Prozesskostenhilfe und wie man sie beantragt
08.12.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Menschen mit schmaler Brieftasche hilft der Staat bei den Prozesskosten. © Rh - Anwalt-Suchservice Viele Menschen haben kein Geld für einen Gerichtsprozess. In dieser Situation kann man Prozesskostenhilfe beantragen. Dann trägt unter bestimmten Voraussetzungen der Staat die Verfahrenskosten.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wer bezahlt die Rechtsberatung vor dem Prozess? Wer bekommt Prozesskostenhilfe? Was deckt die Prozesskostenhilfe ab? Was ist die wichtigste Voraussetzung? Muss man die Prozesskostenhilfe zurückzahlen? Wo beantragt man die Prozesskostenhilfe? Welche Unterlagen sind erforderlich? Wie lange dauert die Entscheidung über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe? Wie hat das Bundesverfassungsgericht zum Unterhalt entschieden? Wann gibt es internationale Prozesskostenhilfe? Wann wird die Prozesskostenhilfe widerrufen? Kann ich die Prozesskosten selbst berechnen? Praxistipp zur Prozesskostenhilfe Wer bezahlt die Rechtsberatung vor dem Prozess?
Oft ist schon vor dem eigentlichen Prozess eine Beratung durch einen Rechtsanwalt erforderlich. Die Prozesskostenhilfe deckt jedoch keine vorprozessuale Rechtsberatung ab. Dafür gibt es andere Möglichkeiten. Betroffene können beim örtlichen Amtsgericht einen Beratungshilfeschein beantragen. Mit diesem können sie einen Anwalt ihrer Wahl aufsuchen. In einigen Bundesländern – wie Hamburg – gibt es stattdessen eine öffentliche Rechtsberatung (ÖRA). Wer keine Rechtsschutzversicherung hat und auch nicht irgendwo anders Rat erhält, etwa beim Mieterverein, kann dort Rechtsrat einholen.
Wer bekommt Prozesskostenhilfe?
Prozesskostenhilfe erhält jeder, der sich die Kosten eines Gerichtsverfahrens ganz oder zum Teil nicht leisten kann. Dies gilt unabhängig davon, ob er klagt oder verklagt wird. Auch spielt es keine Rolle, ob es sich um eine natürliche Person oder um eine juristische (wie ein Unternehmen) handelt. Auch Ausländer können sie in Anspruch nehmen. Für grenzüberschreitende Verfahren gibt es besondere Regeln. Man muss die Prozesskostenhilfe beantragen. Dabei muss man seine Gründe für den Antrag nennen und erklären, warum man hilfebedürftig ist.
Was deckt die Prozesskostenhilfe ab?
Die Prozesskostenhilfe deckt die Kosten für das eigentliche Verfahren vor Gericht ab. Das bedeutet: Sie umfasst die Gerichtskosten und die Gebühren des eigenen Anwalts. Das Gericht stellt dem Betreffenden auf Antrag einen Rechtsanwalt zur Seite, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder erforderlich erscheint.
Wer den Prozess verliert, muss in der Regel die Kosten für den gegnerischen Rechtsanwalt übernehmen. Die Prozesskostenhilfe trägt diese Kosten nicht. Hier besteht also unter Umständen ein erhebliches Kostenrisiko.
Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg steht einem Kläger keine Prozesskostenhilfe zu, um einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe einzuklagen. Vor dem Antrag auf Prozesskostenhilfe könne sich ein Bedürftiger zunächst mithilfe der Beratungshilfe über die Erfolgsaussichten der Klage beraten lassen (Az. 10 Ta 1848/13).
Was ist die wichtigste Voraussetzung?
Prozesskostenhilfe erhält man nur, wenn das Gerichtsverfahren Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig wirkt. Als mutwillig gelten Gerichtsprozesse, die ein Kläger, der nicht bedürftig ist, überhaupt nicht oder nicht in dieser Weise anfangen würde. Das Gericht beurteilt den einzelnen Fall jedoch nicht „im Voraus“. Es prüft lediglich oberflächlich die Erfolgschancen der Klage.
Muss man die Prozesskostenhilfe zurückzahlen?
