldungen besteht nicht.

Arbeitsrechtliche und persönliche Repressalien gegen Hinweisgeber bzw. Whistleblower sind verboten. Dazu zählen etwa Kündigung, Abmahnung, Versagung einer Beförderung, geänderte Übertragung von Aufgaben, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung, Rufschädigung oder Mobbing. Der Arbeitgeber ist außerdem gegenüber dem Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er trotzdem Repressalien anwendet. Beim Schadensersatzanspruch gibt es eine Beweislastumkehr: Der Arbeitgeber muss beweisen, dass er keine Repressalien angewandt hat.

Achtung: Auch Arbeitnehmer können sich schadensersatzpflichtig machen, wenn sie grob fahrlässig oder vorsätzlich ungerechtfertigte Beschuldigungen vorbringen.

Wer vom Schutz des Gesetzes profitieren will, darf sich außerdem nur im Ausnahmefall an die Öffentlichkeit oder die Presse wenden. Zulässig ist dies nur, wenn die Gefahr irreversibler Schäden besteht oder wenn die Meldestelle nicht auf den Hinweis reagiert.

Welche Ausnahmen gibt es im Hinweisgeberschutzgesetz?


Eine ganze Reihe von Bereichen sind jedoch vom Hinweisgeberschutzgesetz ausgenommen. Bei Hinweisen sind die Tippgeber also nicht geschützt. Dies gilt zum Beispiel bei Hinweisen zu

- Informationen, die die nationale Sicherheit oder militärische oder sonstige sicherheitsempfindliche Belange des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung oder kritische Infrastrukturen betreffen,
- Informationen von Nachrichtendiensten,
- Informationen zur Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen.

Auch Hinweise, durch die gegen die Schweigepflicht von Ärzten, Apothekern, Rechtsanwälten oder Notaren verstoßen würde, sind ausgenommen.

Ausgenommen sind auch Hinweise, denen eine Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht zum materiellen oder organisatorischen Schutz von Verschlusssachen entgegensteht - es sei denn, es handelt sich um die Meldung eines strafbewehrten Verstoßes an eine interne Meldestelle.

Verstöße gegen vertragliche, also auch arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflichten, fallen unter den Schutz des Gesetzes, wenn der Hinweisgeber den Sachverhalt bei der Offenlegung für wahr hielt und die Offenlegung als notwendig für die Aufdeckung eines Verstoßes ansah.

Welche Sanktionen sieht das Hinweisgeberschutzgesetz vor?


Wer gegen die Regeln des Hinweisgeberschutzgesetzes verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einem Bußgeld bis zu 100.000 Euro rechnen. Ein solcher Regelverstoß kann beispielsweise das Behindern von Meldungen an die Meldestelle sein. Eine Falschmeldung kann zu einem Bußgeld bis 20.000 Euro führen.

Wann ist das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft getreten?


Das Gesetz ist am 31. Mai 2023 in Kraft getreten.

Praxistipp zum Hinweisgeberschutzgesetz


Tragen Sie sich als Arbeitnehmer mit dem Gedanken, Missstände oder Gesetzesverstöße bei Ihrem Arbeitgeber aufzudecken? Eine Beratung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Sie über mögliche Risiken und die Frage, ob Sie gesetzlich geschützt sind, aufklären. Denn im schlimmsten Fall droht wegen Falschmeldung ein Bußgeld in Höhe von 20.000 Euro.

(Ma)


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