Arbeitsrecht: Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung zulässig?

19.11.2018, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Arbeitsrecht: Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung zulässig? © Bu - Anwalt-Suchservice

Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern aus betrieblichen Gründen kündigen. Nicht jede betriebsbedingte Kündigung ist jedoch wirksam. Informieren Sie sich hier zu den Voraussetzungen, die einzuhalten sind.

Fällt ein Betrieb unter den Wirkungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, darf der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nur mit den gesetzlich zulässigen Kündigungsgründen kündigen. Dazu gehören auch sogenannte betriebsbedingte Gründe. Aber: Ermöglicht nun jeder entfallene Auftrag oder jedes Einsparpotential gleich die Möglichkeit zur Auflösung von Arbeitsverhältnissen? Betriebsbedingte Kündigungen kommen oft vor, sind aber häufig auch fehlerhaft und damit unwirksam.

Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?


Wie der Name schon sagt, geht es dabei nicht um irgendwelche Gründe aus dem Bereich des Arbeitnehmers. Ihm soll also gekündigt werden, ohne dass er etwas dafür kann – denn der Grund liegt im Betrieb. Betriebliche Gründe sind zum Beispiel Umstrukturierungen, notwendige Personalkürzungen oder Betriebs-Stilllegungen bei einer Insolvenz. Wichtig ist, dass einer betriebsbedingten Kündigung immer eine unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers zu Grunde liegen muss.

Was sind die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung?


Zunächst muss es dringende betriebliche Erfordernisse für die Kündigung geben. Eine bloße Einsparmöglichkeit reicht also nicht aus. Es darf keine Möglichkeit geben, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Es muss eine fehlerfreie Sozialauswahl stattgefunden haben – bei diesem Punkt werden besonders viele Fehler gemacht.

Was sind dringende betriebliche Erfordernisse?


Diese liegen vor, wenn im Betrieb Arbeitsaufwand wegfällt – zum Beispiel infolge von Auftragsmangel oder Personaleinsparungen bei einer Umstrukturierung. Es muss nicht unbedingt eine wirtschaftliche Notsituation des Betriebes eintreten, um organisatorische Änderungen vorzunehmen, bei denen Arbeitsplätze wegfallen. Allerdings muss es in jedem Fall zu einer unternehmerischen Entscheidung gekommen sein, die den Bestand oder die Organisationsstruktur des Betriebes betrifft.
Zwar kann das Arbeitsgericht nur sehr eingeschränkt nachprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich erforderlich oder sinnvoll war. Der Arbeitgeber muss aber seine betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung genau darlegen und mit Zahlenmaterial belegen können. Es reicht nicht, nur auf “Auftragsmangel” zu verweisen. Die organisatorische Änderung muss also auch für nicht mit dem Betrieb vertraute Personen nachvollziehbar dargestellt werden.

Wann fehlt eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit?


Es darf keine andere Möglichkeit geben, den zu kündigenden Arbeitnehmer weiterhin sinnvoll im Betrieb einzusetzen. Ist zum Beispiel gerade ein anderer Arbeitsplatz frei geworden, der mit dem weggefallenen vergleichbar ist, darf der Arbeitgeber diesen also nicht für externe Bewerber ausschreiben, sondern muss ihn mit dem bisherigen Mitarbeiter besetzen. “Vergleichbar” bedeutet, dass der betreffende Arbeitnehmer im Rahmen seiner Qualifikationen genauso gut diese Arbeit durchführen kann. Eine Beförderung muss der Chef allerdings nicht vornehmen.

Was ist bei der Sozialauswahl zu beachten?


Auch hier geht es wieder um die Vergleichbarkeit, allerdings von Personen. Unter einer Gruppe von Arbeitnehmern, die – hinsichtlich Qualifikationen, Fähigkeiten, Arbeitsverträgen und Hierarchiestufe im Betrieb – vergleichbar sind, muss der Arbeitgeber eine Auswahl treffen, wem er kündigt. Dabei hat er soziale Kriterien zu berücksichtigen, etwa das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, eine mögliche Schwerbehinderung, Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Unterhaltspflichten. Beispiel: Einem jüngeren Arbeitnehmer ohne Verpflichtungen darf eher gekündigt werden als einem älteren, der drei Kinder zu ernähren hat.

Beispiel Betriebsstilllegung: Wann darf der Chef kündigen?


Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat sich 2017 mit einer Kündigung wegen Betriebsstilllegung beschäftigt. Es ging dabei um einen Betrieb, der Fenster und Türen aus Aluminium herstellte und seit Jahren keinen Gewinn mehr erwirtschaftet hatte. Der Geschäftsinhaber war 72 Jahre alt, fand keinen Nachfolger und konnte den Betrieb nicht verkaufen. Er entschloss sich zur Schließung. Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur kündigte er seinen Mitarbeitern betriebsbedingt. Ein Arbeitnehmer klagte dagegen. Er war der Ansicht, dass der Chef ihn früher hätte informieren müssen. Bei Ausspruch der Kündigung hätte noch keine ernsthafte Absicht zur Stilllegung des Betriebes bestanden.
Das Landesarbeitsgericht stellte klar, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, Arbeitnehmer vor der Kündigung über eine mögliche Betriebsstilllegung zu informieren. Ebenso wenig sei der Arbeitgeber verpflichtet, bei Ausspruch der Kündigungen sofort alle Tätigkeiten einzustellen. Zwar müsse zu diesem Zeitpunkt schon die ernsthafte Absicht bestanden haben, den Betrieb zu schließen. Ein Indiz dafür sei die Mitteilung der bevorstehenden Stilllegung an Banken, Geschäftspartner und Lieferanten – die hier erfolgt sei. Dass während der Laufzeit der Kündigungsfristen noch Aufträge abgearbeitet würden, ändere nichts. Die Kündigung war damit wirksam (Urteil vom 12.1.2017, Az. 5 Sa 51/16).

Outsorcing als Kündigungsgrund


Eine betriebsbedingte Kündigung darf auch erfolgen, wenn die an einem Arbeitsplatz erledigte Arbeit, nach außen auf ein anderes Unternehmen verlagert wird. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil von 2014 betont. Es ging dabei um die Auslagerung von Hausmeistertätigkeiten an einen externen Dienstleister – wobei noch nicht einmal Kosten gespart wurden. Dabei stellte das Gericht folgende Grundsätze auf:
- Ein betriebliches Erfordernis für eine Kündigung kann auch dann ein Kündigungsgrund sein, wenn es durch unternehmerische Entscheidungen erst entsteht.
- Die Kündigung darf schon vor Umsetzung der entsprechenden organisatorischen Maßnahme stattfinden.
- Mit der Umorganisation muss nicht unbedingt eine Kostenersparnis verbunden sein. Es ist Sache des Arbeitgebers, wie er seinen Betrieb organisiert.
- Die Entscheidung darf nicht unsachlich sein.
Die Kündigungsschutzklage wurde abgewiesen (Urteil vom 20.11.2014, Az. 2 AZR 512/13).

Praxistipp


Bei einer betriebsbedingten Kündigung, die nur einen Teil der Arbeitnehmer betrifft, werden oft Fehler im Rahmen der Sozialauswahl gemacht, zum Beispiel bei der Bestimmung der Gruppe von vergleichbaren Arbeitnehmern, unter denen ausgewählt wird. Hier besteht oft eine Chance auf ein erfolgreiches Einschreiten vorzugsweise mit Hilfe eines Fachanwalts für Arbeitsrecht. Wichtig ist jedoch schnelles Handeln, denn eine Klage kann nur innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erfolgen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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