Die gezahlte finanzielle Hilfe müssen die Betroffenen in gesetzlich festgelegten Raten wieder zurückzahlen. Befreit wird davon nur, wer sich in besonders schlechten finanziellen Verhältnissen befindet. Dann übernimmt die Staatskasse die Kosten. Ab einem gewissen Streitwert erhält der Rechtsanwalt des Betroffenen bei einem Prozesskostenhilfe-Verfahren eine geringere Vergütung.
Wo beantragt man die Prozesskostenhilfe?
Der Antrag muss bei dem Gericht gestellt werden, das für den Fall zuständig ist und bei dem verhandelt werden soll. Für Fälle aus dem Mietrecht ist zum Beispiel immer das Amtsgericht (Zivilgericht) zuständig. Dies gilt auch für andere zivilrechtliche Streitigkeiten (etwa um Kaufverträge oder Gewährleistung) bis zum Wert von 5.000 Euro. Geht es um höhere Beträge, ist das Landgericht zuständig. Für Mietverhältnisse ist das Gericht am Ort der Immobilie zuständig, ansonsten im Zivilprozess das Gericht am Wohnort des Beklagten.
Welche Unterlagen sind erforderlich?
Um Prozesskostenhilfe zu bekommen, muss man auf der Geschäftsstelle des Gerichts einen Antrag einreichen oder diesen zu Protokoll geben. Dabei muss man angeben, gegen wen und warum prozessiert werden soll. Antragsteller müssen zusätzlich eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgeben: Sie müssen glaubhaft machen, dass sie sich den Prozess ohne staatliche Hilfe nicht leisten können. Dabei geht es zum Beispiel um die Familienverhältnisse, den Beruf, das Vermögen, das Einkommen und um Schulden. Als Antragsteller muss man auch Belege für seine Angaben vorlegen, insbesondere für seine prekäre Finanzlage. Der Prozessgegner bekommt zu all diesen Informationen keinen Zugang. Ausnahme: Er hat einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft. Solche Auskunftsansprüche gibt es zum Beispiel in Verfahren um die Zahlung von Unterhalt.
Wie lange dauert die Entscheidung über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe?
Die Gerichte sollen Anträge auf Prozesskostenhilfe schnell bearbeiten. Am 12. Januar 2009 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass eine verzögerte Entscheidung über die Prozesskostenhilfe nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Es darf also nicht erst dann über die Finanzierung des Verfahrens entschieden werden, wenn im Prozess schon die Beweisaufnahme stattgefunden hat und das Ergebnis praktisch feststeht. Für die Erfolgsaussichten des Verfahrens reicht es demnach schon, wenn überhaupt eine Beweisaufnahme in Betracht kommt (Az. 19 C 08.3012).
Wie hat das Bundesverfassungsgericht zum Unterhalt entschieden?
Ein Vater wollte Prozesskostenhilfe beantragen, um sich gegen die Forderung seiner Tochter auf mehr Unterhalt zu verteidigen. Diese wurde ihm zunächst mit der Begründung verweigert, dass er ja eine besser bezahlte Arbeit annehmen und sich dafür auch bundesweit bewerben könne. Schließlich führte der Streit zu einer Verfassungsbeschwerde – die der Vater gewann. Er hatte nach jahrelanger Arbeitslosigkeit gerade eine Stelle als Lagerist gefunden. Für eine bundesweite Bewerbung hätte er von seiner Familie getrennt leben und eine zusätzliche Wohnung mieten müssen. Dies hätte natürlich zusätzliche Kosten verursacht. So etwas konnte man aus Sicht des Gerichts nicht von ihm verlangen. Bei der Prozesskostenhilfe müsse man immer die persönlichen Verhältnisse des Betreffenden berücksichtigen (Beschluss vom 14.12.2006, Az. 1 BvR 2236/06).
Wann gibt es internationale Prozesskostenhilfe?
Für grenzüberschreitende Prozesse im Zivilrecht, Handelsrecht und Zwangsvollstreckungsrecht kann man auch innerhalb der EU Prozesskostenhilfe beantragen. Dafür gibt es ein EU-einheitliches Antragsformular. Der Antrag kann beim Amtsgericht am Wohnort des Antragstellers eingereicht werden. Dieses Gericht leitet ihn dann an eine sogenannte Übermittlungsstelle weiter, die sich meist zentral an einem Amtsgericht eines Bezirks befindet. Die eigentliche Entscheidung trifft schließlich das Gericht, an dem der Prozess stattfinden soll. Wenn ein ausländisches Gericht den deutschen Antragsteller nicht für hilfebedürftig hält, weil vor Ort die Lebenshaltungskosten geringer sind als in Deutschland, kann ihm die Übermittlungsstelle eine Bescheinigung über seine Bedürftigkeit ausstellen.
Wann wird die Prozesskostenhilfe widerrufen?
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nachträglich aufgehoben werden. Zum Beispiel dann, wenn sich herausstellt, dass
- der Antragsteller den Rechtsstreit oder seine Erfolgsaussichten falsch dargestellt hat,
- er falsche Angaben über seine finanziellen Verhältnisse gemacht hat oder
- er länger als drei Monate mit einer Rückzahlungsrate in Verzug kommt.
Einige Beispiele aus Gerichtsurteilen:
Einem Mann war Prozesskostenhilfe gewährt worden. Er wollte einen Unfallgegner nach einem Auffahrunfall auf Schadensersatz verklagen. Nachträglich stellte sich heraus, dass der Unfall vorgetäuscht und zwecks Versicherungsbetruges abgesprochen worden war. Das OLG Hamm widerrief die Prozesskostenhilfe. Damit war eine Rückzahlung fällig (Az. 9 U 165/13).
In München war eine Mieterin von ihrem Vermieter wegen rückständiger Miete verklagt worden. Sie wollte sich mit dem Hinweis auf Mängel der Wohnung und ihr Anrecht auf eine Mietminderung verteidigen. Nachträglich stellte sich heraus, dass die Mängel zum Teil erfunden, zum Teil selbst von ihr herbeigeführt worden waren. Auch in diesem Fall wurde die Prozesskostenhilfe rückwirkend aufgehoben. Die Frau verlor den Prozess (AG München, Az. 461 C 31177/10).
Das Bundesarbeitsgericht hob die Prozesskostenhilfe-Bewilligung für eine Frau auf, weil diese nach der Bewilligung umgezogen war, ohne ihre neue Adresse mitzuteilen. Prozesskostenhilfe-Empfänger sind grundsätzlich dazu verpflichtet, vier Jahre lang das Gericht über Änderungen ihrer Anschrift und ihrer Finanzlage auf dem Laufenden zu halten. In der Regel haben sie in diesem Zeitraum noch Rückzahlungen zu leisten. Es reicht nicht aus, dass der Rechtsanwalt die aktuelle Adresse kennt (Beschluss vom 26.1.2017, Az. 9 AZB 46/16).
Kann ich die Prozesskosten selbst berechnen?
Interessiert Sie, welche Kosten für einen Prozess vor Gericht anfallen? Dies können Sie mit unserem Prozesskostenrechner ausrechnen. Zusätzlich bieten wir zwei Rechner an, mit denen Sie die Gerichtskosten und die Anwaltskosten getrennt berechnen können.
https://www.anwalt-suchservice.de/kostenrechner/prozessrisiko/
Praxistipp zur Prozesskostenhilfe
Antragsteller tragen das Risiko, dass sie nach einer Niederlage vor Gericht immer – auch bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe – die Anwaltskosten des Gegners zahlen müssen. Eine Ausnahme sind Prozesse in der ersten Gerichtsinstanz vor dem Arbeitsgericht. Dort zahlt jeder seine Anwaltskosten allein. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Betroffene die Kosten der anwaltlichen Vertretung im Verfahren um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu tragen haben. Daher ist eine gute Einschätzung der Erfolgsaussichten des geplanten Prozesses sehr wichtig. Hier hilft ein auf das jeweilige Gebiet spezialisierter Anwalt, etwa ein Rechtsanwalt für Zivilrecht, ggf. im Rahmen der Beratungshilfe.
(Bu)